Mittwoch, 240228

„Hättest du gedacht, dass ich mal so sein kann“ – frage ich meinen Kollegen nach dem alltäglichen Geplänkel mit einem Dritten. „Du warst schon immer so“, sagt der. „Früher eher noch schlimmer“, schiebt er nach, steht auf und baut sich vor mir auf. Seine Füße konkurrieren mit den Augenbrauen im Zusammenstehen, er zieht eine Eins-A-Fresse, sein Kopf ragt bei gestrecktem Rücken deutlich über seine Schuhspitzen. „SO warst du“, sagt er. „Aber weiß du was? Ich hab dich trotzdem lieb, auch früher schon. Besser so als die verlogene Freundlichkeit manch anderer“.

„Weiß ich“, sage ich und grinse. „Eins ist dennoch anders als früher (man kennt sich fast 30 Jahre, mittlerweile). Hast du eine Ahnung, wieviel Angst ich mein Leben lang hatte?“, frage ich. Er schweigt – „Die hat mich so sein lassen, Angstbeißer, weißte. Und das ist heute anders. Heute steht mein Zorn für sich allein, wenn dann. Ohne die Angst dahinter. Fühlt sich richtig gut an“.

Noch besser ist gefühlt ohne alledem. Zeiten ändern sich, wer weiß.

Montag, 230911

Stimmung

Wir sind viel unterwegs, und auch allein bin ich gerne aushäusig, je nach Gelegenheit. Hier und da schreibe ich über meine, unsere Exkursionen kleine, manchmal bebilderte und auch nicht gänzlich humorlose Einträge, aber mein mich-der Welt-zuwenden hat auch eine andere Seite. So möchte ich verstehen erfassen, was vor sich geht, außerhalb meines eigenen Kopfes und denen meines vertrauten Kreises. Umfragen zu lesen ist eines, sich unter die Menschen zu begeben, etwas anderes.

Negativität und Aggression nehme ich wahr. In der Eisdiele, die beiden am Nachbartisch. Er hat so etwas von einem gemütlichen Ochsengesicht, der sich zumindest in Teilen nicht mehr grämen muss, sie dagegen strahlt wortlos eine Wut und eine Verachtung aus, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen habe. Oder das Paar neben uns im Bus, kaum älter als wir. Reden mehr als abfällig über den Busfahrer, weil der ihrer Meinung nach die Tür zu lange oder zu kurz geöffnet hat. Äußern sich in gleicher Weise über ihre Mitfahrer, während er demonstrativ im vollbesetzten Bus nach außen rückt und so zwei von vier Plätzen blockiert sind. Gemeinsames Wesensmerkmal solcher Menschen: Heruntergezogene Mundwinkel, „hängende“ Gesichtszüge. Alter-Native-Wähler im Wortsinn von alt geboren? Wobei ich mittlerweile genügend Alte mit ganz anderen Gesichtszügen kennengelern habe.

Die Kunst ist, bei mir zu bleiben. Diese Gesichter wahrzunehmen, ohne Gleiches mit Gleichem zu beantworten. Im Zweifel mal kurz nach oben schauen. Gelingt mir nur teilweise, aber da ist der Weg.

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Sorry, den hier braucht es jetzt, um die Schwere aus diesen Montag Morgen zu nehmen. So gesehen im Berger Hof zu Hattingen. So sieht ein glückliches Geschöpf aus …

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Pfingstmontag, 230529

Passt nicht zum Feiertag, muss jetzt aber heraus. Herr Jens Spahn von der CDU möchte die (dynamisch gestaffelte) „Rente mit 63″ abschaffen, und zwar sofort. Fachkräftemangel und so weiter, Gerade erst gemerkt? Herr Spahn, ich habe Ausdrücke für Sie, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Aber – weiter so, ihr bekommt die AfD noch über 20%, wenn ihr so weiter macht.
PS: Ich habe nicht die geringste Neigung, für eure Dummheit 51 Berufsjahre zu arbeiten.

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So richtig heiter wird es auch jetzt nicht. Nach langer Zeit waren wir wieder mal im Kino. Film geguckt und geweint. Sieht ja keiner. Absolut sehenswert.

