Freitag, 210716

Heute früh, irgend eine Wiederholung in der ARD-Infonacht. Es geht um Tauben. Erst höre ich nicht so richtig hin, Tauben, na gut. Die Stadt ist voll mit ihnen, auch bei uns, unsere Kleine sitzt gerne mit Mordlust am Küchenfenster, während mindestens ein Täubchen oben gurrend in die Dachrinne kackt. Die Vögel wirken immer ein wenig trampelig, die Liebste nennt sie darum gerne „Die Bauern unter den Vögeln„.

Zu Unrecht, meint der Hirnforscher und Psychologe Achim Schmitz-Forte in dem von mir gehörtem Podcast. So sinngemäß spricht er davon, dass Tauben zwar nicht als die hellsten Kerzen unter den Vögeln gelten würden, aber man täte ihnen Unrecht, mit dieser Bewertung. Sie würden nur anders lernen und hätten etwas dem sehr Förderliches, nämlich eine ausgeprägte Frustrations-Toleranz. Ich werde hellhörig. Der Wissenschaftler spricht vom Lebensumfeld der Tauben, dass ihre Getreidekörner oft mühsam aus großen sandigen Flächen gelesen werden müssen, eine stundenlange und wenig ertragreiche Arbeit. Er spricht einen Vergleich mit Katzen an, die gegenteilig unterwegs seien und ruckzuck das Interesse an was auch immer gerade eben noch hochspannend verlieren würden.

Interessant, denke ich, deckt sich das doch auch mit meinen Erfahrungen. Wird doch der Verstand, oder das, was landläufig dafür gehalten wird, meist überbewertet. Dran bleiben ist wichtiger, ab und an mal eine Zwischenbilanz ziehen und falls nötig die eine oder andere Korrekturschleife fahren. Erfolg ist nur zur Hälfte (wenn überhaupt) Intellekt, die andere Hälfte ist Beharrlichkeit, davon bin ich fest überzeugt. Mit Widerständen klar kommen, sich nicht entmutigen lassen, alles mir nur zu vertraute Prinzipien. Und so sehe ich die Bauernvögel ab nun mit etwas anderen Augen.

Sonst so? Es ist Freitag. Grund genug, die Dinge etwas entspannter anzugehen. Gerade fiel mir ein Stückchen Musik in die Hände, 50 Jahre alt. Aber immer noch beeindruckend, wie man damals ohne jedes Gesangstalent recht erfolgreich Musik machen konnte.

Come on baby, I’m gonna watch ev’rybody work

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Samstag, 200822

Er zog aber seine Straße fröhlich…

Mein Taufspruch, Anno 2007. Ein Satz aus der Episode mit dem Kämmerer, dem Philippus auf der Straße nach Süden Grundsätzliches erklärt, woraufhin es der Kämmerer für eine gute Idee hält, sich beim nächstbesten Wasser taufen zu lassen. Um anschließend seine Straße eben fröhlich zu gehen.

Der alte Pfarrer damals hier im Kiez hat es mir bei seinem Hausbesuch angesehen, was mir fehlte. Frohsinn und eine heitere Grundhaltung. Mein Leben war damals, na ich sage mal, ein wenig kompliziert. Frisch mit einer Frau zusammen gezogen, ein Akt, der von vorneherein zu scheitern verurteilt war. Das große Kind, das damals noch nicht ganz so groß war. Die Mutter des großen Kindes und und und. Fast alles hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, mein Leben hat eine Richtung genommen, die ich nicht geahnt habe, in vielen Lebensbereichen. Die saturnische Schwere dagegen ist mir erhalten geblieben, in abgemilderter Form, was hoffen lässt. Dann ist das eben so, wenn sie bleiben möchte, soll sie das tun. Mit willentlicher Gewalt lässt sie sich jedenfalls nicht vertreiben. Möchte man das Ganze bei Lichte sehen, erkennt man auch Ernsthaftigkeit, Disziplin und Beharrlichkeit, hilfreiche Korrektive bei gewissen anarchischen Persönlichkeitsanteilen. Wie so oft ein Seil mit zwei Enden, immerhin.

