Gar nicht so einfach

Das ist es wahrlich nicht, einfach, ein besserer Mensch zu werden. Was heißt das denn eigentlich genau? Für mich, denke ich, ein wenig friedfertiger, ein wenig mutiger und ein wenig selbstloser zu werden. Klingt ganz einfach, oder?

Wenn, ja wenn nicht Nett die kleine Schwester von Scheiße wäre, für viele Menschen. Parke ich mein eh schon kleines Auto zu dicht an dem Vordermann, um weiter hinten noch Platz für einen anderen zu lassen, macht es der hinter mir mindestens ebenso und ich steh da mit meinen 20 Zentimetern an der falschen Stelle. Vorne 10 und hinten dito, was das ausparken auf satte 5 Minuten verzögert. Oder ich öffne mich einem Kollegen zu vertrauensvoll, dann ist mir die nächste Unverschämtheit oder die nächste Neid-Attacke mehr als sicher.

Was mir also bleibt, ist meinen Nimbus zu pflegen. Bleibt mir alle vom Leibe, am besten. Ausnahmen bestätigen die Regel der Unberührbarkeit. Meist reicht es schon, mit einer gewissen Ernsthaftigkeit durch die Tage zu gehen, was Anflüge von Heiterkeit nicht ausschließen muss. Den Tratsch, der überall dort zu finden ist, wo Menschen arbeitsteilig und oftmals sinnentleert schaffen müssen, zu meiden ist auch hilfreich. Härte zeigen, dort, wo es nötig ist. Wie gesagt, Nett und seine Verwandtschaft … das gilt auch für manche Nationalitäten und Charaktere, für die eine gewisse Grundfreundlichkeit sogleich Schwäche anzeigen kann.

Was bleibt, ist die nicht ganz unberechtigte Hoffnung, kein griesgrämiger, alter Mann zu werden, der wütend ganze Kapitel in der Bibel rot anstreicht. Kriege ich hin, versprochen !

Für alle, die damit nicht klar kommen,
gibt es auch noch etwas feines:

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Sommer-Intermezzo im April

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Heute Abend wird es wieder nach gegrilltem Hammelfleisch duften, hier in den Hinterhöfen unseres Kiezes. So sehr mir die Enge hier in den Straßen und das Benehmen mancher Jung-Osmanen manchmal auf dem Nerv geht, (Ok, es gibt auch ebensolche Jung-Germanen, das muss fairerweise betont werden), so sehr liebe ich die Stimmung an solchen warmen Abenden. Stimmen-Geschnatter, Kinderlärm auf manchem Trampolin bis spät in die Nacht, unzählige Grillfeuer, die dazu anhalten, die Fenster besser geschlossen zu halten. Allem Chaos und aller Anarchie hier zum Trotze ist das immer noch die Heimstatt der Wahl hier, für uns.

Bürgerlich kann jeder 🙂

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Fundstück

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Eine alte SD-Speicherkarte erinnert an ein längst verliehenes Buch. Über meinem Schreibtisch hängt ein Bild von ihm, der ebenso hier in dieser Stadt lebt, neulich seinen 95sten Geburtstag feierte und dem es nach einem so langen, Ereignis- und zumindest in jungen Jahren entbehrungsreichen Leben nun immer noch relativ gut geht.

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Ich mag seine Augen und seine Art, zu schreiben … im genannten Buch geht es um die Tatsache, dass es mit hohem Alter recht einsam werden kann, wenn die Gefährten alle gestorben sind. Er hat aber auch Romane, Gedichte und Theaterstücke geschrieben und war ein Spätstarter, was das schreiben angeht.

Karl-Otto Mühl,
Totenwache : Abschiede

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Erster Frühlingssonntag

Wir nutzen den Tag und machen einen kleinen Ausflug auf die Wuppertaler Südhöhen, zu unserem Toelleturm. Der ist sozusagen der Mercedes unter den Wuppertaler Türmen, weil er einerseits an exponierter Stelle stehend einen sehr schönen Fernblick bietet und weil er andererseits anders als viele andere, schöne, alte Türme hier Ende der 80er Jahre nach mehreren halbherzigen Versuchen erstmals gründlich saniert wurde.

Weht oben die Wuppertaler Stadtfahne, ist der Turm geöffnet, so wie heute.

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Innen macht er ein wenig schwindelig …

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Auf der Aussichtsplattform steht eine Tafel zur Orientierung.

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Ein Blick nach Westen, leider verhindert der Dunst die Aussicht bis in`s Rheinland.

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Nach Osten …

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… und hinunter zum Cafe.

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Das angelaufene Kupferblech der Brüstung…

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Unten der alte Brunnen, dessen Putten leider im Krieg verschollen sind.

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Anschließend gehen wir noch ein wenig in den nahen Wald, der sich mit dem grünen noch ein wenig Zeit lässt. Wenn man bedenkt, dass vor wenigen Wochen noch derber Frost herrschte, ist das nicht verwunderlich.

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Der Wald wirkt, kahl, wie er noch ist, im Sonnenlicht ein wenig gespenstisch silbrig.

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Bizarre Überbleibsel …

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Pauline muss sehr geliebt worden sein …

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Ein schöner Nachmittag mit viel Licht, Luft, und Sonne geht zu Ende und ich bin froh, dass wir die Gelegenheit nutzen konnten.

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Kosmopoliten unter sich

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Wenn ich an freien, sonnigen Tagen des Morgens in meiner Lieblingsecke unserer Wohnhöhle sitze und verträumt versuche, hinaus zu schauen, dann passiert etwas sehr eigenartiges. Von jetzt auf gleich werde ich für einen Moment zu einem staatenlosen Menschen. Natürlich sind entsprechende Dokumente, die das Gegenteil behaupten, nicht mit irgend einer geheimen Tinte geschrieben, die sich beizeiten in nichts auflöst. Nein, denke ich dann, wer solcher Art getönte Scheiben hat, ohne Maßnahmen zu ergreifen, der kann nicht wirklich deutsch sein.

Den Katzen ist es ebenso wurscht. Die Sonne scheint schließlich auch durch getönte Fenster … es müssen ja nicht unbedingt die alten, bunt Blei-verglasten Kneipenfenster sein. Auch der Antipol zum Sündenpfuhl, unsere schöne, bei Sonnenschein durch die neuen Rosettenfenster bunt Licht-geflutete Friedhofskirche, ist nicht wirklich vergleichbar.

Was bleibt, ist zu einen die Gewissheit, doch noch genügend typisch „deutsche“ Neigungen zu verkörpern (das wird zumindest gelegentlich von der Höhlenmitbewohnerin behauptet) sowie die universelle Wahrheit, dass es hier sauber genug ist, um gesund zu bleiben sowie genau recht dreckig, um sich dabei auch gut zu fühlen.

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PS – seht ihr den blauen Geist auf der Fensterbank?
Auch er fühlt sich offensichtlich hier wohl…

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