Donnerstag, 230831

Mitnahmeeffekt

Langsam lasse ich den grünen Rachenputzertee in mich hineinlaufen und bereite mich auf meine morgendlichen Übungen vor, immer die Uhr im Blick. Ist es eher knapp, weil ich mich bei der ersten Netzsichtung des Tages vertrödelt habe, lasse ich mir mehr Zeit und fange an. In Ruhe lasse ich die Bewegungen in beliebiger Abfolge fließen, schaue, dass ich alle mitnehme. übergangslos. Langsam, kraftvoll und im Fluss. Nichts vergessen, die Reihenfolge ist tagtäglich eine andere, damit es nicht zum hohlen Ritual verkommt. Nach ca. 30 Minuten beende ich die Abfolge, bedanke mich und beginne mit den morgendlichen Hausverlassverrichtungen, bevor ich mich auf dem Weg mache, nicht ohne mich zuvor von den Katzen zu verabschieden.

Mit etwas guter Fügung darf ich die Geschmeidigkeit und fließende Harmonie mit in meinen Alltag nehmen.

Weil es gut passt.
Easy come, easy go
Any way the wind blows

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Sonntag, 230212

Man muss sie nicht lieben, die beiden. Insbesondere mit Alice Schwarzer tue ich mich schwer, obgleich gebürtige Wuppertalerin. Aber wo sie recht hat, hat sie recht. Zu den über 60 Erstunterzeichnern gehören bekannte Gesichter aus Politik und Kunst, mittlerweile haben über 225 000 467.352 Menschen (Stand 16.2.2023, 11.00 Uhr) die Petition gegengezeichnet, darunter auch ich. Worum es genau geht, wird auf der unten stehenden Seite gut erklärt, im Kern geht es um die Aufnahme von Friedensverhandlungen und – um den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Westen hat es als Unterstützer der Ukraine zu einem guten Stück weit mit in der Hand, , wie lange dieser Irrsinn noch dauert.

Zur Petition

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Sonst so? Ein unspektakulärer, grauer Sonntag, nach einem unspektakulären grauen Samstag. Mir fehlt die Sonne und mir fehlen freie Tage. Soweit der Mangel – und die Habenseite? Zumindest in mir ist Friede, mal mehr, mal weniger. Meine Alltagsroutinen geben mir eine gute Struktur und einen brauchbaren Fahrplan für die Bewältigung meiner Resterwerbstätigkeit, manchmal allerdings bricht sich der Punk in mir seiner Bahn und möchte am liebsten gegen jede Vernunft mal kräftig ausholen. Mache ich natürlich nicht, auch, weil es nicht nur um mich geht.

Aber dieses Gefühl, zu können, wenn ich wollte (übrigens dem Vernehmen nach eine der Hauptmotivationen der so genannten Sportschützen), nur mal kurz die Bremse lösen und dem Meister Unstet-Unberechenbar (feiner Doppelname übrigens) mal so richtig freie Bahn lassen. Das geht natürlich nicht, weil der in noch so kurzer Zeit soviel Durcheinander und Kleinholz produziert, dass die anschließend notwendigen Aufräumarbeiten, sofern überhaupt möglich, in keinem Verhältnis zu dem fragwürdigen Spaß stehen würden. Also mache ich es ihm gemütlich, dem Doppelnamigen, und gestatte ihm gelegentliches Rederecht, wenn er schon Mal zu mir gehört. Entscheiden darf er nicht, aber mitreden geht.

Passt ganz gut zum Thema – Bilder und Töne sprechen für sich.

Mittwoch, 230201

Heute wäre mein Vater 89 Jahre alt geworden. Zeitgleich – Dualität – holt heute die Diakonie sein Bett ab, damit Mutter etwas mehr Platz hat. Hat sich so ergeben, die kommen, wann sie Zeit haben. Zeichen des Abschieds, der Endgültigkeit.