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Und – Belohnung auf dem Heimweg. Der Film lief am späteren Nachmittag, und so war die Kneipe komplett leer, als wir lang kamen. Um die Stimmung aufzuheitern, fragte ich höflich nach einem freien Tisch für 2 Personen – das ginge so gerade eben noch. Netter Kultladen mit lecker Essen.

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Bilder vom Heimweg.

Und – die beiden runden den Schluss ab …

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Freitag, 220325

Als junger Mann dachte ich, ich sei Pazifist. Hatte so nen Aufkleber auf meinem Schrott-Käfer: Ein Dinosaurier, daneben stand „Ausgestorben. Zu viel Panzer, zu wenig Hirn„. Mit sehr vielen anderen Menschen war ich Anfang der Achziger im Bonner Hofgarten, demonstrierte gegen die Stationierung neuer Waffensysteme im Westen. Hörte gebannt Heinrich Böll sprechen, den ich bis heute verehre.

Jetzt ist einiges anders. Ich weiß, ich bin kein Pazifist, heute kenne ich meine Wut, mein Aggressionspotential, das sich früher in der Hauptsache gegen mich selbst gerichtet hat. Wut, mit der ich heute in der Regel zurecht komme. Ein wildes Tier, nicht eingesperrt, aber an der Leine, mit Maulkorb, auf dem steht:

Du sollst nicht töten

So ist geblieben die Ablehnung von blinder, sinnfreier Zerstörung und unermesslichen Leid. Was Kriege anrichten, treibt mir das innerste nach außen, der ganze vererbte Scheißdreck ist wieder zu spüren. Und doch geht es mir ähnlich wie Croco, auch ich hätte nie gedacht, es mal zu begrüßen, wenn Armeen an den Grenzen der „westlichen“ Länder verstärkt werden.

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Sonst so? Ein gewaltiges altes Lied, das mir verstohlene Tränen in die Augenwinkel treibt. Danke fürs teilen, Springerin.

Some day soon
the tide will turn
and I’ll be free



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Sonntag, 210321

Wieder so ein Datum, das sich gut liest. Ab gestern wird das Licht die Dunkelheit überholen, zeitlich. Ach, wäre das auch sonst immer so. Aber ich darf ja üben, Tag für Tag. Kleines Beispiel?

Parkplatz-Impressionen

Gestern früh, auf dem Parkplatz vor der Einkaufsmeile nebenan. Die Eltern wollen Bier(!), ich bringe ihnen dann stets so eine Halbschachtel Krombacher mit, die kann ich mit meinen kaputten Armen besser tragen und sie besser lagern. Sie trinken nur sehr wenig, so`n Teil hält locker drei Wochen. Es gibt einen separaten Getränkemarkt mit so einem überdachten Stand für Einkaufswagen. Darunter stehen zwei Reihen Wagen, die vom Getränkemarkt und die vom benachbarten Supermarkt. Meine Laune ist mies, nüchterner Magen, die vielen Menschen, Maske vor der Fresse und eine beschlagene Brille. Nachdem das Gesöff im Kofferraum verstaut ist, bringe ich den Wagen zurück und schiebe ihn prompt in die falsche Reihe. Geht nicht ganz rein, das Scheißding, zornig fluchend (mein Euro…) und natürlich ohne nachzudenken nehme ich nochmal Schwung, es scheppert enorm und dann geht nichts mehr vor und zurück. Bin nur froh, dass die Liebste nicht mit dabei ist, die wäre an`s andere Ende des Parkplatzes geflüchtet. Ich beschaue mir den Haufen Draht, gelobe meinem Schöpfer Besserung (bis zum nächsten Mal) und beschließe, den Euro für die arme Sau zu spenden, die das wieder entwirren darf.

Und ja, ich bin ganz in meiner Mitte, jetzt gerade, es geht mir gut. Und nein, ich bin nicht gut eingestellt, medikamentös. Eigentlich gar nicht, wie man sieht. Bin Mensch mit gelegentliche Anfällen von extrem schlechter Laune, das ist nicht schön, darf aber sein. Das mit der Besserung war übrigens ernst gemeint, auch, wenn man diese Prüfung mit gutem Gewissen als nicht bestanden bezeichnen darf.

