Donnerstag, 230831

Mitnahmeeffekt

Langsam lasse ich den grünen Rachenputzertee in mich hineinlaufen und bereite mich auf meine morgendlichen Übungen vor, immer die Uhr im Blick. Ist es eher knapp, weil ich mich bei der ersten Netzsichtung des Tages vertrödelt habe, lasse ich mir mehr Zeit und fange an. In Ruhe lasse ich die Bewegungen in beliebiger Abfolge fließen, schaue, dass ich alle mitnehme. übergangslos. Langsam, kraftvoll und im Fluss. Nichts vergessen, die Reihenfolge ist tagtäglich eine andere, damit es nicht zum hohlen Ritual verkommt. Nach ca. 30 Minuten beende ich die Abfolge, bedanke mich und beginne mit den morgendlichen Hausverlassverrichtungen, bevor ich mich auf dem Weg mache, nicht ohne mich zuvor von den Katzen zu verabschieden.

Mit etwas guter Fügung darf ich die Geschmeidigkeit und fließende Harmonie mit in meinen Alltag nehmen.

Weil es gut passt.
Easy come, easy go
Any way the wind blows

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Freitag, 211015

Nächtliche Rituale.

Meine Schlafstätte ist eine Couch. Nächtens kommt die Kleine mich besuchen, weil sie das schon immer so gemacht hat. Aber nicht einfach so, nein. Ich muss in einer ganz bestimmten Position liegen, auf meiner rechten Seite nämlich, mit Bauch und Gesicht zur Rückenlehne. Liege ich anders, wird so lange Gedöns (scharren, grabbeln, buddeln, laut gurren) gemacht, bis ich mich gefällig positioniere. So entsteht eine Kulle zwischen meinen Bauch und der Lehne, die sie über alles liebt. Vom meinem Körper huscht sie dann auf die Lehne, von hier aus möchte sie eingeladen werden, mit leisen, freundlichen Worten und Fingerspiel am Bettlaken, dann hüpft sie hernieder und lässt sich bekuscheln. Aber auch nicht einfach so, ihr Kopf will in meine hohle Hand, das muss so und nicht anders sein.

Nach eine Weile wird mir der Arm lahm, je nach Grad der Schläfrigkeit mal früher oder später. Dann habe ich ihn unter ihren Vorderpfoten zu schieben und still zu verharren. Während der ganzen Zeit schnurrt das Fellbündel dunkel, wie aus dem Keller, durchgehend, ohne Punkt und Komma. Wie es weiter geht? Entweder gnädige Frau schlafen selbst ein, dann wird das Keller-schnurren erst leiser und geht dann in einem sehr süßen leisen Schnarchen über. Oder das schnurren bricht abrupt ab, weil sie irgend etwas gehört hat, das mehr Spannung verspricht als ihre augenblickliche Lage. Dann weiß ich, gleich isses soweit, dann springt sie auf und fort ist sie. Die dritte Möglichkeit besteht in dem Beginn einer ausdauernden und gründlichen Putz-Session, für meine eigene Nachtruhe die ungünstigste Variante. Da wird geleckt, geschmatzt, Schnurrhaare kitzeln beim steten auf und nieder meine nackte Haut und ständig wird sich neu positioniert. Das dauert so lange, wie es dauert, irgendwann haut sie ab und putzt anderswo weiter.

Auf ihre Weise ist sie sehr berechenbar, wenn man sie ein wenig kennt 🙂

Vorbild in Sachen Tiefenentspannung.
Siesta mitten in der Küche …

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Sonntag, 200906

Wie nahe Licht und Schatten beieinander liegen können, war gestern Abend fein zu sehen. Wie so oft halt. Die Augen wollen auch noch nicht so, wie ich, heute Morgen.

 

Besondere Erkenntnisse abseits von Routine:

  • Mit zunehmenden Alter wird es schwieriger, sich zu verabreden, von Spontanität, die ja sowieso gut überlegt sein möchte, mal ganz zu schweigen. Zuviel kann dazwischen kommen, in Sachen Familie und Corona. Absagen meinerseits derentwegen kenne ich auch nur zu gut.
  • Gelenke und Sehnen unterliegen altersbedingten Verschleiß und Sanitätshäuser werden von Wucherern geführt. Früher hat man sie aufgehangen und nun wollen sie des bösen Karmas willen der Menschheit Gutes tun, mit altem Geschäftsgebaren. Gelernt ist gelernt.
  • Der schwarze Vogel schlägt sachte mit den Flügeln und erinnert mich an seine latente Anwesenheit. Zeit für Licht, Luft und Sonne, Meditation, Gebet und vielleicht das eine oder andere liebe Wort.
  • Musik kann ebenso helfen, die Befindlichkeit zu manipulieren.

Und zum Schluss: Überkommene Rituale kann man auch unterlassen. Oder vermisst die hier jemand?

