Mittwoch, 201230

Ruhe und Stille. Jetzt. Das ändert sich gleich, wenn für den Jahreswechsel der Kühlschrank gefüllt werden möchte. Unvermeidlich, das, und wieder eine Gelegenheit zum üben, in Sachen Geduld und Liebe deinen Nächsten. Wie dich selbst. Bekomme ich das hin? Wenn ich es mir bewusst mache, ja. Mir selbst tröstende und beruhigende Gedanken spende. Klarheit lebe, zwischen gebotener Zurückhaltung und zeitweiser Offensive, je nach Gebot der Stunde. Wenn ich mir meine Zeit nehme, am frühen Morgen, so wie hier und jetzt oder wie gleich, bei meinen Übungen. Meinen Körper spüre, fühle, was mein Geist mir weismachen möchte, den wilden Affen da oben am ausgestreckten Arm toben lasse, bis er die Lust daran verliert. Chef ist er nicht, der so genannte Verstand. Eine wichtige Instanz, aber es fehlt ihm an Mitgefühl, er ist von Haus aus ein kalter, berechnender Geselle. Heute ist er darum ein stiller Beisitzer, der gerne um Rat gefragt wird, aber darüber hinaus eben nicht Chef ist.

Nein, ich habe keine Lust, das Jahr 2020 in Schriftform feierlich abzuschließen. Jetzt jedenfalls nicht. Vorsätze für 2021 gibt es auch keine. Heute ist der Tag, mit dem ich klar kommen möchte. 24 Stunden reichen völlig aus und sind überschaubar. Pläne? Nur grob, was die physische Existenz angeht. Darüber hinaus bitte ich um Führung, für eben diesen Tag. Gut ist.

Sonst so? Wäre ja toll, wenn man ein gutes Gefühl, einmal gespürt, konservieren könnte. Portionieren, einkochen oder einfrieren, für schlechte Zeiten oder so (der schwarze Vogel kichert gerade leise und feixt mit dem Suchtschwein, nebenan). Aber – wer es dennoch versuchen möchte, hier ein ganzer Vorrat an Stille, zum mitnehmen.

Bitteschön 🙂

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Freitag, 200911

Immer wieder.

Wenn am frühen Morgen die Nase trotz Spülung nicht wirklich frei ist, die Bronchien das atmen erschweren, wenn die Energien nicht fließen wollen. Wenn die Nachtschatten nicht weichen wollen. Wenn Gelenke und Sehnen schmerzen.

Die gute halbe Stunde Übung schafft Linderung, einen etwas besseren Energiefluss. Ein wenig mehr Zuversicht für den Tag, ein wenig mehr Vertrauen in das Leben.

Eigentlich ist es einfach. Einfach anfangen. Die Trägheit überwinden. Das Phon weg legen und sich für eine Weile nicht mit den Leben der anderen beschäftigen. Anfangen ist immer die größte Hürde, gleich neben dem Vertrauen auf die langsam einsetzende Wirkung, gefolgt von der Geduld, sich Veränderung regelrecht zu erarbeiten, langsam, in Ruhe. Die Befindlichkeit – ohne sofort wirkende Chemie – zu verändern, dauert eben, geht aber.

Ein kleines Wunder.

Sonntag 200524

Während meinen morgendlichen Übungen halte ich teils die Augen geschlossen, um ein besseres Gefühl für die Dehnungen in meinem Körper zu bekommen. Hören und fühlen also. Das Fenster ist auf und so dringen die Straßengeräusche des Kiezes an meine Ohren. Kinder lachen, Hunde bellen, hier und da ein Auto, das vorüber fährt. Jemand lacht wiederholt unglaublich dreckig und schadenfroh. Ich lasse die Geräusche vorüber ziehen, ebenso den kurzen Anflug einer Wertung (…möge der Lacher seine Medikation doch ändern). Sonntag auf dem Ölberg.

Sonst so? Zustände, die wir als „normal“ werten, also vor Corona, wird es m.E. frühestens Anfang übernächsten Jahres wieder geben. Und ja, es ist nur ein Virus und sonst nichts. Ja, es wird Versuche geben, unsere bürgerlichen Freiheiten dauerhaft zu beschneiden. Das ist machtpolitisch verständlich, aber nicht gut zu heißen. Ja, ich vertraue auf die Macht unseres obersten Gerichtes, genau dies zu verhindern. Ja, ich vertraue darauf, das die politischen Verhältnisse nicht wie in Amerika ausufern.

