Montag, 220530

Schon wieder ein 30ster Mai. Was hat dieser Tag mit meinem letzten Eintrag zu tun? Möglicher Weise viel, hätte der 30 Mai 1943 so nicht stattgefunden, wäre meinen Eltern zumindest ein großer Teil ihrer Traumata erspart geblieben. Hätte, wäre, sollte – vergiss es. Es war so. Und hoffentlich wiederholt es sich nicht mehr. Selbst bemerke ich die gravierenden Unterschiede in meiner Wahrnehmung, wenn ich vergleiche, der 80er und heute. Damals tanzten wir mit vollem Arsch auf Gräbern – die Bedrohung wie die gruseligen Erzählungen oder besser Stimmungen, erzählt wurde nicht so viel – war Alltag, Deutschland Frontstaat, potentiell. Na und?

Heute ist anders. Trocken, Nüchtern, abstinent lebend und dazu knapp 40 Jahre älter ist der kalte Schauer präsent, weil der Geist die Bilder der Gegenwart mit den gefühlten Erinnerungen von damals abgleicht. Wenn die Angst auf ihren Platz verbannt ist, also irgendwo weiter hinten, da darf sie bleiben, und nur dort, weil Chef ist sie nicht, wenn also die Angst auf den rechten Platz verwiesen wurde, dann bleibt das Gefühl, dass alles so sein muss, wie es ist und wie es wird, komme, was da wolle.

Sonst so? Fatalismus geht auch nüchtern, hilft zwar nicht viel, sorgt aber für Ablenkung – und wenn es nur dieses alte Scheißlied ist (Das Original durfte ich mir als Kind oft genug anhören…)

Donnerstag, 220526

Himmelfahrtstag, der Gedenktag zum Wiedereintritt Jesu in das geistige Reich. Fundstück zum Tag:

  • In der heutigen Theologie herrscht dahingehend Übereinstimmung, dass „Himmelfahrt“ kein „Ortswechsel“[5], keine Art „Weltraumstart“[6] ist und Jesus nicht als „Raketenmann“[7] dargestellt werden soll.
    Quelle

Danke für die Klärung, Wikipedia.

Sonst so? Es ist still, von der jammernden Katze vor der Tür mal abgesehen, das ist immer so, wenn die Liebste mit nem Korb Wäsche dort verschwindet. Weltuntergang, das arme Tier. Anders herum funktioniert das übrigens auch: Komme ich heim, höre ich schon ihre Begrüßung unten auf der Straße. Dem alten Mann dagegen geht es am Arsch lang, ob jemand kommt oder geht – mit Ausnahme aller mehr oder weniger Fremden, ankommend, er hasst Besuch, was ich zeitweise gut verstehe.

Darüber hinaus steht ein verlängertes Wochenende an. Mit Büro-Arbeit, vor der ich mich schon lange drücke: Anmeldeformulare für Altenheime. Die damit zusammenhängenden Diskussionen und Emotionen erspare ich der Öffentlichkeit. Es macht jedenfalls etwas mit mir, und nicht wenig, von den Betroffenen mal ganz abgesehen. Einsicht und Klarheit herrschen dort jedenfalls nicht, was dieses Thema angeht. Es mangelt ganz offensichtlich noch an entsprechenden Leidensdruck, man kennt das. Für mich wieder mal Zwiespalt – trachte ich doch Leiden vermeiden zu können. Den Dingen einfach mal ihren Lauf zu lassen, ist nicht meine Art, aber manchmal unumgänglich, damit sich etwas bewegt. Hat sich in anderen Lebensbereichen für mich durchaus bewährt. Man wird sehen.

Genug der getragenen Ernsthaftigkeit, zurück zum Katzencontent. Das Jungtier ist ein Mädchen vor dem Herrn. Mal kommt sie Tage- bis Wochen lang nicht zu mir, des Nachts, und dann von jetzt auf gleich jede Nacht ein halbes Dutzend Mal. Auch am Tage klebt sie zeitweise an mir, so geschehen gestern. Nach einer Stunde Sofa setze ich mich auf, nehme mein Phon zum lesen. Fataler Fehler, stellt sich Madam doch auf die Hinterläufe, Vorderpfoten von hinten auf meine Schultern und klagt mir derart herzerweichend ins Ohr, dass ich augenblicklich das lesen verschob. Sie ist die Fell-bewachsene personifizierte Launenhaftigkeit, aber wir lieben sie sehr.

