Sonntag, 230813

Ich mach mich schon mal warm, für nächsten Dienstag. Das war nicht so gedacht, hat sich aber so ergeben. Man erinnert sich vielleicht – Dreitagebart, Illusionen, erquickend – so waren die gewürfelten Worte aus Christines Buch. Danke an alle, die mich gestern Abend diesbezüglich inspiriert haben 💙

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Was ich mag – ehrliche Häute, gerne mit Dreitagebart. Menschen, die Sätze zu Ende bringen können, die ich angefangen habe. Oder umgekehrt. Menschen, die wie ich des Lebens heitere List kennen, gerne erquickend laut und schräg lachen, dabei jedoch über die Tiefe und Beweglichkeit verfügen, von jetzt auf gleich ernsthaft zu werden. Auch hier – umgekehrt auch sehr gerne! Menschen, die Sarkasmus und Ironie verstehen und auch selbst leben können, ohne zynisch und boshaft zu werden.

Menschen, die Alleinsein und Gesellschaft gleichermaßen lieben. Menschen, die neugierig geblieben oder geworden sind, Menschen, die sich keine Illusionen mehr leisten und dennoch das Leben lieben.

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Und – Danke an Sonja für das Wort des Tages heute. Beim lesen gingen in Sekunden so einige Filmsequenzen ab. Tragikomödien und auch Dramen. Keine Lustspiele, aber mit guten Ausgang. Lange her, das.

Und – weil es passt(e):

Schulschwänzer

Dieser Eintrag ist Teil eines Schreibprojekts von Myriade, Impulswerkstatt genannt. Schreiben nach Bildern, eine echte Herausforderung, finde ich. Die so genannten Mosaiksteine habe ich angesichts des biographischen Charakters des Eintrags nicht verwertet.

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Nette Vorstellung, einfach raus aus dem Unterricht. Dem Lehrer zum Abschied noch eine verpassen oder wenigstens mal ordentlich die Meinung sagen. Was das alles soll, denkt es in mir. Lernaufgaben nur zu meinem Besten, klingt es noch in den Ohren. Was für ein Hohn, angesichts der letzten Jahre.

Eine schwarze Woge aus Verzweiflung und Zorn überschwemmt mich. Die Vorstellung, einfach abzuhauen, die ist verlockend. Flüchten war immer schon meine Spezialität. Oder Duldungsstarre. Allein die Umsetzung macht Angst. Ein Wort streift mich, während ich mich selbst sehe, von weiter oben, da am Boden liegend. Auflösung – mehr gespürt als gehört, Worte haben keine Bedeutung mehr, angesichts der hämmernden Pumpe und dem kalten Schweiß, der sich stinkend auf meine Haut legt. Kannst mich haben, den Sitzenbleiber, es reicht, ich bin fertig.

Der nächste Morgen – es gibt ihn für mich, wider Erwarten. Du bleibst hier, höre ich eine leise Stimme. Das war noch nicht alles, ER wollte mich (noch) nicht. Nicht noch einmal – spüre ich, während etwas in mir kapituliert und ein anderer Teil leben möchte. Für einen wahren Aufbruch braucht es wohl erst die gespürte Auflösung des alten Ichs. Jedenfalls für Menschen wie ich einer bin.

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Pfingstsonntag, 230528



Ich wünsche uns allen frohe Pfingsttage 🌞



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Na und?

Klingt provokant, dieses „Na und“, angesichts der Schwere mancher Verletzungen. Und dennoch ist viel Wahrheit damit verbunden.

Anfang 2000

Seit ein paar Monaten trocken und clean – plärrte dieses Lied permanent aus meinem Kassettenrecorder im Auto, während ich die Welt neu entdeckte. Ursachenforschung, Analyse, der Versuch, etwas mit dem Verstand zu erfassen, nicht mit dem Herzen, noch gefangen im Prinzip Schuld. Erst viel später las ich die beiden für mich sehr bedeutungsschweren Worte vom Pfarrer Kappes: Na und? Frei zitiert meinte er damit folgendes – Du hast diese oder jene Familiengeschichte, diese oder jene Diagnose – na und? Willst du heil werden, willst du mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen heil werden? Das allein zählt.

Heil werden ist (auch) eine Entscheidung.

Who made who, who made you?
Who made who, ain’t nobody told you?
Who made who, who made you?
If you made them and they made you
Who picked up the bill, and who made who?

Montag, 220228

Pari.
Es steht

22 : 22

Kein Grund zum feiern,
zumal immer nur 24 Stunden zählen.
Stolz nein, Dankbarkeit ja.
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Sonst so?

