Donnerstag, 230831

Mitnahmeeffekt

Langsam lasse ich den grünen Rachenputzertee in mich hineinlaufen und bereite mich auf meine morgendlichen Übungen vor, immer die Uhr im Blick. Ist es eher knapp, weil ich mich bei der ersten Netzsichtung des Tages vertrödelt habe, lasse ich mir mehr Zeit und fange an. In Ruhe lasse ich die Bewegungen in beliebiger Abfolge fließen, schaue, dass ich alle mitnehme. übergangslos. Langsam, kraftvoll und im Fluss. Nichts vergessen, die Reihenfolge ist tagtäglich eine andere, damit es nicht zum hohlen Ritual verkommt. Nach ca. 30 Minuten beende ich die Abfolge, bedanke mich und beginne mit den morgendlichen Hausverlassverrichtungen, bevor ich mich auf dem Weg mache, nicht ohne mich zuvor von den Katzen zu verabschieden.

Mit etwas guter Fügung darf ich die Geschmeidigkeit und fließende Harmonie mit in meinen Alltag nehmen.

Weil es gut passt.
Easy come, easy go
Any way the wind blows

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Mittwoch, 230830

Zahl des Tages:
45

Mein Vater fing mit 14 Jahren das arbeiten an, um mit 59 damit aufzuhören. Seine Rente war genau so hoch wie sein letzter Gesellenlohn. Dafür hat ihm (und sehr vielen anderen) das tausendjährige Reich Kindheit und Jugend gestohlen, aber immerhin – wenn auch mitunter knapp – das Leben gelassen. Was auch nicht für alle damaligen Kinder selbstverständlich war. Dank robuster Konstitution, relativ gesundem Lebenswandel und einem vergleichsweise guten Gesundheitssystem bezog er satte 28 Jahre lang Rente. RIP, Vatter, sei dir vergönnt gewesen.

Ich so? Wenn es dem Staat nach geht, habe ich fast 51 Jahre zu arbeiten. 45 davon sind jetzt gerade vorüber. Herzlichen Glückwunsch, lieber Reiner, zur gewonnenen Rentenanwartschaft! Würde ich jetzt arbeitslos, bekäme ich noch knapp 2 Jahre ALG1 und dann, mit 63, den vorgezogenen Ruhestand auf etwas mehr als Grundsicherungsniveau. Bezugsdauer? Keine Ahnung, mein Schöpfer würfelt nicht. Vielleicht ne Prognose? Viel gesoffen, geraucht, rappelige Nerven, scheiß auf die Glaskugel, lieber nicht. Und – bin ich jetzt so richtig BÖSE – nein. Was die gesellschaftliche Seite angeht, das haben sie uns schon vor Jahrzehnten gesteckt. Außerdem geht schlimmer immer, wäre ich kein Glückskind, das trotz Suchterkrankung, großer Fresse und langzeitlicher Selbstüberschätzung durchgehend in Lohn und Brot stand, dann sähe es wohl auch für mich duster aus. So gesehen bin ich dankbar. Punkt.

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Themenwechsel – Netzfund zum Thema Retter und so. Funktioniert hin und wieder mal, in aller Regel aber nicht, dann bleibt nur ein Haufen Asche.

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Drabble – Dienstag, der 29.8.2023

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten, Überschriften zählen nicht mit. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat. Neu – das „Wort-würfeln“ findet ab nun analog statt. Blind drei Wörter aus einem Buch gepickt. Was dem Finger am nächsten kommt …

Wortspende heute:
Joy Fielding
Solange du atmest

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Draußen weicht die Nacht allmählich einem nassen Grau. Die Uhr sagt aufstehen, alles andere schreit nach liegenbleiben. In meinem Beruf als Therapeutin habe ich zahllose Menschen helfend begleitet, glaubte bis vor ein paar Stunden an meine gut geschulte Intuition – um dann feststellen zu dürfen, Profession ist das eine, im geschützten Rahmen sein Werk zu tun.

Mein Privatleben dagegen muss ganz ohne Profession auskommen, weil, wie heißt es so schön, ich bin befangen. Selbst mein Humor ging mir zeitweise aus, als dein Ehering zu Boden fiel, der in der Hose steckte, die nicht schnell genug herunter wollte. Du gingst auf Zehenspitzen …

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Wortzähler – hier

Drabble – Dienstag, drei Worte für den 29.8.2023

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten, Überschriften zählen nicht mit. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat. Verlinkungen unter diesem Beitrag erleichtern die Übersicht. Neu – das „Wort-würfeln“ findet ab nun analog statt. Blind drei Wörter aus einem Buch gepickt. Was dem Finger am nächsten kommt …

Wortspende heute:
Joy Fielding
Solange du atmest

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Wortzähler – hier

Donnerstag, 230824

Wieder einmal ist es ein Kommentar, der mich inspiriert und nachdenklich macht. Schönheit war nebenan bei Elisa ein Thema. Dann lese ich, spüre nach und fange unsortiert das schreiben an.

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Äußere Schönheit wird überbewertet, glaube ich.
Etwas anderes ist es, sich mit Dingen von persönlicher Bedeutung zu umgeben.