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Alltagsbanalitäten. Die zweitgoldene Regel der Mechanik sagt: Was fällt, lass fallen. Schwerkraft und so. Gilt auch beim rasieren. Nach vollbrachtem Werk zerlege ich den zweiteiligen altmodischen Hobel, um ihn samt Klinge zu reinigen und zu trocknen. Dabei enfleucht mir die Klinge, meine erster Reflex ist, aufhalten, das Ding, die Katze guckt schon. Den Rest kann sich der geneigte Leser denken, das Teil steckt schön im Daumen. Es blutet, das Bad sieht aus wie Schlachthof, bis ich endlich ein Pflaster finde. Bluten kann ich wie ein Weltmeister. Mindestens drei Liter Tee am Tag sind ein super Blutverdünner. Mein Highscore beim Blut-spenden lag mal bei knapp 5 Minuten, für den halben Liter. Allerdings hört es in der Regel auch schnell wieder auf, sofern die offene Stelle leichten Druck und Schutz bekommt. Am besten nur kurz, nach ein paar Stunden ist frische Luft die erste Wahl.

Allerdings bin ich nicht nur Kopf- sondern auch Handwerker, muss dazu eben auch raus aus der Höhle Umziehen nervt, mit dem geschlitzten Daumen, erste Blutflecken zieren die Hose, trotz Pflaster. Ich mache mir Gedanken, wieviel Aufwand ich tagtäglich mit meinen Klamotten betreibe.

Schlafzeug aus, Hauszeug an. Hauszeug aus, Straßenzeug an. Straßenzeug aus, Arbeitszeug an. Arbeitszeug aus, Straßenzeug an. Straßenzeug aus, Hauszeug an. Hauszeug aus, Schlafzeug an. In Sachen (Nach-)Mittagsschlaf sind Kombinationen und Varianten möglich.

Beim verifizieren des gerade Geschriebenen ziehe ich eine Zwangsstörung in Erwägung. Schaue die Katze an, im eigenen Fell. Will ich auch.

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Und – Netzfund:

Mittwoch, 221214

Leicht chaotischer Tagesbeginn – vor 6 Uhr schon Müll runtergebracht, Geschirr abgewaschen, Altpapier rausgebracht und Auto getankt. Am Abend kriege ich den Arsch nur für das Nötigste hoch, morgens dagegen sprühe ich vor Energie, also beinahe.

Katzensteine , die liegen als loses Schüttgut in der ganzen Wohnung verteilt, man kennt das. Bleiben zu gerne in den Schneeschuhen unserer Jungkatze stecken. Die Dinger fegen ist Kult – kaum hört sie den Besen, kommt sie angerannt, sichtet den ersten Haufen Steine, springt locker über den Besen und wälzt sich mit Hingabe im Dreck. Bis ich sie nehme, erst mal lose abklopfe und auf dem mit einer kleinen Wolldecke verzierten, für eine 6.5-Kg-Katze Klappdeckel-verstärkten Altwäschebehältnis platziere. Da bleibt sie dann tatsächlich sitzen und lässt mich zu Ende werkeln. Weiterer Teil der morgendlichen Routine: Gold schürfen (Katzenscheiße sieben). Klondike im Badezimmer.

Der hier dagegen hat mit alledem nix zu tun. Der kackt auch schon mal in irgendwelche Leergutbehälter (zum Zeichen, dass ich euch gedacht…), so er denn vergessen wird, außenbords geschafft zu werden. Unpassend angezogen isser auch, der Schmutzfuß. Inne Werkstatt mit weißen Socken ist mehr als unpassend. Aber süß isser dennoch, der Werkstattkater.

Freitag, 220812

Angebrütet. So fühle ich mich gerade, unmittelbar nach meiner freitäglichen Lieblingsbeschäftigung – Wohnung saugen. Ist eh schon warm hier, jetzt noch ein wenig wärmer. Sachen stehen noch umher, auch der Tisch wartet darauf, wieder an seinen Platz gestellt zu werden und ich warte darauf, dass das Gekatze die ungewohnt freie Fläche räumt, damit das Tischchen wieder Normalgewicht bekommt. Sonst nehme ich es, wie es ist, mit der Schönen obendrauf, die währenddessen stur sitzen bleibt. Jetzt nicht, ist warm.

Vollmond ist auch. Supermond, heißt es. Mir reicht der normale Vollmond schon, fängt der auch noch an, mit Superlativen. Aufgeblasener Trabant, mir reicht deine Normalgröße völlig, Wasser- und Träumeschieber.