Wuppertal-Beyenburg, Stausee

Es gehen nur wenige Schritte und die sehr, sehr langsam. Himmel und Wasser sind so blau wie die kleinen Tabletten, die ihm Angst und Verzweiflung nehmen, seit ein paar Tagen und auch an diesem sehr kalten Morgen. Es ist in Ordnung und ich habe keine Skrupel, ihm die Medikation anempfohlen zu haben. Wie werde ich es einst halten? Trägt der Glaube? Ich werde es erfahren. Vergessen wird keiner.

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Montag, 220103

Noch heute und morgen arbeitsfrei, zwecks Akklimatisation nach einer kleinen Reise über den Jahreswechsel in Sachen Familie, nun wieder hier in den heimischen Wupperbergen. Mein Jahreswechsel war sowohl als auch, wie so oft. Der letzte Eintrag entstand am Neujahresmorgen, gegen halb drei oder so. Den Rest kann sich der geneigte Leser denken, derweil die Fete noch bis 5 Uhr früh weiter ging. Selbst war ich so frei, mich für gut 2 Stunden zu verpissen, um ein nahe gelegenes AA-Meeting zu besuchen. Fazit: Konnte ich gut brauchen, an dem Abend. Auch, wenn kaum wen irgendwelche Pandemie-Regeln interessieren. Undenkbar im Westen.

Heute – war Brunch, so wie jeden freien Tag, an dem wir es schaffen, gemeinsam zu essen. Wie immer gibt es Film zum Brunch. Den heutigen schauten wir bis zum Ende durch.

Ein Familienvater

Eine der Geschichten, in denen Kinder den Preis zahlen, damit ihre Eltern, hier speziell der Vater, im Leben ein wenig weiter kommen. In dem Film hat es sozusagen einen doppelten Gewinn, ein am Ende geläuterter Vater sowie ein Kind, das nicht den vollen Preis entrichten muss. Im Film geht das, manchmal auch im „richtigen“ Leben. Tränen rührend, der Film.

Und – wie so oft schlägt der Film Wellen ins private. Ich erinnerte mich meiner Suizid-Gedanken vor fast 22 Jahren, die ich damals schön für mich behielt. Weg sperren lassen wollte ich mich auch nicht. Neben der allgemein gefühlten Aussichtslosigkeit meiner damaligen Lebenssituation gab es in einem Hinterzimmer meines kranken Kopfes auch die Vorstellung, was ein Selbstmord wohl mit meinen Eltern machen würde. Mein damaliges Fazit – es hätte nichts bewirkt, außer vielleicht eine kurze Urlaubsunterbrechung, kombiniert mit der fortgesetzten Überzeugung, selbst alles richtig gemacht zu haben. Einer von vielen „logischen“ Gründen, das Vorhaben nicht in die Tat umzusetzen. Unlogisch, weil nicht dokumentier- oder belegbar an dieser Stelle der Schutz „von oben“, in dieser bislang schwärzesten Zeit meines Lebens. Und da sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute. Alle miteinander.

Gut so.
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Sonst so ?

Nettes Präsent zum alljährlichen Jahresend-Wichteln. Gegen „Bad Vibes“ im Kopf, mit herben Duft zur körperlichen und seelischen Reinigung. Man weiß, was mir fehlt.

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Mögliche Musik zur rituellen Waschung:
(passt auch zu einer längeren Autobahnfahrt im Kleinstwagen)


Sonntag, 2211219

Vierter Advent. Ich bin allein, die Liebste trifft Familie, derweil ich Katzen hüte und nächste Woche noch drei Tage arbeiten darf. Etwas ist anders als in allen anderen vergangenen (Vor-)Weihnachtstagen. Ich beteilige mich nicht an dem Run nach den letzten Präsenten, ich mache keine mehr. Möchte auch keine haben, das ist mein Wunsch, wer will, hält sich daran. Der vermeintlichen Peinlichkeit, etwas zu bekommen, ohne etwas zu geben, werde ich begegnen können.

Was fange ich an, mit meiner Zeit? Über eine FB-Selbsthilfegruppe für Alkoholiker bin ich in ein spirituelles Whatsapp-Meeting „gerutscht“, via Einladung eines mir wohlwollenden Menschen. Thema dort ist das Wirken von Heinz Kappes, ein evangelischer Pfarrer, Quäker und enger Freund der anonymen Alkoholiker, ohne selbst betroffen gewesen zu sein. Mir tut es gut, wieder an meine spirituelle Basis erinnert zu werden, hat meine Nüchternheit doch eine bedenkliche Qualität angenommen, was nicht nur mit dieser allgemein emotional aufgeladenen Jahreszeit zu tun hat. Wer möchte, kann hier eine Rede von Heinz Kappes hören.