Menschliche Schönheit – die gibt es, von innen. Ist nicht häufig anzutreffen, unser täglicher Überlebenskampf in Kombination mit Bedürftigkeit, Gier, Neid und Mißgunst macht so vieles kaputt. Wenn ich also schöne Seelen finden möchte, darf ich zunächst einmal anstreben, selbst eine zu werden. Dazu darf ich erst einmal herausfinden, was genau ich denn darunter verstehe. Ist nicht wirklich schwierig gewesen, ich liebe strahlende Menschen, die auf ihrem Weg sind, sich von Einigem freigeschwommen haben, auf ihrem Weg. Und so möchte auch ich innerlich strahlend werden, da gibt es schonmal eine Richtung, die Umsetzung ist tägliche Übung – angefangen mit Autosuggestion, Schauspiel, Versuch und Irrtum über den wahrhaftigen Abgleich mit mir selbst hin zum bewahren, was meins ist und sich gut anfühlt.

Andere mögen beizeiten folgen – aber dazu muss ich menschliche Gesellschaft auch meinerseits suchen. Klingt leichter, als es mir mitunter fällt 😉

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Darüber hinaus – Kunst kann schön sein, im Sinne von berührend, bewegend. Die Natur kann ich so empfinden, auch Sinnlichkeit aller Art kann sehr schön sein.

Und andere?

Der Mensch ist doch ein Augentier – schöne Dinge wünsch ich mir – ich auch, wenn auch anders.
Zentrum für politische Schönheit – Widerspruch in sich?

Drabble – Dienstag, der 22.8.2023

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten, Überschriften zählen nicht mit. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat. Neu – das „Wort-würfeln“ findet ab nun analog statt. Blind drei Wörter aus einem Buch gepickt. Was dem Finger am nächsten kommt …

Wortspende heute:
Siegfried Lenz
Jäger des Spotts

Mal wieder ein Klassiker …

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Worte verwursten vor ernstem Hintergrund

Sommerfest auf der Hardt, rund um den botanischen Garten zu Wuppertal. Seit dem Morgengrauen sind die Stände aufgebaut, Kunsthandwerk aller Art, Kulinarisches, Alltagskram, Trödel und – ein Bücherflohmarkt in einem der Gewächshäuser. Dort, wo es sonst eher lautlos zugeht, herrscht nun geschäftiges Treiben.

Nachdenklich lehne ich an einer Balustrade und sichte die Auslagen in den Kisten. Mein Blick bleibt an einem noch originalverpackten Buch hängen: „Der größte Einschnitt unsers Lebens – in Rente“. Möglicherweise gut gemeint verschenkt wurde es nie gelesen. War es Desinteresse, gab es dank eines ausgefüllten Ruhestandes keinen Bedarf oder ist der Betreffende womöglich „sozial verträglich“ abgelebt? Wer weiß …

p.m.:
Der Autor des Buches starb im 68sten Lebensjahr.
Nein, ich habe das Buch nicht erworben.

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Wortzähler – hier

Freitag, 230818

Es ist tatsächlich ein Frei-Tag, immerhin. Ich schlafe aus, für meine Verhältnisse unglaubliche 7 Stunden beinahe am Stück, mit wüsten Träumen gespickt. Das Langfellmädchen will sich überhaupt mal gar nicht kämmen lassen, ich gebe auf und sage, ok, hast gewonnen. Ist nicht ihre Zeit und außerdem laufen auf der Liebsten PC schon nervöse Frühstückskrawalloserien mit Stoßfeuer, Knochenbrechen und so. Hat halt jeder so seine Tageseinstimmung.

Badezimmer – ich starte die Quetsche, in der Hoffnung auf informative Unterhaltung. Die ersten beiden Worte, die ich höre, sind Russland und Nordkorea. Die Entscheidung, lautlos Fassadenputz zu betreiben, kommt reflexhaft. Ich kann diese Scheiße nicht mehr hören. Macht doch einfach, beendet unser aller Dasein hier oder lasst es besser sein, aber hört auf, ständig darüber zu quatschen.

Heute ist also ein Arbeits-freier Tag. Zumindest, was den Brotjob angeht. Darüber hinaus ist es ein Mutterherumfahressengeh- und Klamottenzurdiakonierfahrhausarbeitstag. Beides hat seine Dringlichkeit und seine Berechtigung, sicher. Von hinten schleicht sich eine Frage an, wann ich denn das letzte Mal so richtig etwas für mich getan hätte. Ach geh, hau ab, jetzt gerade zum Beispiel schreibe ich den ganzen Sermon ins Netz, mir zur Erleichterung und anderen zur Unterhaltung, ist doch schon mal etwas, oder? Win-win auf neudeutsch.

Von wegen Sermon, wo ich gerade dabei bin: Der Wunsch, den Brotjob zu himmeln, wird zunehmend stärker. 45 Jahre Öldreck, Werkstattflair, Lärm und zumindest phasenweise Extremdummheiten reichen, allein der Weg da raus ist unklar. Was Hoffnung macht – immer wenn ich über längeren Zeitraum Ohnmacht fühlen sollte, wurden mir irgendwann Entscheidungen abgenommen. Hier, hast du, und jetzt werde endlich glücklich! Gestern zum Beispiel war von angesteuerten Eisbergen und schlimmen Zahlen die Rede. Das macht Hoffnung, zumindest für mich. Alle anderen sehen das natürlich anders, was ich mehr als gut verstehen kann. Die einen sind zu jung, manch andere brauchen selbst Brotjobs für ihr Ego. Geld braucht darüber hinaus jeder und Mischformen aller Art sind dito existent.

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Schluss jetzt mit Sermon, andere schreiben wirklich hübsche Lyrik. Hier ein wunderschönes Fundstückgedicht über nächtliche Lobpreisungen und so. Zu lesen ist es bei Frau Laengle und natürlich Danke, Frau Sharon Olds für die gelungene Urheberschaft. Zu hören isses hier.

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