Ich könnte jetzt Lokalzeit gucken, bergisches Klein-Klein. Das lasse ich, weil ich gerade eine sinnarmen Eintrag schreibe und weil mir diese Stadt wegen dem ausgefallenen Urlaub gerade ein wenig zum Halse heraus hängt. Die gegenwärtige Wurschtigkeit und das latente mich-angepisst-fühlen muss wohl auch mit dem dicken Ding da oben zusammenhängen. Die Liebste trifft eine Freundin. Meine Freunde haben alle keine Zeit, haben Arbeit und Familie, so wie ich auch. Oder wohnen sonst wo, jedenfalls zu weit weg. Außerdem ist morgen Samstag, da kann ich ausschlafen, stehe erst um 5 statt um 3.20 Uhr auf (grinst da wer?). Morgenroutine, dann einkaufen. Anschließend Mutter besuchen, dann Mutter mitnehmen zum Vater ins Heim. Wochenende fängt bei mir so gegen Zwei an, dann bin ich meist wieder hier.

Vater hat Humor, so zwischendurch jedenfalls. Ich solle doch nicht auf irgendwas verzichten, nur um ihn zu besuchen, meinte er neulich. Is klar, Vatter, als du so alt warst wie ich jetzt, ging die große Reise los. Neidisch? Nein. Möchte nur mal aus der Stadt raus, fürn paar Stunden, bin ansonsten gern zuhause. Und ich erzähle auch niemanden, wie ich mich fühle, wenn ich um 3.20 aufstehe, um 6 anfange, zu werkeln um 2 schnell dusche, um danach zum testen zu fahren und anschließend schön mit 30 Km/h (höchstens) über die A46 zu dir, weil du mir verdammt noch mal leid tust. Weil ich mich dito über Besuch freuen würde, wenn ich so am Arsch wäre wie du. An Tagen wie diesen bin ich um halb Acht im Bett. Mach ich auch nur einmal die Woche, zu mehr reicht es bei mir nicht.

Selbstmitleid? Auch was, ist nur der Scheißmond. Und außerdem bin ich es jetzt los, Blogland ist geduldig und Freitag Abend ruht hier eh still der See. Wer dennoch mitliest, darf sich seinen Teil denken und es besser machen. Wobei ich das alles schon gut mache, für mich. Ich bin ja auch nicht meine Leser 🙂

Bevor ich mich jetzt noch weiter emotional und verbal versteige, höre ich mal lieber auf. Die Schöne ist auch wieder vom Tisch, der Rest vom Budenzauber kann Ballast-frei beseitigt werden.

Schlusslied: Einer singt, ein anderer schreibt.

Ok, einer geht noch. Wenn schon dem inneren Kind via Ablenkung der nackte Arsch gezeigt wird – mein letzter „Therapeut“ sprach in dem Zusammenhang von der „kalten Schulter“, aber die hat gerade schön warm – also wenn schon, dann denn schon …

Freitag, 220610

Gelebte Gelassenheit

Kein leichtes Thema, das. Es ist eines, zuhause die Zeit fließen zu lassen, bei guten Übungen und in heimeliger Atmosphäre. Etwas anderes ist es, das mutmaßlich oder tatsächlich Verinnerlichte in den rauhen Gefilden des Alltags zu leben, solcherart, dass Mensch am Ende des Tages (Kackphrase, aber passt ausnahmsweise mal) vor sich selbst Bestand findet.

