Montag, 230731 (gerade eben noch)

Mitternachtsdrabble

Die letzten freien Tage und es regnet biblisch. Das Zeug von der Reise ist verstaut und/oder gewaschen, die Post ist gesichtet, offene Rechnungen bezahlt und zu essen ist auch wieder genug da. Nach einer Stunde Torsten Sträter aus der Konserve fehlt mir jeder klare Gedanke und auch das ist ein erhabener Zustand, gerade in Kombination mit Müdigkeit (wovon eigentlich). Der Kopf ist erfreulich leicht, weil keine Gedanken schwer wiegen. Selbst die Jungkatze hat mir verziehen und kommt wieder kuscheln, obgleich ich sie schon zwei Mal gekämmt habe. Bilder hätte es auch noch, aber krudes Zeug vor Mitternacht schreiben geht schneller.

Auf bald & gute Nacht.

Dienstag, 230725

Alles wird gut. So liest man es oft. Auch auf einem bunten Stein in einer Boutique las ich es heute. Stellte mir vor, den mitzunehmen und daheim an exponierter Stelle zu platzieren. Und dann? In fünf Jahren oder so läge der da immer noch arg verstaubt, und ich würde mich fragen, ja wann denn endlich, verdammt. Möglicherweise würde ich ihn irgendwann durchs Fenster werfen, dann wäre es gut. Aber – ein Glaser ist teuer. Dann besser jetzt – es gut sein lassen.

Sonst so? Pazifischer Riesenkrake im Rhein entdeckt 😳

Komischer Vogel am Abendhimmel 😲

Schlussendlich tolle Kleinkunst auf engstem Raum!

🕳

Montag, 230724

Verdorrtes Braun ist die vorherrschende Farbe. Andernorts brennen derzeit ganze Paradiese ab. Klimawandel, der nicht zuletzt von unserer Reiselust befeuert wird. Fliegen wollen und Asche beweinen passt nicht, flügellos reisen macht es auch nicht besser. Ein Dilemma, derweil daheim bleiben der Neugier, der Sehnsucht und der Unruhe zuwider läuft.

Ein besonderer Ort.

Donnerstag, 230720

Was ist ein Industrieschauspieler, wurde ich neulich gefragt, nach Verwendung dieses Wortes in meinem letzten Blogeintrag. Ich muss ein wenig ausholen, der Begriff ist natürlich kompletter Nonsens und stammt aus der Zeit, als noch so richtig Sachen produziert wurden, auf großen, schweren Maschinen und mit großen, schweren Werkzeugen. Lange her, das. Auch gab es damals keinen Lohn, sondern richtigerweise Gage.

Da gab es einen phantasievollen Kollegen, der unseren damaligen Tätigkeitsbereich gerne derart umschrieb. So sprach er in dem Kontext gerne von dieser Plattklopp-Krummbiege-und-Abschneide-Manufaktur, und dass er sich jedes Mal so richtig freuen täte, wenn die fertigen Sachen ausschauten, als kämen sie aus einer Fabrik.

Der Kollege erfreut sich übrigens als langjähriger Rentner immer noch guter Gesundheit, wahrscheinlich dank seines speziellen Humors.

Mittwoch, 230719

Dieser Tage, im botanischen Garten zu Wuppertal, der schon so etwas wie unser oder besser mein sommerliches Wohnzimmer ist. Eine meist friedliche, menschengemachte Oase, die gerade im Sommer vor Leben nur so strotzt. Ich liebe es, ruhig dazusitzen und den zahllosen Hummeln wie Wildbienen bei der Arbeit zuzuschauen. Dieser Ort söhnt mich ein wenig mit meiner Spezies aus, mal kommt durch Menschenhand nicht nur Hübsches, sondern auch Nützliches zustande.

Nebeneffekt: Milieustudien und soziales Training meinerseits. Wenn ich das Haus verlasse, nehme ich mir jedes Mal vor, meinen Mitmenschen mit dem gleichen Respekt zu begegnen, den ich mir auch von ihnen wünsche. Banal? Mitnichten, für mich. Nicht zuletzt deswegen habe ich mir ein so genanntes Deutschlandticket besorgt, Reisen bildet, mal davon abgesehen, dass die Liebste auch so ein Ding hat und wir so auch gemeinsam umherziehen können. Heute also Milieustudie, schön am Seerosenteich. Ich bin jetzt allein hier, kommt öfter vor. Allein habe ich einen etwas anderen Blick auf meine Mitmenschen, kann ihnen schlicht mehr Aufmerksamkeit widmen. Nebenbei ist das auch eine Kunst, dies zu tun, ohne aufdringlich zu wirken.

Es sind versammelt – die schlanke alte Dame mit ihren Gehhilfen, Alter schwer zu schätzen, irgend etwas um die 80 vielleicht. Sie strahlt mit ihrem dicken blonden Pferdeschwanz eine möglicherweise ostpreußische Form von Schönheit und Würde aus, spricht nicht viel und sitzt dort, wo sie immer sitzt, wenn die Sonne scheint. Selten ist sie allein, irgendwer gesellt sich immer zu ihr.