Mittwoch, 210203

Nachtschicht im Kopf.

Seit ein Uhr wach und um kurz vor drei aufgestanden. Schlachten geschlagen in meinen Träumen, in meinem Kopf. Nur dort, aber immerhin reicht es für eine verschissene Nachtruhe. Wie ist das eigentlich, mit Regeln und Vorgaben? Wenn alle machen, was sie wollen, kann ich das doch auch. Oder? Was ist in dem Zusammenhang noch wichtig? Gottvertrauen. Und vielleicht irgendwann ein guter Rechtsbeistand (Achtung, die Nachtruhe). Lebend kriegt ihr mich jedenfalls nicht, ihr Home-Officer mit der Vertrauensarbeitszeit, der Hand am Sack und den Füßen auf dem Tisch. Oh, die Nachtruhe geht gerade nahtlos über in die Tagesunruhe, wie fein. Adrenalin-Junkie, der ich bin, missbrauche ich den inneren Krieg um den eigenen Arsch hochzubekommen (kennt das vielleicht noch wer?) Auch eine Taktik, aber keine gesunde.

So. Wer jetzt hier den Kopf schüttelt, angesichts der geballten Aggression – hat völlig recht. Sollte ich vielleicht auch mal wieder tun, das klingelt dann immer so schön leise und ordnet alles neu. Vielleicht wie weiter unten dargestellt, das kleine Liedchen der britischen Tanzkapelle passt auch sonst gut zum Thema.

Guten Morgen.

Sonntag, 201101

Der stille Monat beginnt heute und diesmal in mehrfacher Hinsicht. Das Gedenken der Toten am heutigen Tag ist eines, etwas anderes ist es, zu spüren, wohin Mensch sich gerade entwickelt, angesichts der Lage im Land, auf der ganzen Welt, wie es scheint.

Gestern Abend. Wir essen und schauen fern. Im WDR läuft irgendetwas mit Musik von 60 Jahren. Wieder mal, denke ich, irgendwie entwickelt sich West3 gerade zum Alte-Leute-Sender. Bedenklich finde ich, dass mich, uns, so vieles vom gesehenen und gehörten schon berührt – die scheinen es also auf uns abgesehen zu haben. Wohl voraussetzend, dass unsereins die stete Verhaftung mit der Vergangenheit innig liebt und die Erinnerung mangels prickelnder Gegenwart braucht wie das täglich Brot. Sei`s drum, der Sender läuft und die Kost ist leicht verdaulich. Auch mal gut.

Zu sehen sind viele Künstler ihrer Zeit, Werdegänge, Interviews, Vitas und natürlich viel Musik, auch Konzertmitschnitte. Unter inneren Protest macht sich aufgewärmtes, längst vergangenes Lebensgefühl, teils von Gänsehaut begleitet, breit. Und – da ich nun mal strebe, in der Gegenwart zu sein, denke ich, es fehlen heute wichtige Kanäle, den Frust loszuwerden. Dem (geselligen) Hedonismus wird gerade aus guten Gründen der Kampf angesagt und im Topf steigt der Druck, wie mir scheint. Nicht alle realisieren die Gebote der Stunde. Hätte ich in jüngeren Jahren vermutlich auch nicht gekonnt und einfach weiter gemacht. Wir waren mindestens so kreativ im umgehen von Regeln wie die Kid`s heute.

Sonst so? Es ist ruhig hier, Dank einer abgesagten Reise sind wir daheim und das ist gut so. Finden im übrigen auch unsere Mitbewohner…

Liegen bleiben bis zum Frühjahr wäre schön…

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Montag, früher Morgen

4.30 Uhr, in der Küche. Milchkrug in die Mikrowelle, Timer an – BOFF – das war`s mit dem guten Stück. Das darf sein, denke ich, nach 20 Jahren. Natürlich an einem Montag-Morgen, wann auch sonst. Wohin jetzt damit, frage ich mich. Laut Website haben die Wertstoffhöfe geschlossen, aha. Mikrowellen dürfen auch in die Altgerätecontainer, na gut. Also das verreckte Teil für den Transport ein wenig entfettet und ab in den Wagen, kann fein vor der Arbeit erledigt werden, 150 Meter weiter auf der Straße steht so ein Ding.