Hier mit beginnender Mordlust, etwas Beflügeltes betreffend.

~

Mittwoch, 220525

Geschäft & Moral
Achtung – Provokation & Polarisation

Die Ampel-Koalition hat eine neues Ziel in der Welt des Bösen ausgemacht: Nach Russland nun China. Alles richtig, Menschenrechte haben dort nicht so einen Stellenwert wie hierzulande. Wir sind also die Guten, zumindest besser, oder? Ok, ich will jetzt nicht noch weiter differenzieren, obwohl – geht es doch auf bayrischen und sächsischen Polizeiwachen möglicherweise etwas weniger nett zu als in „westdeutschen“ Wachen. Fallzahlen bitte und Faktencheck. Und Konsquenzen – wenn schon, denn schon.

Gehts noch? Ich will, dass die Menschen meines Landes in Lohn und Brot stehen. Hat eigentlich einer von euch selbsternannten Moralisten darüber nachgedacht, was hier so los sein wird, wenn alle Geschäfte mit Staaten, die erwiesenermaßen Menschrechte verletzen, eingestellt werden? Dann gibt es demnächst auch kein Gas mehr aus irgendwelchen Emiraten. Wie darf es dann anstelle dessen sein? Autarkie a la Holzvergaser oder was? Für mich gilt immer noch „erst das Fressen, dann die Moral.“ Und wer sich jetzt empört, hat gute Gründe dazu, so viel ist sicher. Viele von euch verurteilen mit Recht die Menschenrechtsverletzungen in den betroffenen Staaten, sind aber zeitgleich ebenso lautstark zu hören, wenn es darum geht, die territoriale Integrität eines Staates zu bewahren. Mal unter uns – kann mir jemand sagen, wie man zum Beispiel 1.4 Milliarden Menschen basisdemokratisch zusammenhalten soll? Glaubt das jemand? Ich nicht. Und nein, ein Knüppel ist auch für mich keine Lösung. Ich habe schlicht keine Lösung.

Ebenso keine Lösung kann es sein, dieses Thema dem rechten Rand zu überlassen. Überschlagsrechnung (Achtung, aus der Hüfte geschossen)? Pro 100000 Arbeitslose mehr entspricht 1% Plus für die selbsternannte Alternative. Inflation über 10%? Zuschlag für eben solche Partei, die am Ende mit der Union ins Bett steigen wird. Politik ist eine Hure. Darum besser keine als Doppelmoral und Ruhe im Land bewahren (wie gesagt, Provokation).

So. Eine jede, ein jeder, die/der jetzt meint, so ginge ja jetzt auch nicht, dem gebe ich uneingeschränkt recht. Aber wie sollte es denn dann gehen? Und bitte bedenken – jede Lehrkraft, jeder Angestellte im Gesundheitswesen, jede Verwaltung, jeder Rentner, der Großteil aller inländischen Dienstleistungen, alles will finanziert werden. Auch wenn das heute in Vergessenheit geraten ist – wie leben von Produktion und Handel – für den Binnenmarkt, aber auch international.

Am meisten stört mich diese unglaubliche moralische Überheblichkeit, mit der all dies angegangen wird. Eigene Weste denn wirklich rein? Stichworte Frontex und Flüchtlings-Pufferstaaten in Nordafrika. Wir sind die Guten?

Viele Worte ohne Anspruch und Hoffnung auf Veränderung. Die Zeit, sie ist jetzt gerade so. Es findet sich, soviel ist sicher.

Sonntag, 220522, am Abend

Eine kleine Runde, Füße vertreten. Luisenfest im Städtchen, nur mal geschnuppert, viel zu voll und zu laut, Zugangskontrollen inbegriffen. Nichts für mich. Lieber den Nützenberg hinauf, schon besser hier, im schattigen Grün. Unspektakulär und beschaulich. Ausklang eines Sonntags.

Beifang: Der hier mag seine Gründe haben, sein Antlitz zu verbergen. Aber malern nach Gefühl? Wenn das Tuch weiter gnädig verborgen hält, was nicht gesehen werden soll, dann braucht er sich das Ergebnis ja nicht anzuschauen. Ohne Sinn, aber Kunst. Oder auch ganz anders, wer auch immer begrünte den Verhüllten und drückte ihm im Nachgang das Werkzeug in die Hand. Was weiß ich.

Musik zum Bild?
Wirf ein warmes Licht
auf mein Ungesicht…

Sonne hat es ja.