Na klar will vermutlich kaum einer 35 Minuten Zeit investieren, für eine 37 Jahre alte Weihnachtsrede eines längst verstorbenen Geistlichen, da bin ich Realist. Man muss es deswegen auch nicht gleich mit Keith Richards halten, aber ein nettes Lied ist es dennoch, auch wenn ich mir weder eine elektrische Gitarre noch eine Puppe, die nass werden kann wünsche. Dem Alter bin ich entwachsen 😉

Einen guten vierten Advent uns allen!

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Dienstag, 210921

Wieder so ein Datum, ein Anna-Datum,
weil von vorne wie von hinten lesbar.
Und – Vollmond.

Leider bekomme ich ihn nicht besser eingefangen, mit dem Phon und der Licht-verseuchten Stadt. Aber immerhin etwas. Wenn ich ihn sehe, bleibe ich stehen und staune. Früher war er für mich das Symbol für Durst und gnadenlose Gier. Nachdem ich lernen durfte, dass bei mir demzufolge jeder Tag Vollmond war, konnte ich ihn anschauen und einfach nur staunen, über den Trabanten, der Meere hebt und senkt, über den Zauber der Gravitation und über die Mystik hinter dem hellen Ding. Auf unser Befinden soll er auch einigen Einfluß haben, sagt man. Astrologisch steht der Mond in meinem Geburtshoroskop in seinem Heimathaus, dem Krebs und so ziemlich das meiste von dem, was darüber geschrieben steht, kommt irgendwie hin. Isso. Und damit niemand merkt, was für eine Mimose ich bin, hat mein Schöpfer mir ein großes Maul und eine mitunter ruppige Art verpasst. Aszendent Löwe eben. Das alles im Zeichen der Luft, Sonne im Zwilling. Wenn viel Wasser auf noch mehr Luft trifft, entstehen Wellen. Viel Wellen manchmal. Mensch lernt damit zu leben, auch bei Vollmond, der mir, der ich solcher Art astrologisch gesegnet bin, regelmäßig wüste Träume beschert. Irgendwann habe ich das große Buch der Astrologie zugeklappt und beschlossen, mit alledem irgendwie zu leben, anstelle mit ständig Erklärungen für das eine oder andere herauszusuchen. Kommt Mensch nicht weit mit und führt in der Regel nur zu heftigen Kopfnicken. Oder Schütteln, je nach dem Grad der Erkenntnis.

Sonst so?
Da war doch noch was – genau, 1988 …

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Sonntag, 210815

Drei Wochen Urlaub sind Vergangenheit, ab Morgen darf ich wieder werktätig sein. Irgendwie störend, aber unumgänglich, für ein paar Jahre noch. Und vergleichsweise angenehm, mit Blick auf andere Zeiten. Glückskind, das ich bin, darf ich heute doch allein arbeiten, mit einem Minimum an Arbeitskollegen, und diese sind sowohl vertraut als auch vertrauenswürdig, alles in allem. So Gott und die großen Zampanos in fremden Ländern wollen, bleibt das vorläufig auch noch so.

Ich mag Hunde lieber als Menschen. Und Katzen lieber als Hunde. Und mich, besoffen in meiner Unterwäsche aus dem Fenster schauend, am liebsten von allen.

Charles Bukowski – ich kann versichern, das haut auch ohne Alk gut hin, wenn auch immer noch tägliche Übung.

Musik – ich habe in den Ferien meine Liebe zur Neoklassik entdeckt, wie so oft durch glückliche Fügung. An einem Ort, an dem man so etwas eher nicht vermutet, einem orientalischen Bistro mitten im strubbeligen Kiez von Wedding, der geneigte Leser erinnert sich. Geht öfter so, das manche Diamanten gut getarnt sind.

V.wg. Katzen & aus dem Fenster schauen …

Sonst so? Bilder von unserer gestrigen Abendrunde über`n Arrenberg, zur Kriegsgräber-Anlage Könighöhe und wieder talwärts, mit Einkehr, lecker Essen und netter Gesellschaft. Ein runder Tag, alles in allem.

Erste Anzeichen des späten Sommers.

Auch andere sind unterwegs …

Die alte Anlage ...

Blick über die Stadt …

Moritzstraße, Wuppertal-Elberfeld, auf dem Heimweg.

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Sonntag, 210228

21.