Soweit der Plan. Ich stehe vor dem Blechkasten und peile diese Schublade an, so ein Ding zum aufklappen, bestücken und beim schließen wird der Schrott dann versenkt. Könnte knapp werden, denkt es in mir. Versuch macht klug, also raus mit dem Teil aus dem Wagen und hinein in die Kipplade. Nach ein paar Versuchen (ist in der Tat sehr eng) landet der Brocken lautstark an dem dafür vorgesehenen Platz, aber – die verdammte Lade lässt sich nicht schließen. Mittlerweile steht schon eine alte Dame im Hauseingang gegenüber, grinst freundlich und wünscht mir einen guten Morgen, den ich so nett als geht erwidere. Was tun – einfach abhauen – ist der erste Gedanke. Sollen sich die Kollegen von der AWG mit dem Scheißding herumärgern, was schreiben die auch „gehört in den Wertstoffcontainer“. Was natürlich nicht geht, weil erstens ziemlich asozial und zweitens notiert garantiert in dem Fall einer mein Autokennzeichen, die freundliche alte Dame lässt grüßen und man ist hier auf dem rot-grünen Ölberg außerdem umweltbewusst, was ich im Allgemeinen auch gut finde, jetzt im Speziellen allerdings weniger.

Und so – wütend und immer lauter fluchend zerre und reiße ich an dem verkeilen Ding umher, das weder vor und zurück will, in der elend zu kleinen Schrottlade. Toll, toll, denke ich, währenddessen ich mich geistig ein wenig vom Geschehen entferne – ein tobendes Rumpelstilzchen mit Kampfjacke., Schiebermütze und knallroter Birne unterhält gerade wild fluchend und lärmend den Berg, kommt her, ihr Spacken und zahlt gefälligst Gage!

Tatsächlich (!) kommt ein junger Mann von der anderen Straßenseite herüber, knapp zwei Köpfe größer als ich, und fragt ein wenig mitleidig, ob er wohl helfen könne. Na gut, mit vereinten Kräften – er überbiegt die Lade ein wenig – kann ich das Drecksteil endlich wieder befreien, Halleluja! Ab in den Keller damit, wird sich finden, wohin, vorzugsweise legal. Erst mal zur Ruhe kommen und arbeiten gehen …

 

Wenn schon Montag, dann richtig

Und – wie geht ein richtiger Montag? Genau, am besten mit einem Wutanfall starten, das bringt Adrenalin, den Wachmacher Nummer eins. Mit Katzenkindern ist das vergleichsweise einfach, wenn gerade zum xtem Male eine Lampe demoliert wird. Ab in die Tonne damit, die Kleene böse angucken … und feststellen, dass das gar nicht geht, mit dem böse gucken, zumindest nicht sehr glaubwürdig.

Ok, Montag eben.

Passend zur Grundstimmung …

Eines Tages …

…werde ich dich in Stücke schneiden.

So heißt es in dem einzigen, verzerrt gesprochenen Satz in dem Song. Wikipedia zufolge meinte Roger Waters damit einen ihm vermutlich nicht ganz so sympathischen Rundfunkmoderator …

Ein jeder kann sich das seine in diesen Satz hinein interpretieren. Ja, mir ist durchaus bewusst, dass der eine oder andere Leser nun ein wenig zurück schreckt, ist ja schließlich Adventszeit. Keine Sorge, ich beabsichtige niemanden zu filetieren, kein Familienmitglied, nicht meinen Lieblingskollegen, nicht meinen Nachbarn und auch keine hoch gestellte Persönlichkeit. Die einen sind mir teuer, die anderen sind es mir nicht wert – nicht, weil ich ein solcher Pazifist bin, sondern weil ich mich nicht vor meinem Schöpfer diesbezüglich verantworten mag.  Außerdem kann ich sie ja auch nicht alle … ok, ich führe das jetzt nicht weiter aus …

Nein, es ist niemand um mich herum, es ist in mir…
Und – es geht um mehr als um`s satt werden.

In dem Sinne – eine friedliche Adventszeit uns allen.

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