Musik spielt schon lange nicht mehr so eine Rolle in meinem Leben. Hin und wieder mal zuhause bei der Hausarbeit oder im Auto, ja. Aber kürzlich sah ich einen preiswerten Kopfhörer, schön mit Bass, Bluetooth und ANC-Funktion, den habe ich mir besorgt. Zeitgleich auch einen MP3-Player gefunden und installiert, der macht, was ich will und nicht alles durcheinander wirft. Playlist, lese ich, und gehe meine SD-Karte durch, die voll mit altem Kram ist, weil ich schon länger nix mehr vom Phon hörte. Suche spontan einige Lieder aus, für die Liste. Wirklich aus dem Bauch, wie man so sagt.
Und dann kam der Gedanke, du könntest ja eigentlich nen Blogeintrag dazu schreiben. Dass es allerdings so viel Arbeit werden sollte, war mir da nicht ganz klar. 4 Anläufe und ein paar Stunden später …
~
Ist es wichtig
Selig
Was sich anfasst zerfließt so wie dies
Doch es ist mehr als du siehst
Sag mir ist es wichtig?
So richtig wichtig ist es nicht
So richtig wichtig ist so vieles nicht. Fünfe kann man gerade lassen und die Sieben gleich mit, ohne die Haltung zu verlieren. Ein Liedchen, das mir einst Unterstützung bot, mich aus der anerzogenen Enge zu befreien.
*
Age of Machine
Greta van Fleet
Feeling
Oh God, the feeling
We need some healing
We need some healing
God knows if you feel defeated
You have been cheated
You have retreated
Zeitalter der Maschinen, Maschinen, die mich mein ganzes Berufsleben lang schon begleiten. Im übertragenen Sinne wird auch was draus, „mechanisieren“ im Sinne von Selbstoptimierung. Für mich – Heilung, heil werden. Spricht für sich und ist wohl für die meisten Menschen ein Grundbedürfnis, so sie sich ihrer Verletzungen bewusst sind und so wie ich die Folgen nicht mehr tragen möchten. Mein persönliches heil-werden erfahre ich von meiner höheren Macht. Darüber hinaus mag ich den melancholischen Sound mit Tiefgang. Gutes Filmchen übrigens.
*
Black Smoke
The Prodigy
Instrumental
Schwarzer Rauch entsteht dann, wenn sich die innere Schwärze aufzulösen beginnt. Wenn ich aus einer depressiven Stimmung in die Bewegung komme, dagegen halte, ohne ihn zu verdammen, den schwarzen Vogel. Der ist froh, Ausdruck zu finden, schlägt mit den Flügeln und verliert dabei ein paar schwarze Federn. Er gehört zu mir, wir haben gelernt, uns zu arrangieren. Ich lasse ihn, wo er ist und er akzeptiert im Gegenzug, dass er nicht Chef ist.
*
Der Fatalist
Funny van Dannen
Er war einer der besten Schützen weit und breit
Und wer ihm gegenüber stand, der hatte nicht viel Zeit
Er hatte keinen Namen und er hat ihn nicht vermisst
Er hieß im ganzen Land nur ‚Der Fatalist‘
Fatalismus – altes Familienrezept gegen die Angst. Leider taugt es nur bedingt, Vertrauen-schaffend wirkt er nicht, der Fatalismus. Aber hilfreich, einfach mal Dampf ablassen, wortgewaltig die große Fresse frei drehen lassen, nach Möglichkeit ohne zu gut zu zielen. Weiß Gott nicht der Königsweg, aber manchmal bleibt mir nichts anderes übrig, zumindest für den Moment.
*
More
The Sisters of Mercy
And I need all the love that I can’t get too
And I need all the love I can get
And I need all the love that I can’t get too
Zunächst einmal: Mehr. Hals nicht voll kriegen, nannte man das mal. Fatale Sache im Umgang mit bewusstseinsverändernden Substanzen. Auch: Fass ohne Boden, unersättlich, ohne Chance auf irdischer Erfüllung. Unstillbare Sehnsucht nach Nähe, Wärme, Berührung aller Art, die kein Mensch bedienen kann. Es lernt sich mit zu leben – mit den Jahren verschieben sich die Prioritäten. Und Mensch lernt, sich mit Löchern anzufreunden 🕳️
*
Synergie
Tash Sultana
See my shapes shifting
See my heavy burdens lifting
There was no fun in this for me
Now there’s nothing left for me to say
Transformation, Vergangenheitsbewältigung. Mir gefällt die junge Frau, nicht nur, weil sie eine schwere drogeninduzierte Psychose bewältigt hat. Auch nicht nur, weil sie merkwürdigerweise auf dem Tag genau 60 Jahre später als meine Mutter geboren wurde. Wobei mir das Sternbild Zwillinge ja selbst zu eigen ist. Ich mag ihren frischen Sound, ihre One-Woman-Show, die sie meist barfuß spielt.