Dienstag nach Pfingsten, die Schränke sind gähnend leer, also heißt es einkaufen gehen. Natürlich dann, wenn alle gehen, nach Feierabend, am Nachmittag. Das Nötigste ist schnell zusammengesucht und ich stehe an der Kasse. Vor mir ein Paar, geschätzt Anfang 50 oder so, er wie ich Maskenträger, im Gegensatz zu den meisten anderen im Laden. Hinter deren Einkauf auf dem Laufband liegt ein „Warentrenner“, so heißen diese ominösen Holz- oder Kunststoffklötze wohl richtigerweise. Für mich ein Signal, mein Zeug dito aufs Band zu legen. Und so stelle ich mich ein wenig seitlich von der Drahtkarre und fange an. Ob ich nicht warten könne, fragt mich der Kerl vor mir. Wie alle anderen auch. Will das Arschloch mir ne Predigt halten oder was, meldet sich sofort das Ego. Ich nehme ihn fest in den Blick, Übungssache, ohne Augenaufschlag. Von der Predigt sage ich nichts, auch nichts davon, falls ich eine hören wolle, würde ich eine Kirche aufsuchen. Zu hören bekommt er, dass für mich ein Warentrenner das Signal sei, meinerseits anzufangen und lasse mich bei meiner Tätigkeit nicht weiter stören, nicht ohne besagten Herrn, dessen Einfalt auch die Maske nur notdürftig kaschiert, weiter im Blick zu behalten. Stellt der dreist seinen Einkaufskorb auf das Band, neben meinen Sachen, nicht auf (in dem Fall wäre das folgende wohl anders verlaufen), während das Gezeter weiter geht, in Richtung seiner Gattin. Man müsse doch höre ich und der macht das sonst immer wieder. (Achtung, potentielles Sendungsbewußtsein) Die so Bequatschte scheint klüger und wirkt bereits mäßigend. Bringt doch nichts, höre ich.

Kurz überlege ich, ihm anzubieten, aus seinem Korb (Stoffgeflecht) einen schicken passenden Hut für ihn zu basteln (sturmsicher, die Henkel passen zu seinen Ohren), derweil ich ihn weiter fest im Blick habe. Nächster Gedanke: Wenn du ihm das anbietest, musst du ggf. deine Worten umgehend Taten folgen lassen, der Glaubwürdigkeit halber. Was mit Sicherheit einen ziemlichen Aufstand und ein mögliches Ladenverbot nach sich ziehen würde. Keine gute Sache, ich kaufe zwar selten hier ein, aber doch regelmäßig. Die Entscheidung wird mir abgenommen, es braucht den Korb, um das Gelumpe am anderen Ende des Bandes zu verstauen.

Die zwei schieben ab, er immer noch zeternd und in meine Richtung gestikulierend. Ich hoffe, sie warten vor dem Laden, was sich leider nicht bewahrheitet. Oder vielleicht auch besser so. Zuhause angekommen, bin ich froh, mein Maul gehalten haben zu können. War wohl auch nicht nötig, spricht mein Gesicht doch auch mit Maske für sich, denke ich. Was in Ordnung geht, im Nachgang betrachtet. Fazit: Impulskontrolle ist möglich, auch für mich, eine beruhigende Erkenntnis und die Betätigung, auf dem richtigen Wege zu sein. Immerhin.

Samstag, 220312

Frühstart, Übungen in der Stille, kein Radio, keine Musik. Katzen um mich herum, draußen ein früher Vogel, noch so einer. Frühstück, aus gegebenen Anlass gucken, wie man Nummern sperrt, Vorbereitung auf den Tag. Kühlschrank füllen, Blumenkästen für Muttern, organisatorischen Schreibkram aller Art erledigen – kann faxen, wie groß ist die Freude, mindestens so groß wie das staunen über die Wandlungsdauer digital in analog. Samstag ist Tag des Kümmerers, des Afa`s des Faktotums in mir.

Sonst so? Zum Ende der Woche hatte es zwei völlig derangierte und betriebsuntaugliche Maschinen, ab Montag bin ich somit der bestbezahlteste Pack-an ever. Auch hier – groß ist die Freude, nicht selbstständig zu sein, trotz bürokratischer Monster weiter bezahlt zu werden. Noch.

Alles in allem also keine echten Sorgen. Ein paar Herausforderungen, die nichts sind im Vergleich zur Fratze des Krieges weiter östlich.

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PS: WordPress.com meldet, dieses sei der 1000ste Eintrag auf der Wupperpostille. Nochmals – groß die Freude!

Samstag, 211120

Zwischenzeit zum schreiben. Wie ist die Stimmung? Aggressiv, so ganz allgemein. Mich nehme ich da nicht aus, ich bin zwar ein gläubiger Mensch, aber kein Heiliger. Noch nicht einmal selig, obgleich beseelt, aber das sind ja zwei verschiedene Themen. Corona nervt, der November nervt, Menschen nerven. Ich mich selbst auch, manchmal.

Beispiel?