So auch heute, zwei weitere übliche Verdächtige sitzen mit am Seerosenteich. Auch sie kenne ich flüchtig vom sehen dort. Er um die 70, schlank, Raucher, nervös und mit irgendwelchen neurologischen Schäden behaftet, die sein ganzes Gesicht regelmäßig zucken lassen, gerade, wenn er sich in Stimmung redet, was oft vorkommt. Die Dritte im Bunde ist jünger, in etwa mein Alter, also um die 60. Sie redet ohne Punkt und Komma, macht sich ständig kryptische Notizen in einem Block und hat etwas in ihren Augen, was mich vorsichtig formuliert zurückhaltend agieren lässt.

Er redet viel von Gott. Am Ende würde abgerechnet, meint er und fragt mich, glauben Sie an Gott? Schon, sage ich, aber mein Gott straft nicht. Nicht?, meint er. Nee, sage ich, wenn er gerade nicht bei mir ist, habe ich mich von ihm abgewandt. Wenn ich es zulasse und mein Ego auf seinen Platz verweise, dann isser bei mir. Ist schon eine verlässliche Größe, mein Gott. Und so entspannt sich ein kleiner theosophischer Austausch, wie ich ihn liebe.

Meine, wie sich herausstellt Jahrgangsgenossin dagegen ergeht sich in Unverständnis, hart an einer Schimpfkanonade vorbei, was die kommunalen Ordnungsbehörden einerseits sowie die Exekutive allgemein angeht. Die hätten ihr die Fahrerlaubnis einkassiert, und das ihr, die sie ihr Auto so geliebt hätte. Auch an Ärzten lässt sie kein gutes Haar, sie solle Medikamente nehmen, was sie aber nicht täte, alles ungesund, überhaupt.

Nun weiß ich, das hierzulande niemanden einfach so der Lappen abhanden kommt und in der Regel auch niemand anlasslos irgendwelche Medikation verordnet bekommt. Vorsichtig frage ich nach, um die Kommunikation in Schwung zu halten, was zur Genüge wirkt. Es folgt ein weiterer Schwall lautstarkes Unverständnis. Man dürfe hier gar nichts mehr, ihr Nachbar damals und so, sie hätte ihm Bescheid gegeben, noch nicht einmal beleidigend, nur eine kleine Ordnungsschelle, das sei doch weit weniger schlimm als manche persönliche Verunglimpfung. Eine Einschätzung, die sei ernst meint. Sie könne noch ganz andere Sachen, hätte mal Selbstverteidigung gemacht, meint sie, während sie blitzschnell aufsteht, sich vor mir aufbaut, ein Arm gerade auf mich richtet und mich mit einem irre glitzernden Augenausdruck bedenkt, den ich kenne, von vor langer Zeit. Andere Geschichte, da ging es um Tavor-Dauerkonsum einer Damenbekanntschaft und was passieren kann, wenn für einen Moment das Tavor-Lächeln Pause macht.

Ich nehme es gelassen und freundlich, weil ich schon wesentlich derangiertere Menschen getroffen habe, erzähle ein wenig von mir, wie ich einst zu meinem Glauben gefunden habe, so Sachen. Sie sitzt längst wieder und wir plaudern weiter, nur scheinbar belanglos, denke ich.

Sie wirken so ruhig, sind Sie vielleicht Lehrer, fragt der Nachbar. Höre ich auch nicht zum ersten Mal, möchte ihn gerne an die Liebste verweisen, die das mit dem ruhig-sein glaubwürdig richtig stellen könnte, was sie natürlich nie tun würde. Nee, sage ich, Industrieschauspieler, kriege auch keinen Lohn, eher Gage und wir haben Spaß, bevor meine Uhr mir rät, so langsam an den Heimweg zu denken. Den lege ich zu Fuß zurück, ein leichtes Übermaß an Plauderei produziert bei mir Bewegungsdrang.

Bis zum nächsten Mal, bei schönem Wetter.

Drabble – Dienstag, der 18.7.2023

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten, Überschriften zählen nicht mit. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat. Neu – das „Wort-würfeln“ findet ab nun analog statt. Blind drei Wörter aus einem Buch gepickt. Was dem Finger am nächsten kommt …

Quelle heute:
Martin Mosebach
Krass

*

😱 

Langsam öffne ich die Schublade, ich habe sie mit weißen Samt ausgeschlagen So kommt es besser zur Geltung, das bei der letzten Ausgrabung von mir unterschlagene Relief. War gerade günstig, ich allein auf dem Feld – und wer sonst außer mir hätte schon etwas damit anfangen können, von irgendwelchen fanatischen Historikern mal abgesehen.

Eine dicke Schiefertafel, bildhalftes Zeugnis eines altbergischen Entblößungszaubers zur Abwehr allerlei Dämonen, es MUSS einst gewirkt haben, das spüre ich beim eingehenden Betrachten und sanfter Berührung der geschwungenen Linien, ich kann die fliehenden Teufel noch röcheln hören. Mein Entschluss steht fest, das Ding kommt mit, beim nächsten Jobcenter-Termin.

😱 

Wortzähler – hier

Drabble – drei Worte für Dienstag, den 18.7.2023

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten, Überschriften zählen nicht mit. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat. Verlinkungen unter diesem Beitrag erleichtern die Übersicht. Neu – das „Wort-würfeln“ findet ab nun analog statt. Blind drei Wörter aus einem Buch gepickt. Was dem Finger am nächsten kommt …

Quelle heute:
Martin Mosebach
Krass

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Wortzähler – hier