*
Take It as It Comes
Ramones
Take it easy baby
Take it as it comes
Don’t move too fast
If you want your love to last
You’ve been moving much too fast
…Dinge hinzunehmen, die nicht zu ändern sind. Wichtiger Bestandteil des so genannten Gelassenheitsgebet. Wobei eben nicht alles leicht zu nehmen ist. Ne dicke Linie Fatalismus ist auch hier enthalten. Und – sich zu schnell zu bewegen, ist selten eine gute Idee. Außer, es kommt grade drauf an.
*
Red Sun
Thin White Rope
Well I hate to see the red red sun go down
I hate to see the red red sun go down
That’s when the hogbone man lay his knuckle down
Verreisen. Mal weg sein. Istrien fällt mir ein, rotglühende, flirrende Hitze, ramponierte Straßen, hügelige, fremde Landschaft. Damals noch verstärkt von gewaltigen Mengen Wein. Stimmung, die ich heute gut nüchtern leben kann. Von dem treibenden Sound und der unbeschreiblichen Stimme mal ganz abgesehen. Macht sich auch beim staubsaugen gut 🙂
*
Who Made Who
AC/DC
Who made who, who made you?
Who made who, ain’t nobody told you?
Who made who, who made you?
If you made them and they made you
Who picked up the bill, and who made who?
Anfang 2000: Seit ein paar Monaten trocken und clean – plärrte dieses Lied permanent aus meinem Kassettenrecorder im Auto, während ich die Welt neu entdeckte. Ursachenforschung, Analyse, der Versuch, etwas mit dem Verstand zu erfassen, nicht mit dem Herzen, noch gefangen im Prinzip Schuld. Erst viel später las ich die beiden für mich sehr bedeutungsschweren Worte vom Pfarrer Kappes: Na und? Frei zitiert meinte er damit folgendes – Du hast diese oder jene Familiengeschichte, diese oder jene Diagnose – na und? Willst du heil werden, willst du mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen heil werden? Das allein zählt. Heil werden ist (auch) eine Entscheidung.
*
She Talks to Rainbows
Ramones
She′s a little lost girl in her own little world
She looks so happy but she seems so sad, oh yeah
She’s a little lost girl in her own little world
I′d like to help her, I’d like to try, oh yeah
Ein für mich äußerst aufwühlendes Liedchen, beschreibt es doch sehr grob (meine) irgendwann in grauer Vorzeit erlernten Beziehungsmuster. Beistand um jeden Preis. Wenn man sich nur genug lieb hat, dann wird das schon. Ein Scheiß wird. 6 Jahre Zweisamkeit mit einer Psychotikerin haben mich besseres gelehrt. Das Liedchen steht heute (für mich) für Menschen, die nur um sich selbst kreisen, Menschen, die sich nur selbst retten können. Und na klar – selbst komme ich wieder zu kurz, wenn sie mit Tieren spricht, mit dem Regenbogen, dem Herrn persönlich, aber eben nicht mit mir. Strafe durch Missachtung … Heute nehme ich es mit Humor 🙂
*
Ramones
Zero Zero
If you think it’s a pack of lies,
I saw it happen with my own eyes
A million miles from the milky way
A hundred years, a month, and a day
Außerirdisches Leben, na klar. Sie werden klug genug sein, uns nicht zu besuchen. Darüber hinaus spricht mich schlicht der Titel an. Absolute Leere im Kopf – ein gutes Gefühl. Anno Tobak chemisch herbeigeführt, geht dies heute via Meditation.
*
You want it darker
Leonard Cohen
Hineni, hineni
I’m ready, my Lord
Erstmals bewusst gehört im letzten Jahr, als mein Vater seinem Ende zuging. Hineni – bezieht sich ganz allgemein auf das bereit-sein, im Leben wie im Sterben. Eine der besten mir bekannten jüdischen Weisheiten.
*
35 Jahre lang
Die Toten Hosen
Fünfunddreißig Jahre lang
Haken für den Duschvorhang
Ist mir erspart geblieben, @ Monotonie & hochdienen
Wird mir erspart bleiben, @ ätzend öder Ruhestand
*