Der Ingwer geht alle. Normalerweise kaufe ich den bei meinem orientalischen Freund auf dem Neumarkt, was mich diesmal daran hindert, ist die Müdigkeit, da herunter zu latschen und die Zeit, die es nicht gut mit mir meint, oder besser, die Uhr. Die Zeit an sich ist unschuldig. Also fahre ich gleich nach der Arbeit zum Biomarkt. Die haben chilenischen Ingwer in Bio-Qualität, dazu noch rattenscharf. Biomärkte können nett sein, dann kann man da meistens nicht parken. Oder nicht so nett, aber mit Parkplatz. Mein Verhältnis zu diesen Märkten ist ein wenig gespalten. Woran genau das liegt, ich weiß es nicht, kann ich nur erahnen. Liegt vielleicht am Publikum, manche wirken so friedvoll, andere elitär und abgehoben, und dann gibt es noch mich, der ich es mit knapper Not durch den Berufsverkehr hierher geschafft habe. Es nieselt und dann geht eh alles langsamer, mir jedenfalls nicht schnell genug. Solcher Art stimmungsgeladen, die Ohren noch gefüllt mit leichter Autofahrer-Musik betrete ich den Laden, schenke mir den sonst obligatorischen Einkaufswagen, weil ich nur eine Handvoll Knollen kaufen will. Die gibt es Gott sei Dank noch, wenigstens war der Weg nicht für Nüsse. An der Kasse ist wenig los, auch gut. Zwei Leute stehen an, dann sind drei Meter Platz bis zur nächsten Karre, deren Inhaber ich nicht ausfindig machen kann oder will, also stelle ich mich davor an. Paar Augenblicke später zetert es in mein Ohr. Was das solle, ich hätte mich hinten anzustellen, sie hätte mich ja normalerweise vorgelassen, wenn ich nett gefragt hätte, aber so ginge das überhaupt mal gar nicht.

???

Ich geb dir nett, flüstert es leise bei mir im Kopf weiter hinten und ich weise darauf hin, dass man sich ja auch hätte ordentlich anstellen können und nicht am anderen Ende des Marktes (Übertreibung veranschaulicht). Abstand halten, sagt sie – sieht die meine FFP2-Maske nicht? Eigentlich alles kein Thema bis dahin, wäre das Gesicht ein anderes gewesen, hätte ich mich „nett“ entschuldigt und mich hinter ihr eingereiht. War es aber nicht, anstelle dessen funkeln mich ein paar kalte Augen böse aus einem unzufriedenen, faltigen Gesicht an, gekrönt von einem mutmaßlich selbst gehäkelten Eierwärmer und garniert mit einem Registrierkassen-Mund, schmale, zusammengepresste Lippen. Ich hasse zänkische alte Weiber, ein Umstand, den ich meist gut kaschieren kann, aber eben nicht immer. Jetzt ist gerade nicht immer, und so bleibe ich stur stehen. Während das Gezeter weiter geht, formen sich in besagter Ecke meines Kopfes Bilder und Gleichnisse, irgend etwas zwischen dem durchschnittlichen Feuchtigkeit-Gehalts weiblicher Geschlechtsorgane, gewisser Trockenobst-Sorten und brennenden Scheiterhaufen. Ob sie mir ne Predigt halten wolle, höre ich mich sagen, extra laut und peinlich, damit das auch bloß jeder mitkriegt. Hausverbot, geil, denkt es in der Ecke hinten im Kopf, wenigsten ein Grund, hier nicht mehr herzukommen. Und falls ich eine Predigt hören wolle, würde ich eine Kirche besuchen, der Ambiente wegen und auch der gehaltvolleren Worte. Alles guckt bereits und ich freue mich, dass ich meine Stimme auch mit Pappe im Gesicht noch so fein ausspielen kann. Ich drehe mich um und warte schweigend, während das Gezeter in Gegrummel übergeht und irgendwann verstummt. Geht doch.

Draußen frage ich mich, ob es das nun wert war. Natürlich war es das nicht. Hat aber gut getan und neben dem erworbenen Ingwer auch Stoff für eine kleine Geschichte geliefert.

