Samstag, 231223

Schwarze, nasse Leichtigkeit

Nasse Füße hat sie, die stählerne Tausendfüßlerin. Ein wenig nachlassender Regen lässt mich eine kleine Runde drehen. Keine Einkäufe, nur so, gehen und die Gedanken leer laufen lassen. Schwarze Nacht und viel Wasser, Menschen auf dem Heimweg und ich fühle mich leicht. Geschenk von oben, denke ich und bin dankbar für mein Leben, wie es ist.

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Das Bild

Myriades Einladung zur Impulswerkstatt – Juli – August 2023
Text zum Bild unter Verwendung vorgegebener „Mosaikstücke“ – maximal 300 Wörter
kein Zeichenlimit, habe ich verwechselt.

Mosaikstück 1: „Spinat“ oder „Erbsen„;
Mosaikstück 2: „Vergraben sollte sie werden …“
– kann eingefügt werden, muss aber nicht.

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Allmählich bildet sich ein kleiner See zu ihren Füßen. Der Regen hatte sie hereingetrieben, sonst wäre sie nie auf die Idee gekommen, dieses Museum zu besuchen, obgleich es an ihrem Arbeitsweg liegt. Fröstelnd zieht sie sich die klatschnasse Stola über die Brüste – uralter Reflex, nasses Shirt und kein BH, die Mutter tat ebenso, da ist es unwichtig, dass sie in dem großen Saal allein ist.

Draußen schüttet es immer noch, und so verweilt sie vor diesem Bild, das sie auf dem ersten Blick entfernt an ein britisches Erbsenmusgericht erinnert. Wenn da dieses Blau nicht wäre. So blau wie das Wasser in ihren immer wiederkehrenden Träumen, Wasser, das sich langsam, aber unaufhaltbar im Zimmer ausbreitet, sich anstaut, sie zwingt zu schwimmen, ihr mit ebenso langsamer wie gnadenloser Endgültigkeit die Luft zum Atmen nehmen möchte. Finales Ertrinken in den eigenen Gefühlen, des Nachts, wenn der Verstand Pause macht.

Rot, das sich ins Wasser stürzt, feuriges Rot, ohne rechte Chance gegen das viele Wasser. Gebremste Lebensenergie, vom Wasser höhnisch gespiegelt. Wie lange noch, denkt es in ihr, während sich ihre Tränen mit den letzten Wassertropfen des Regengusses vereinen. Vergraben sollte sie werden, die Mutter, und ihr Grab vom abfließenden Wasser liebevoll genährt. Sie lässt nach, diese Starre, und während sie langsam zum Ausgang geht, spürt sie zum ersten Mal so etwas wie Freiheit in sich, ein Hauch von Rot.

Donnerstag, 221117

Es regnet, ein gutes Wetter zum ruhen, zum nachspüren, zum Frieden finden. Wenn die Betriebsamkeit allmählich nachlässt, steigt einiges nach oben. Eigentlich auch eine gute Zeit für Hausarbeit, aber die ist immer so laut und die Katzen schlafen so schön. Also lieber am PC sitzen, lesend, schreibend.

Blau

Blau scheint uns der Himmel und das Wasser, in dem sich der Himmel spiegelt. Blau ist auch die Urne meines Vaters, dessen Leben, so oft er konnte, am liebsten draußen stattfand. Fast schmucklos, nur mit einem kleinen silbernen Vogel drapiert. Passt zum Himmel und zum Wasser. Und so auch zu meinem Vater.

Blau war einmal ein beliebter Zustand, das ist lange her. Der letztendlich erfolglose Versuch, irgendwie heimzukommen, vorbei an die innere Leere, vorbei an dem Verstand, vorbei an der Verlassenheit. Blau ist auch abseits vom Rausch ein Gefühl. Tiefe fällt mir ein, eins-sein. Man sagt, Blau sei eine kalte Farbe und doch denke ich irgendwie an Geborgenheit, wenn ich mir die Stille der Ozeane vorstelle.

Abtauchen …

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PS: Da war doch noch was

Ich möchte mich mit dir über deine Zukunft unterhalten 😀

Sonntag, 220306

Alte Bekannte

In meinem Bauch, da wohnt ein Tier. Wenn es sich meldet, zieht sich nicht nur der Magen zusammen, alles andere reagiert ebenso, auf ungesunde Weise. Es hat spezielle Ernährungsgewohnheiten, das Tier. Seine Leib- und Magenspeise (ich höre es gerade leise kichern) sind lose Nervenenden. Es knabbert daran wie an Salzstangen. Der restliche Ernährungsplan ist auch nicht ohne. Vor allem nimmt es zu viel, von allem. Unmaß heißt das, glaube ich. Zu viel Ratio, zu viel Information, zu viel Bilder, zu viel Analyse, zu viel vermeintliche Logik, zu viele natürlich vergebliche Versuche, in anderer Menschen Köpfe zu stecken.

