Donnerstag, 230209

Nasales

Meiner Mutter fallen Sachen ein, die wohl nur einer Mutter einfallen. Oder auch einem Vater, so er diese Rolle tatsächlich ausfüllt. Neulich erinnerte sich also meine Mutter daran, dass ich meine erste Grundschullehrerin so gut leiden konnte. Was ich auch so in Erinnerung hatte. Sie war damals sehr jung, 1968, zu meiner Einschulung. Voll das Kind der 68er, ein frischer, progressiver Wind in dem sich langsam lichtenden Muff von Alt-Nationalsozialisten. Was ich dagegen nicht mehr wusste, war meine damalige Antwort auf die Frage hin, warum das denn so sei. Sie riecht so gut, solll ich gesagt haben.

Gerüche sind mir bis heute wichtig. So mag ich selten mal Parfum, und das auch nur, wenn es sich äußerst sparsam aufgetragen harmonisch mit dem Körpergeruch seines Trägers verbindet. Gleiches gilt für Rasierwässer & Co. Oftmals Penetranz pur, vorzugsweise in engen Räumen. Königsklasse: Aufzüge – da bekomme ich Schnappatmung und Zorn über die Raumergreifung des Gegenübers. Mit funkelnden Augen stelle ich mir vor, jetzt einen fahren lassen, einfach mal dagegen halten, nicht leise und verhalten, nein, laut bollernd und gehaltvoll, ohne den Blick dabei vom Chemiewerk gegenüber zu lassen. Frei nach dem Motto, alles Bio hier.

Aber auch unter den feinen Noten gibt es Gerüche, die abschrecken. Der Angstschweiß zum Beispiel, sauer und kränklich. Gut riechen kann ich dagegen – den Duft der schwarzen Seife, vermischt mit dem frischen Schweiß bei meinen morgendlichen Übungen. Das parfumfreie Deo verhindert ein Abgleiten ins stinken, über Tag. Und – liebe deinen Nächsten wie dich selbst – alle anderen Geschöpfe, die, obgleich sauber gehalten, nach sich selbst riechen. Männer, Frauen, und selbst Katzen. Hunde nur, wenn sie trocken sind 😉

Tja. Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes schreiben. Vater und so. Vielleicht später, ich merk, ich will mich drücken, Worte zu finden. Oder habe noch keine.

Was bleibt:

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Mittwoch, 220907

Der Wind rüttelt an den alten Rolladen, macht Musik zusammen mit dem rauschenden Regen. Gelegentliches Donnern bildet die musikalische Einlage, zusammen mit manch frühen Vogel, der über die vom Wind auf die Straße verteilen Wollnüsse fährt. Trommelsolo sozusagen, als Auftakt für die klugen Raben, die das Geräusch schon kennen und sich im Anschluss über den Nuss-Matsch hermachen.

Unausgeruht, aber für meine Verhältnisse friedvoll zelebriere ich meine morgendlichen Übungen, wahrscheinlich letztmalig in kurzer Hose, mit Blick auf die Vorhersage. Bikram-Yoga, denke ich, während mir die große Kanne mit Ingwer versetzter grüner Tee auf der nackten Haut Perlen macht.

Gut, wenn man sich riechen kann, denke ich. Bei mir selbst angefangen. Irgendwie bin ich schon noch halb (?) Tier, keine Ahnung, ob das anderen auch so geht. Spricht man nicht drüber. Meine Nase ist nicht nur recht groß, sondern auch empfindsam. So kann ich riechen, wer sich wie ernährt, zumindest schwerpunktmäßig. Oder zu wenig trinkt. So Menschen riechen schonmal eher säuerlich. Parfum mag ich nicht sonderlich, zumindest nicht so alles platt schlagendes Zeug, das überlagert alles. Gutes Parfum, sparsam angewandt, kann sich dagegen sehr harmonisch mit dem Körpergeruch seines Trägers verbinden.

Sei`s drum. Ein jeder auf seine Weise. Und Gott sei Dank hat Mensch ja auch noch Sprache, verbal und nonverbal, was uns doch von manch schnüffelnden und schwanzwedelnden Vierbeiner unterscheidet.

Obwohl. Als gesichert kann das nicht gelten 🙂

Samstag, 210703, am Abend

Später Nachmittag. Unterwegs – wieder einmal. Alte Häuser, die Autobahn, der Nordhang. Schrebergärten, es riecht unglaublich nach blühenden Bäumen und Büschen. Die Luft klebt, von Westen her wird es dunkel am Himmel, aber die Eindrücke, die Schritte sind Balsam für mein Gemüt, geschunden von den morgendlichen Eindrücken beim Besuch der Ahnen.

Hier und da mischt sich der Geruch vom gehabten Schwein unter die Blütendüfte, grillende Schrebergärtner halt. Wobei die landläufig mit dem gehabten Schwein assoziierte Glückseligkeit eindeutig nicht auf Seiten des Tieres liegen wird. Die arme Sau. So Gerüche erinnern mich an ein früheres Leben, scheint es. So, wie die meisten Gerüche als Erinnerungen abgespeichert sind. Manchmal weiß ich es nicht so genau, bin ich eigentlich so animalisch, dass Gerüche so sehr über Sympathie oder Antipathie entscheiden können oder ist es mir vielleicht nur etwas bewusster als vielen anderen Menschen? Keine Ahnung, das Tier in mir orien-Tiert sich jedenfalls ein Stück weit der Nase nach. Verbranntes Fleisch fällt bei mir heute in die gleiche Kategorie wie zu stark parfümierte Frauen. Überwürztes Essen. So in der Art.

Bilder …

Die Resteverwerter bei der Arbeit.

Feuerwanzwehr…

Türme, mehr oder weniger abgefuckte Häuser und Treppen. Wuppertal …

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