Mit 21 war man einst „volljährig“. 21 ist das Produkt von Drei mal Sieben – oder die Summe aus Siebzehn plus Vier, der Film aus 2008, mit dem ich die Mathematik-Begeisterung meines Sohnes, damals gerade 12, endgültig geweckt habe. Viel zu wecken gab es da allerdings nicht, was mich sehr gefreut hat.

Wieder so ein Tag, ich hätte ihn vielleicht vergessen, wenn ich nicht von einem mir sehr lieben Menschen daran erinnert worden wäre. Heute auf den Tag genau lebe ich unvorstellbare 21 Jahre ohne Alkohol und Drogen. Mein zweiter Geburtstag. Und auch, wenn die Zahl an`s zocken erinnert, ist mir danach nicht, weil ich eben auch „Karten zählen“ kann, wie im Film. Will sagen, ich weiß, wie es ausgeht. Ich weiß, dass ich nur eine Armlänge weit davon entfernt bin, den Zähler wieder auf Null zu setzen. Vor diesem Hintergrund verliert eine solch beeindruckende Zahl ihre Bedeutung. Was bleibt, ist Dankbarkeit.

Nothing gonna save your one last dime ‚cause it own you ...

Sonntag, 210221

Ein feiner Tag, mit Blick aus dem Fenster. Da werde ich mal schauen, wo zu gehen sein könnte, ohne all zu vielen Artgenossen zu begegnen. Das ist schwierig, in dieser Zeit, wo alle heraus wollen, was nur zu verständlich ist. Und analog zu den momentan wieder steigenden Fallzahlen passt, leider.

Sonst so?

Die Liebste hat die gestrige Erstimpfung mit Astra-Zeneca sehr gut vertragen. Mittlerweile ist eine Drittimpfung mit diesem Serum im Gespräch, welches an die Mutanten angepasst werden soll.

Was mich schon lange beschäftigt – was bleibt, wenn der Verstand Pause macht?

Die liebe Luxus hat das gut formuliert, gefällt mir sehr. Ein für mich teils elektrisierendes Thema, als Mensch, der ich mit der Maxime aufgewachsen bin, der Verstand sei das höchste menschliche Gut. Der Schul-Scheiterer, weil Angst-besetzt und völlig blockiert. Erste berufliche Erfolge – da sollte doch noch mehr sein als die vermeintlich angeborene Dummheit oder ängstliche Hilflosigkeit. Tatsächlich, so war es auch, das Unkind fand einen ausgeprägten Hang zu den Naturwissenschaften, zog Selbstbewusstsein aus seiner Fähigkeit, zu lernen. Irgendwo war immer diese leise Stimme – übertreib es nicht – während nebenan das Ego leise kicherte. Der Teil in mir, der keinen Raum bekam, forderte ihn im Rausch ein und fand ihn auch, Nebenkosten inbegriffen. Die wurden erst nach langer Zeit präsentiert.

Heute lerne ich, mir als ganzer Mensch den Raum zu geben, den ich brauche. Ohne großes Ritual. Die können hilfreich und wohltuend sein, sind aber nicht sehr Praxis-tauglich, im Alltag. So kann ich schlecht in der Werkstatt eine Yogamatte ausrollen, Stille von allem und jeden einfordern und Räucherstäbchen anzünden, um mich mal der gängigen Klischees zu bedienen. Es soll also anders gehen, mitten im Geschehen nur atmen, sonst nichts. Das fühlt sich immer noch teils sehr befremdlich an, der Teil in mir, der gerne wertet und urteilt, ist zwar leiser geworden, aber immer noch gelegentlich aktiv.

He, komm` mal wieder bei dir an, keiner zuhause da oben, oder wie? Gleich hält dir der erstbeste Kollege ne Taschenlampe an`s Ohr und freut sich, wenn deine Augen so schön leuchten. Wirst hier nicht für`s dösen bezahlt …

So tönt es kurz, der innere König lächelt derweil milde, weiß er doch einerseits um das Überkommene dieser Stimme, andererseits um die heilende Wirkung einer Minute nur. Und .- ganz wichtig – der Rückweg ist jederzeit offen, anders als bei den zahllosen Substanz-gebundenen Erfahrungen, die erst „verstoffwechselt“ werden wollten.

So. Musik sollte nicht fehlen, aber was passt denn nur zum Thema? Wer sucht, der findet. 1988 – endete eine vierjährige Zeit der weltlichen Abwesenheit des Geistes, der mit einem 8-Stunden-Job und fordernder Abendschule, man erinnert sich, der Kreuzzug gegen die Dummheit, beschäftigt war und mündete in rauschende Ballnächte, in einer zwei Jahre andauernden Belohnungs-Orgie. Gehört auch zur Geschichte…