Freitag, 221014

Vater. Die Bilder gehen mir nicht aus dem Kopf. Ablenkung hilft auch nur bedingt. Mir fallen die Worte einer schon lange verstorbenen Freundin wieder ein. Wenn ich meinen eigenen Körper nicht mehr tragen kann, ist es schnell vorbei. War es bei ihr auch, aber das scheint nicht allgemeingültig zu sein. Dazu ist er recht klar im Kopf, trotz fortschreitender Demenz. Wenigstens erkennt er mich und meine Mutter. Sprechen fällt ihm sehr schwer, Toilettengänge sind unmöglich geworden, mit allen daraus folgenden Konsequenzen, auch mit Blick auf die Personaldecke der Station. Was für ein Elend. Wir waren uns den größten Teil unserer gemeinsamen Zeit nicht grün, aber das habe ich ihm nie gewünscht.

Dazu kommt ein mittlerweile wieder stattlicher Stapel Post, den es abzuarbeiten gilt. Pflegeheim, Krankenkasse, Pflegedienst für die Mutter, alle haben Wünsche. Lesen, verstehen, Rechnungen begleichen, alles scannen und ab in die Cloud, damit alles jederzeit und überall greifbar ist. Hat sich schon so oft als sehr nützlich herausgestellt. Nützlich – machen – kann ich. Nur das Elend kann ich nicht beseitigen. Beten kann ich, aber der große Chef hat seine eigene Vorstellung von Zeit.

Draußen singt ein Vogel wie im Frühling. Junge, stell mal deinen Kalender nach, möchte ich ihm sagen. Mach ich natürlich nicht, zum einen wärs ihm sowieso gleich, ob da ein Mensch was sagt oder nicht, zum anderen gefällt mir sein Gesang. Nach Lage der Dinge bekommen wir hier wohl ganzjährig Wachstumssaison. Urwald bergisches Land oder so. Am Unterlauf der Wupper sieht es eh schon aus wie am Amazonas.

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Freitag, 220211

Eine Kräfte-zehrende Woche geht zu Ende, jedenfalls Freitag. Wie lange ist es her, dass dieser Wochentag ein Grund zm hemmungslosen feiern war? Heute freue ich mich drauf, mal einen Film zu Ende schauen zu können, ein paar Worte mehr mit meiner Frau wechseln zu können oder schlicht früh schlafen gehen zu können. Soweit alles im altersgerechten Rahmen.

Sonst so? Dämonen – ein Begriff für die Leichen im Keller, für unsere emotionalen Abgründe. Es gibt Menschen, die von sich behaupten, keine Dämonen (mehr) zu haben. Mag sein, dass das für einige wenige zutrifft, der große Rest dagegen hat es einfach nur leichter. Bewusstsein ist anstrengend, wer es leicht nimmt, weiß oder spürt, wo er besser aufhören sollte, zu graben, gesegnet sind jene, denen es an entsprechenden Leidensdruck mangelt. Leider ist diese Strategie zumindest für mich nicht sonderlich erfolgversprechend, führt doch Unentdecktes aller Art sein Eigenleben im Schattenreich meiner Seele. Dämonen mögen Versteck-Spielchen, aber am liebsten kommen sie karnevalistisch verkleidet, unter falscher Flagge daher.

Manchmal ist es wirklich nicht leicht, den Fratzen die Verkleidung abzureißen. So frage ich mich mitunter – wie echt ist mein Mitgefühl, meine Anteilnahme, meine Hilfsbereitschaft wirklich? Entspricht dies dem aufrichtigen Wunsch, zu verstehen, erfassen und vielleicht auch helfen zu können oder ist all dies nur Ausdruck meiner zahlreichen Süchte, wie zum Beispiel Geltungssucht oder Liebes-Sucht (die Sucht, geliebt zu werden)? Spätestens dann wird es Zeit für mich, in die Stille zu gehen und nachzuspüren, in den Keller zu steigen, um zu schauen, was dort vor sich geht. Nach einer Weile der inneren Zäsur wird dann schon klarer, was ist. Spüren und annehmen schliesst das alles ab, kleine, für andere oft nicht wahrnehmbare Korrekturen werden gefahren, bis zu nächsten Mal, wenn dieses irgendwie unstimmige Gefühl zum Kellergang auffordert.

Was beruhigt, ist, all dies beschreiben zu können, aber nicht zu müssen 😉

Roman Pestak

So. Das Leben ist ernst genug. Zurück um Tagesgeschehen – weniger ist bekanntlich mehr und durchaus Erfolg-behaftet, wie man sieht:

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