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Eine gute halbe Stunde

So 30-40 Minuten dauern sie, meine morgendlichen Übungen. Die liebe Anna, die ähnliches für sich selbst übt, hatte die Idee, das gemeinsam mit mir aufzuschreiben und zeitgleich zu veröffentlichen.

Meine Übungen bestehen aus einem Mix von so genannter HWS-Gymnastik sowie teilweise in`s Dynamische geführte, altbekannte Yoga-Übungen wie zum Beispiel das Dreieck, dynamisch durchgeführt (manche nennen sowas auch „Power-Yoga“). Der bekannte „Baum“ lässt sich auch dynamisieren, immer im Kontext mit der Atmung, wie bei allen anderen Übungen auch. Vieles geht aus dem Stand heraus, manches auf dem Boden wie die guten alten Planks oder der Vierfüßler-Stand, als Variante auch dynamisiert. Ferner finden sich Vorbeugen aus der Rückenlage, dynamisch mit angewinkelten Beinen oder klassisch statisch aus dem Langsitz heraus als reine Yoga-Übung (An alle „echten“ Yogis: Ich kann mir keine wohlklingende indische Bezeichnungen merken…). Das „Maß“ der Dinge sind meine Atemzüge, sie dienen als Einheit bei allen Übungen. In der Ruhe atme ich vielleicht 6 Mal in der Minute ein und aus, in der Dynamik natürlich mehr. Die Reihenfolge der einzelnen Übungen variiert von Tag zu Tag, das hat seinen zusätzlichen Reiz und verhindert zuviel Wiederholung. Was ist bei alledem sonst noch wichtig – auf der rein körperlichen Ebene? Bei Übungen aus dem Stand zur Vermeidung eines Hohlkreuzes Becken nach vorne und Bauchnabel zu den Wirbeln ziehen und – ganz allgemein – Respekt vor Dehnungs- und Schmerzgrenzen. Die HWS-basierten Übungen sind dem Verschleiß der Nackenwirbel mit seinen Auswirkungen (Rippenblockaden ect.) geschuldet und halten mich auf ihre Weise beweglich und Beschwerde-frei.

Was macht das mit mir?

Vielschichtig – zum einen habe ich einen leichten Schlaf, bin des Nachts oft heftig in Traumwelten unterwegs, so dass ich am Morgen zwar aufstehe, aber weder im hier und jetzt noch wirklich bei mir bin. Die Übungen helfen mir, mich wieder im so genannten Tagesbewusstsein einzufinden, mich neu zu erden. Auch helfen sie mir, mit meinem so langsam älter werdenden Körper Freundschaft zu schließen, ein Prozess, der wie so vieles andere täglich wiederholt werden möchte, wichtig, weil mir die Jahrzehnte der gelebten Autoaggression (nichts anderes sind Süchte) noch gut in Erinnerung sind.

Dann hat diese Zeit am Morgen auch meditativen Charakter, ich bin jedes Mal erstaunt, in welchem Maße sich zu so früher Stunde schon die Herausforderungen des Tages in mir breit machen möchten. Die Zentrierung auf den Atem und auf die Übungen schaffen Ruhe im Geist, ähnlich wie bei der zwar nicht so regelmäßig praktizierten, aber immer sehr hilfreichen, nicht Objekt-gebundenen kontemplativen Sitzmeditation. Dazu kommt das Üben des Gleichgewichtes, Balance halten – was sich durch die Wechselwirkung auch auf das seelische Gleichgewicht überträgt.

Ein anderer, für mich nicht zu unterschätzender Aspekt ist die mit den Übungen verbundene Disziplin und Konzentration. Von Haus aus halte ich mich zumindest in Teilen für träge, faul und disziplinlos. So kann ich hervorragend ganze Tage vertrödeln, wenn ich mir selbst nicht eine Form von Struktur schaffe, mich selbst nicht bewusst in Disziplin übe. Boheme stand mir immer nahe, mit und ohne Stoff und trotz ununterbrochener Erwerbstätigkeit.

Schlussendlich bietet diese gute halbe Stunde mir die Gelegenheit, mich bei meinem Schöpfer zu bedanken, mich mit SEINEM Willen anzufreunden und um Führung zu bitten.

 

Kann man so gerade noch gelten lassen

Halb Zwölf am Sonntag Vormittag geht so eben noch als Sonntag Morgen durch, finde ich . Und sonst so? Gestern feierten wir den 80sten Geburtstag eines AA-Freundes mit, ein sehr bewegter, bewegender Nachmittag in großer Gesellschaft. Danke dafür.

Von wegen Rituale:
Eine gute Doku zum Thema findet sich hier:
https://www.zdf.de/wissen/leschs-kosmos/die-macht-von-ritualen-102.html

Na dann 🙂

Uns allen einen guten Sonntag!

20191110_111939_X

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