Samstag, 230114

Grau ist der Himmel und die Schleusen öffnen sich erneut. Mystisches Wetter, wieder einmal an die Sintflut erinnernd, gerade hier im Bergischen. Teile meiner Jugend fallen mir ein, als ich mit einem Freund und Hund am frühen Morgen aus dem Haus ging, um den Tag in den Feldern, Wäldern und in den wilden Hängen der Wupper an deren Oberlauf zu verbringen. Dicht bewaldete Steilhänge, wo sich hinter jedem Fels und Baum Trolle, Kobolde und sonstige Geister tummeln. Irgendwann hat der Verstand dagegen gehalten und für eine Weile den Zauber zerstört. Heute schweigt Ratio auf Anweisung und ich kann in wilden Regengüssen wieder Magie spüren.

Hoffentlich saufen nicht wieder ganze Stadtteile ab.

Sonst so – Ratio lässt grüßen – Betriebliche Gründe zwingen mich dazu, mich mit Zeiterfassung (was für ein Wort, mit Blick auf den Text oben) zu beschäftigen. Das würde na klar ganz klassisch mit Taschenkalender und Schreiber gehen, würde aber stetes rechnen nach sich ziehen. Lästig, das, und so finde ich bei einem bekannten Verlag, den ich im Übrigen nicht schätze, wohl aber deren allgemein verständliche aufklärerische Arbeit mag, ein vorformatiertes Excel-Programm, welches gut zu gebrauchen ist. Einfach zu handhaben, die Tagesarbeitszeit wird definiert, ebenso Feiertage und verschiedene Formen von freien Tagen, sowohl nach Vorgabe, aber auch selbst benannt. Auf Android läuft das Ding mit der App Google-Tabellen, auch zum editieren. Libre-Office kommt ebenso damit klar, auf Windows sowieso. Mit Ubuntu läuft es bei gleichen Softwarestand (Version 22.4) auf einem Lenovo-Maschinchen prima, auf einem älteren Dell-Rechner dagegen nicht, warum auch immer. Alles in allem ein einfach verständliches und gut handhabbares Programm, Download hier.

Ok, mit Ratio kann man also die Zeit erfassen. Musik hören dagegen nicht 😉

Memory comes when memory’s old
I am never the first to know
Following the stream up North
Where do people like us float

Fever Ray ‚Keep The Streets Empty For Me‘

Montag, 220509

Nachtrag zum gestrigen Sonntag. Ich traue dem Frieden nicht mehr und neige dazu, mich in düstere Visionen hereinzusteigern, angesichts der Nachrichtenlage und der Tatsache, dass die Liebste gerade in Berlin weilt. Dann wird es Zeit, mich zu bewegen, das fällt vergleichsweise leicht, wenn draußen ein so schönes Wetter ist wie dieser Tage.

Erste Station war das Gräfrather Marktfest. Gräfrath gehört zu Solingen, was aber nicht heißt, dass die Gräfrather auch Solinger wären. Sie sind natürlich Gräfrather, so wie die Lenneper eben Lenneper, die Lüttringhauser eben Lüttringhauser und keine Remscheider sind. In Wuppertal isses ähnlich, nur vielfältiger, da mache ich jetzt mal nen Schnitt, führt zu weit, das bergische Klein-Klein.

Das große Kind wohnt seit kurzem da in der Nähe, sonst wäre ich nie dahin gefahren. Zuviele Menschen machen mir derbes Unwohlsein, zumal, wenn sie feucht-fröhlich sind. Und so verweilte ich auch nur kurz.

Wieder zurück im heimatlichen Kiez stieg der Wunsch, den Bierdunst aus der Nase zu bekommen, und so suchte ich das kleine Cafe umme Ecke auf. Die meisten Kunden holen hier Kuchen für daheim, das ist mir genau recht, wenig los, gut so. Balsam für die Seele, nach dem Dorffest zuvor.

Und – zum Ende noch eine kleine Runde über den Friedhof nebenan.

Macht Mut, die Inschrift.

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Sonntag, 200712

Ein Spaziergang am Nachmittag – Stadtrand von Wuppertal.

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Tore, die ins Nichts führen. Portale, die ihren Sinn verloren haben und dennoch erhalten sind. Zugewachsen, kein Durchgang mehr möglich. Gärten – eingehegte, kleine Welten für sich. Geschützte Räume… Obgleich Gärtnerei nicht zu meinen Leidenschaften zählt, mag ich sie gerne schauen.

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Was in Gärten so wachsen kann…

Rammstein – Wilder Wein – Live aus Berlin from Made in Germany Radio on Vimeo.

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Osman war der Beste

Nebenan beim Wassertiger wurden neulich Erinnerungen wach, an eine längst vergangene Zeit meiner Erwerbstätigkeit, damals, in den finsteren Wupperbergen, in der Nachbarstadt Solingen. Der Andi fragte nach, ob den armen Nachbarn denn geholfen werden konnte … aber ja, mal mehr, mal weniger.

Das Maß der Dinge war die Zahlungsmoral, es gab damals die so genannte Solinger Seuche, also die Unart, Rechnungen, wenn überhaupt, erst nach der dritten Mahnung zu bezahlen. Solchen Kandidaten wurde dann etwas weniger zuvorkommend geholfen. Da kam es schon mal vor, dass nach einer Weile telefonisch nachgefragt wurde, ob das betreffende Teil denn fertig sei … der Scheff stand grinsend neben mir und war nicht im Hause, während ich mit dem Kunden sprach und ihm versicherte, der Wagen sei gerade eben vom Hof, er möge in Kürze eintreffen.

Wir haben dann mal Material besorgt …

Anderen erging es wiederum vergleichsweise besser. Osman zum Beispiel, der war unser liebster Kunde. Wenn der die Einfahrt hoch schlappte, hing der Scheff schon im Fenster und begrüßte ihn freudig und lautstark mit großem HALLO. Die Tür ging auf und Scheffe persönlich umarmte ihn, Schulter-klopfend, mit frischem Kaffee, schön mit Milch und ordentlich Zucker. Wir mussten für Osman alles stehen und liegen lassen – das Geheimnis dieses liebenswürdigen, stets unrasierten Mannes mit dem usseligen grauen Kittel war seine Geldbörse.

Ein Gummiband, um die Rolle loser Scheine, lässig in der Kitteltasche.
Der Kaffee war immer frisch …

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