*

Sonntag, 220522

Es gibt nichts zu berichten, aber das Datum gefällt mir. Zeit zur Kurzweil hat es auch gerade, da kann Mensch ja mal schreiben, auch wenn er gerade keine klugen Gedanken hat. Andere verdienen da sogar Geld mit, dann sollte es mir der Zerstreuung halber auch möglich sein. Bis zum Punkt waren das immerhin 47 Wörter, 271 Zeichen, davon 46 Leerzeichen. Geht doch, aus mir könnte sonst was werden.

Aus gegebenen Anlass: Faszination älter-werden. Bärte, die in Ruhe reifen durften und Stimmen, die das dito taten. 1980 wurde ich „volljährig“, musste aber noch viele Jahre in einigen Etablissements den Ausweis zur Bestätigung meiner kalendarischen Reife vorzeigen. In Kürze werde ich 60 und die Leiden der jungen Grinsekatz haben sich zumindest optisch in Segen gewandelt, gehe ich doch an guten Tagen für Anfang/Mitte 50 durch. In Sachen Etablissements bin ich wählerisch geworden, Reife ist, so scheint es, entgegen früherer Überzeugung wohl doch ein wenig mehr als ein Zustand kurz vor der Fäulnis.

Damals …
… und heute
Ok, mit obigen Haarigkeiten kann ich eher nicht mithalten und mit der Stimme wird das auch nix mehr. Netter älterer Herr passt dennoch irgendwie …

~

Samstag, 220521

Pflicht vs. Liebe

Charakter entwickelt sich durch die Erfüllung unserer täglichen Pflichten. Gehorche der göttlichen Eingebung und gehe unbeirrt deines Weges. Verfalle nicht in den Fehler, „Herr, Herr“ zu rufen, ohne die Dinge zu tun, die getan werden müssen. Zwar bedürfen wir Menschen stets des Gebets und der inneren Versenkung, aber dabei müssen wir trotzdem unsere Arbeit tun und unser Tagewerk pflichtgemäß verrichten. Der Mensch ist weise, der sich inmitten seiner Geschäftigkeit Zeit zur Muße nimmt und geduldig auf Gottes Führung wartet. Wer der göttlichen Eingebung gehorcht, der findet inneren Frieden.

Quelle

Selbst bei mir wecken diese Worte erst einmal leichten Widerspruch, erinnern sie mich doch stark an das evangelikale „bete und arbeite“. Und auch, wenn es in meinem Leben mal eine lange Zeit gegeben hat, in der ich mich über solche Aussagen lustig gemacht und dabei laut „Prost“ gesagt habe, weiß ich heute im Nachgang doch, so ist es.

Meine Pflicht tun – kann das ein Akt der Liebe sein? Als Mensch mit Trigon Sonne-Saturn im Geburtshoroskop weiß ich um die Macht von Verbindlichkeit und Beständigkeit. Meine Mutter tut ihre Pflicht, sagt sie. Ich tue die meine im Sinne des vierten Gebots. Du tust mehr als deine Pflicht, sagt die Liebste, das ist Liebe, was du tust. Mag sein, aber das blende ich aus, wenn ich mittendrin bin. So selbstlos, wie das alles manchmal scheint, ist es, denke ich, nicht. Es gibt etwas zu lernen, für mich. Erkenntnisse über das Alter, über die Hilflosigkeit, über Bedürftigkeit und allen damit verbundenen inneren und äußeren Widerständen. All dies registriere ich unterhalb der ausgeübten Pflicht, nehme es meist still zur Kenntnis. Nichts geschieht ohne Grund, so viel ist sicher.

Sonst so?

Es bewegt sich derzeit nicht viel, so scheint es. Von der Arbeit mal abgesehen, dort bin ich derzeit ganz auf mich allein gestellt, derweil mein arabischer Lieblingskollege aushäusig beschäftigt ist. Danke, Herr, für das besagte Trigon (siehe oben) sowie für ein mittlerweile recht dickes Fell, gepaart mit einem für manch einen gewöhnungsbedürftigen Humor, ein Gemenge aus Sarkasmus und Fatalismus. Last not least – Danke für meinen Kündigungsschutz, irgend einen Vorteil muss das älter-werden ja haben.

Und – in Erinnerung an meine zahlreichen Lehrerinnen und Lehrer (Boah, gegendert!), ich könnte euch versichern, so ihr denn noch leben tätet – es ist noch mehr als genug von mir übrig, auch wenn ihr mich einst in Teilen komplett abgeschrieben habt.