Kleiner musikalischer Abschluss, werde auch nicht jünger…

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Mittwoch, 211110

Gegenüberstellung

Seit einer gefühlten Ewigkeit verdiene ich mein täglich Brot in Sachen „irgend etwas mit Autos“. Um das noch ein wenig einzugrenzen, lässt sich auch sagen „irgend etwas mit Werkzeugmaschinen“, genauer gesagt, Computer-gesteuerte Werkzeugmaschinen. Und nein, das ist nicht so modern, wie es vielleicht klingt, mein mir (noch) zur Verfügung stehendes Equipment ist mit mir gealtert und entspricht dem technischen Stand von vor 30 Jahren. Oder so. Wenn ich sie starte, lege ich ihnen zuvor die Hand auf und segne sie (das ist so ungewöhnlich nicht, die Liebste spricht auch mit der Waschmaschine). Ob es hilft, weiß ich nicht, aber schaden tuts in keiner Weise (ich kenne virtuell jemanden, der inflationär segnet, und mir geht es trotz oder gerade deswegen bestens) … Bevor ich jetzt noch weiter abschweife – was ich sagen möchte ist, ich liebe die immer noch vorhandene Präzision dieser alten Maschinen. Das, was in der Technik Wiederholgenauigkeit genannt wird. Ein Programm, das einmal steht, fertigt beinahe beliebig viele Teile in exakt gleicher Form und Gestalt, solange das Werkzeug schön scharf ist.

Dagegen stehe ich allabendlich in der Küche und bereite die Dinge für den Folgetag vor. Unter anderen schneide ich dazu Obst verzehrgerecht in diverse Behältnisse, jetzt in dieser Jahreszeit vorzugsweise frische Äpfel. Ein Vorgang, der stets demselben Muster folgt, sich aber grundlegend von meinem oben angedeuteten Tagewerk unterscheidet. Habe ich die Äpfel geviertelt und entkernt, schneide ich sie mit einem kleinen Küchenmesser in die bereit stehenden Töpfe und – niemals ist ein Apfelstückchen so wie das andere, weder in der Form noch in der Größe. Selbst, wenn ich mir größtmögliche Mühe geben würde, es gäbe keine Deckung zwischen zwei Stückchen. Möglicherweise ist das nicht so leicht zu verstehen, aber genau dieser Umstand bereitet mir jedes Mal so ein diebisches Vergnügen, dass ich in mich hinein grinsend mit voller Absicht verschieden große Stücke schneide. Extra, weil ich`s kann. Apfelstücke sind eben nicht wiederholgenau, so wie das Leben an sich schon gleich gar nicht. Manchmal schade und manchmal ein Segen (!).

In dem Sinne – bless my Soul …

PS: Das waren 339 Wörter, 1863 Zeichen ohne, 2205 mit Leerzeichen. Wegen Apfelstücke 🙂

Donnerstag, 211028

Wer allein werkelt und außer der Reihe einen Tag frei haben möchte, muss sehen, wie er die Arbeit erledigt. Ist aber alles in allem machbar und Zeit für ein paar dürre Worte im Blog findet sich auch noch. Kann also so wild nicht sein.

Die Wirklichkeit, die Realität. oder das, was Mensch gemeinhin dafür hält, war gerade nebenan bei Alice ein Thema. Ein Wesensmerkmal der so genannten Realität ist ja, dass sie uns nicht fragt, ob sie uns gefällt. Herausforderungen aller Art tun sich auf, lediglich die bertreffenden Lebensbereiche ändern sich mit der Zeit. Oder bleiben gleich und verlagern sich. Schmerzen, gleich ob körperlich oder seelisch, lassen mich innehalten, langsamer werden. Flüchten kann ich, möchte ich aber nicht mehr. Wohin auch? Also stehen bleiben, hinschauen, annehmen. Gleich, ob es sich um veränderte Beziehungen aller Art handelt oder um das letzte große Mysterium, den Tod. Besser gesagt, den mitunter sehr weiten und langsamen Weg dorthin.

Stehen bleiben hilft (mir). Vor Lebensumständen wie vor Menschen. Hier bin ich, Herr. Hineni. Immer wieder, bis zum letzten Gang. Stehen bleiben bedingt manchmal auch Gegenwehr, mit den Füßen fest auf dem Boden. Manchmal braucht es Biegsamkeit & Elastizität, ebenso erdverbunden. Manchmal auch gehe ich für eine Moment in die Knie, dann ist das so.

Da war doch noch was – richtig, Arbeit. Die Arme sind bandagiert, kann losgehen. Weiter gehen.