Neugierig, wie ich bin, werfe ich den Satz, der zu mir gehören soll, in die Suchmaschine und stoße promt auf ein Buch, das diesen Titel trägt, wenn man darüber hinweg sieht, dass das „aber“ verdreht wurde. Die Erinnerungen eines Kinder-Chirurgen, der in drei Gesellschaftssystemen überlebt hat. Ein Auszug aus der Beschreibung beim bekannten Branchenriesen:

Sein Lebensprinzip Schwejk bedeutet, sich dabei von äußeren Umständen nicht entmutigen zu lassen, sondern sie mit Fantasie, Mut und ehrlicher Beharrlichkeit zu unterlaufen und ad absurdum zu führen, um mit Überzeugung handeln zu können.

Hat was, gefällt mir. Konnte ich eigentlich immer recht gut, auch in harten Zeiten. Ein wenig mehr Mut hätte ich mir schon öfter mal gewünscht, aber es ist ja (hoffentlich) noch nicht aller meiner Tage Abend. Und irgendwie passt das folgende Filmchen oder besser, der Begleit-Text auch zum Thema. Wer sucht, findet, Achtung Neugier. Der Autor nennt sich „Gerte Gottes“ Noch Fragen? 🙂

„Das grösste Schwergewicht. – Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nach schliche und dir sagte: „Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Große deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in der selben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!“ – Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: „du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!“ Wenn jener Gedanke über dich Gewalt bekäme, er würde dich, wie du bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei Allem und Jedem „willst du dies noch einmal und noch unzählige Male?“ würde als das grösste Schwergewicht auf deinem Handeln liegen! Oder wie müsstest du dir selber und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung und Besiegelung? –“

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Momentum

Vor Stunden war ich wählen, anschließend noch im botanischen Garten unserer Stadt. Farben satt, die ich auf einigen Bildern festzuhalten versuchte. Auf dem Heimweg dann, am Rande unseres Quartiers, fast wäre ich vorbei geradelt, sah ich meinen ganz persönlichen Favoriten des Tages.

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So unterbreche ich meine Fahrt und halte den Augenblick fest, während ich über so viel Beharrlichkeit staune. Zähigkeit und Bescheidenheit fallen mir auch dazu ein. Mit viel fachlicher Pflege kann jeder groß und bunt, denke ich, aber so – Respekt!

Die Beharrlichkeit ist ja die große, erwachsene Schwester der Sturheit, so wie alles Licht in unserer dualistischen Denkweise seine dunkle Entsprechung hat. Interessant auch, was der Suchende im Netz dazu alles findet. Ein Auszug:

„Die Gründe für Beharrlichkeit können unterschiedlich sein, so zum Beispiel:

  • eine grundlegende Charaktereigenschaft,
  • ein vorausgegangener Treueschwur oder
  • der unbedingte Wille (Absicht) ein bestimmtes Ziel zu erreichen.“

(Quelle: https://www.wertesysteme.de )

Ok, geschworen habe ich nichts. So mag mich dieses Pflänzchen ansprechen, weil Beharrlichkeit mutmaßlich eine „grundlegende Charaktereigenschaft“ meinerseits darstellt. Auch hat es den unbedingten Willen, ein bestimmtes Zeil zu erreichen – wobei eben dies mit Schwierigkeiten ganz anderer Art verbunden ist. Erst einmal finden, ein solches Ziel. Auf welche Gedanken solch ein Mauerblümchen Mensch bringen kann…

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Banales am Rande

Draußen ist mächtig Herbst und die Bäume in unserer Straße blättern ordentlich. Öfter mal verirren sich einige vertrocknete, gelb-braune Zeitzeugen des Sommers in`s Treppenhaus, um dann von einem der überschaubaren Bewohnern der alten Burg wieder nach draußen zu seinen Artgenossen befördert zu werden. Das ist o.k, kümmern sich dann die gewaltigen Saugeautos der Stadtwerke um ihresgleichen.

Eines jedoch hat es vor, na ja, vielleicht 10 Tagen bis in unseren Korridor geschafft. Als blinder Passagier unter vermutlich meinen Schuhsohlen, heimlich, still und leise. Seitdem liegt es in eine Ecke und freut sich, beim letzten Staubsaugen wieder übersehen worden zu sein. Es ist nicht etwa so, als hätte ich das nicht bemerkt, im Gegenteil. Sonst würde ich auch kaum diese leicht sinnfreien Zeilen schreiben. Eher bin ich der Ansicht, dass soviel Beharrlichkeit schon belohnt werden sollte, darum liegt es weiter dort und wird so langsam ein fester Bestandteil der Korridor-Deko.

Die Liebste sieht das übrigens auch so, wie wir gestern  feststellten.
Das Leben ist ernst genug …

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