So, fünf nach Zwölf …

Eine gute halbe Stunde

So 30-40 Minuten dauern sie, meine morgendlichen Übungen. Die liebe Anna, die ähnliches für sich selbst übt, hatte die Idee, das gemeinsam mit mir aufzuschreiben und zeitgleich zu veröffentlichen.

Meine Übungen bestehen aus einem Mix von so genannter HWS-Gymnastik sowie teilweise in`s Dynamische geführte, altbekannte Yoga-Übungen wie zum Beispiel das Dreieck, dynamisch durchgeführt (manche nennen sowas auch „Power-Yoga“). Der bekannte „Baum“ lässt sich auch dynamisieren, immer im Kontext mit der Atmung, wie bei allen anderen Übungen auch. Vieles geht aus dem Stand heraus, manches auf dem Boden wie die guten alten Planks oder der Vierfüßler-Stand, als Variante auch dynamisiert. Ferner finden sich Vorbeugen aus der Rückenlage, dynamisch mit angewinkelten Beinen oder klassisch statisch aus dem Langsitz heraus als reine Yoga-Übung (An alle „echten“ Yogis: Ich kann mir keine wohlklingende indische Bezeichnungen merken…). Das „Maß“ der Dinge sind meine Atemzüge, sie dienen als Einheit bei allen Übungen. In der Ruhe atme ich vielleicht 6 Mal in der Minute ein und aus, in der Dynamik natürlich mehr. Die Reihenfolge der einzelnen Übungen variiert von Tag zu Tag, das hat seinen zusätzlichen Reiz und verhindert zuviel Wiederholung. Was ist bei alledem sonst noch wichtig – auf der rein körperlichen Ebene? Bei Übungen aus dem Stand zur Vermeidung eines Hohlkreuzes Becken nach vorne und Bauchnabel zu den Wirbeln ziehen und – ganz allgemein – Respekt vor Dehnungs- und Schmerzgrenzen. Die HWS-basierten Übungen sind dem Verschleiß der Nackenwirbel mit seinen Auswirkungen (Rippenblockaden ect.) geschuldet und halten mich auf ihre Weise beweglich und Beschwerde-frei.

Was macht das mit mir?

Vielschichtig – zum einen habe ich einen leichten Schlaf, bin des Nachts oft heftig in Traumwelten unterwegs, so dass ich am Morgen zwar aufstehe, aber weder im hier und jetzt noch wirklich bei mir bin. Die Übungen helfen mir, mich wieder im so genannten Tagesbewusstsein einzufinden, mich neu zu erden. Auch helfen sie mir, mit meinem so langsam älter werdenden Körper Freundschaft zu schließen, ein Prozess, der wie so vieles andere täglich wiederholt werden möchte, wichtig, weil mir die Jahrzehnte der gelebten Autoaggression (nichts anderes sind Süchte) noch gut in Erinnerung sind.

Dann hat diese Zeit am Morgen auch meditativen Charakter, ich bin jedes Mal erstaunt, in welchem Maße sich zu so früher Stunde schon die Herausforderungen des Tages in mir breit machen möchten. Die Zentrierung auf den Atem und auf die Übungen schaffen Ruhe im Geist, ähnlich wie bei der zwar nicht so regelmäßig praktizierten, aber immer sehr hilfreichen, nicht Objekt-gebundenen kontemplativen Sitzmeditation. Dazu kommt das Üben des Gleichgewichtes, Balance halten – was sich durch die Wechselwirkung auch auf das seelische Gleichgewicht überträgt.

Ein anderer, für mich nicht zu unterschätzender Aspekt ist die mit den Übungen verbundene Disziplin und Konzentration. Von Haus aus halte ich mich zumindest in Teilen für träge, faul und disziplinlos. So kann ich hervorragend ganze Tage vertrödeln, wenn ich mir selbst nicht eine Form von Struktur schaffe, mich selbst nicht bewusst in Disziplin übe. Boheme stand mir immer nahe, mit und ohne Stoff und trotz ununterbrochener Erwerbstätigkeit.

Schlussendlich bietet diese gute halbe Stunde mir die Gelegenheit, mich bei meinem Schöpfer zu bedanken, mich mit SEINEM Willen anzufreunden und um Führung zu bitten.