Montag, 220516

Montag früh
spätes Essen am Abend zuvor
Vollmond
Blutmond
kleine Kapitulation vor der Schlaflosigkeit
vor den wüsten Träumen

Noch wirkt die Meditation, die allmorgendliche Übung fein nach, die heute früh auch etwas länger dauern durfte. Eine Wohltat für die Seele, Geist und Körper. Eine gute Zeit für ein paar dürre Zeilen, bevor das Tagewerk mich wieder in Beschlag nimmt.

Sonst so?
Gedanken zum jagen und sammeln.
Beim Wassertiger, falls.

Und – Fundstück aus Übersee,
passend zur Nacht.
Greta der anderen Art.
Ohrwurm to go.

Feeling
Oh god, the feeling
We need some healing
We need some healing
God knows if you feel defeated
You have been cheated
You have retreated

~

Freitag, der 13te – 220513

Sehr müde, aber guter Dinge, wenn auch nicht weil, sondern eher trotzdem. Guter Dinge ist gute Laune light, also die altersgemäß gesetzte Form der guten Laune. Soweit die Definition – gesetzt beinhaltet aber durchaus Augenfalten-gekränzte Lachanfälle, irgendwo müssen die gewaltigen Krähenfüße ja herkommen, als stilistische Ergänzung zu den Tränensäcken.

Wohlan, Millieu-Studie.

Wir müssen aufräumen, irgend ein wichtiges Audit steht an. Wir – das sind mein arabischer Lieblings-Kollege und ich – Last Man standing sozusagen. Und so werden Schränke abgerückt, Fensterbänke, die seit langen Jahren keines Blickes mehr gewürdigt wurden, von komischen Sachen befreit und via Druckluft entstaubt (ich weiß, das geht auch feiner, aber nicht unbedingt schneller). Ecken werden sichtbar, von denen wir nicht mehr wussten, dass es sie gibt und Dinge tauchen auf, die mindesten, wenn nicht noch länger keiner mehr vermisst hat

So etwas hier zum Beispiel.

Wir stehen staunend umher ob der gesegneten Qualität des Objektes, im Vergleich mit dem Alu – und Plastikgelumpe der Gegenwart. Das Ding taugt sogar zum Eis hacken, meine ich. Der Kollege ergänzt, Scheitel ziehen ginge auch gut, wenn nur erst einmal ein Besenstil in dem passenden Format gefunden sei. Ein MUFU-Werkzeug gewissermaßen, Multi-funktionell eben.

Dann stehen weitere Veränderungen an, wir sollen geheim werden, falls mal die Russen kommen. Oder sonst wer. Zugangsberechtigungen sollen verteilt werden, damit Kleti und Pleti sich gefälligst demnächst anmeldet und nicht mehr einfach so herein schneit. Wir wären zwar nicht machtlos, siehe frisch entdecktes MUFU-Werkzeug, aber es soll ja alles seine Ordnung haben. Und so überlegen wir passende Beschilderung der Türen (es hat historisch gewachsen mehrere) Vor meiner Tür soll „Hier kein Zutritt„. Aha, sage ich, dann kommt bei dir „Hier auch nicht“ hin und Ruhe ist. Ideal wären gechipte Türen, jede Freigänger-Katze hat so etwas, aber was das wieder kostet. Wir werden sehen, vorerst ist Wochenende und die Scheiß-Pause ist auch wieder vorbei. Letze Runde mit beiden Händen …

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Die letzte Reise… — Mijonis chaotische Welt

Im Namen meiner Geliebten Mama &‘ Oma, werde ich euch nun ein paar Worte hinterlassen. Ich bin Mi oder wie Mama immer geschrieben hat, Die große. Unter dem letzten beitrag haben es schon einige von euch gelesen, meine wundervolle &‘ liebenswerte Mama hat in der nacht vom 06.05.2022 auf den 07.05.2022 ihren frieden in aller […]

Die letzte Reise… — Mijonis chaotische Welt

Du warst so etwas wie mein astrologischer Zwilling, fast genau 12 Jahre jünger. Wie ich in einem Tigerjahr geboren, im Sternbild Zwillinge und dito Aszendent Löwe. Neben den dieser Konstellation zugeschriebenen Neigungen verband uns ein Hang zur Misanthrophie, mit dem wir beide nicht sehr glücklich waren/sind. Du bist mir, uns vorausgegangen, darfst jetzt schauen, wie es ist, auf der anderen Seite. Ich wünsche dir von Herzen Frieden ❤