Wir sind alte Bekannte, das Tier und ich. Es wurde zeitgleich mit mir in diese Welt gesetzt. Es ließ sich eine Weile milde stimmen mit einer Menge Alkohol und anderer Sachen. Bis es sich daran gewöhnte, immer mehr Toleranz entwickelte, sozusagen. Es war kein Weg für ein gutes Miteinander und bald lief das Tier zur Höchstform auf, entwickelte sich vom heimlichen zum unheimlichen Machthaber meiner unsterblichen Seele, mit allen gruseligen Begleiterscheinungen. Später dann, viel später fand ich heraus, wie wir miteinander klar kommen. Es ist ein einfacher Satz nur, wenige Worte, die nicht aus meinem Mund kommen, Worte, die gefühlt und nicht gesprochen werden. Worte, die der Stille bedürfen, die aus dem unterlassen aller Aktivitäten wachsen, aus dem zur-Ruhe-kommen alles mehr oder weniger sinnvollen Tuns entstehen.

Ich bin bei Dir, fürchte Dich doch nicht, ich bin immer bei Dir.

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Sonst so?

Ich bin der Kümmerling. Kümmere mich um alles, das macht gutes Karma, glaube ich, keine Ahnung. Hat mit der ersehnten Ruhe nicht viel zu schaffen, ist aber schlicht von Nöten. Bei den Eltern zum Beispiel. Speicher saugen, Keller fegen, Flusensieb säubern, Müll herunter und Wäsche herauf bringen, lästige Korrespondenz in Vollmacht erledigen, so Sachen eben. Zuhause geht es dann weiter, und manchmal bekommt das bizarre Züge.

So geschehen dieser Tage. Die Waschmaschine nimmt kein Wasser mehr. Das war kein böser Wille von ihr, es ging schlicht nichts mehr durch den Hahn hindurch, dauerhaft geschlossen, Dank Kalk und viel Zeit. Also bewaffne ich mich mit einer Schieblehre und versuche, das gülden schimmernde Innenleben zu definieren, soweit man das kann, ohne es zu demontieren. Es gibt bekanntlich eine Menge davon, so können ein paar Zahlen nicht schaden. Damit versehen führe ich Telefonate, mit Handwerksbetrieben auf dem Weg. Nö, sagen die verkaufen tun wir nix, kommen aber gerne gucken. Vielen Dank, kann ich selbst, sage ich und freunde mich mit einem Baumarktbesuch an. Ich mag die Märkte nicht, aber was nützt es. Also hin und suchen und messen, gucken, das rechte finden und wieder heraus, nach Hause. Wasser abgedreht, altes Zeug heraus gedreht, Neues herein, zuvor noch geguckt, ob eine Dichtung dabei ist, Wasser wieder an, nochmal gucken, alles schön dicht. Freude und Danksagung nach oben, ab auf das Sofa, Belohnungsschläfchen.

Derweil irgendwann kommt die Liebste heim. Wach, wie ich mittlerweile bin, höre sie im Bad rumoren, die Wäsche ist ihr Ding. Dann höre ich sie meinen Namen rufen und irgend etwas gefällt mir an ihrer Stimme nicht, also stehe ich zeitnah auf. Gehe ins Bad und sehe sie in einer riesigen Pfütze stehen. Mir rutscht das Herz in die Hose, das Tier freut sich über den Besuch auf der Durchreise nach weiter unten und kichert wieder. Scheiße – Kran gerissen oder was, bist zu blöd zum schrauben? Setze mich, nachdem die Sauerei beseitigt und alles abgetrocknet ist, aufm Klodeckel und beäuge mit Hilfe eines Hand-Flakscheinwerfers den Kran, derweil die Maschine noch einmal das gleiche tut wie gerade eben. Nichts geschieht, alles trocken, der Kran unversehrt.

So langsam zweifele ich an meinem Verstand. Wo kam das verdammte Wasser her? Die Maschine ist relativ neu und kein Billigprodukt, eher unwahrscheinlich, dass da schon was ist. Frage mal nach einem detaillierten Tätigkeitsbericht und höre heraus, dass nach erfolgter Wäsche die Schublade für Waschpulver und so herausgezogen wurde, zwecks einer Säuberung. Ein Riesenteil, das nicht so recht in das Waschbecken passt. Na, schon jemand eine Ahnung? Richtig. Das Wasser muss zum einen Ende hinein gelaufen sein und unbemerkt aus dem anderen wieder hinaus, das außenbords hing. Erinnert irgendwie an dem kaputten Duschvorhang, der alles unter Wasser setzt, nur weil er außen umher hängt…

Toll, Toll, sage ich. Machst hier Gaslighting mit mir, kippst n Eimer Wasser aus und suggerierst mir, zu blöd zu allem zu sein. Wir lachen und selbst das Tier hat Spaß. Immerhin.

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Sonntag, 210912

Der 11te 9te ist vorüber und Amerika erinnert sich, trauert mit Recht beim Gedenken an die Ereignisse vor 20 Jahren. Wessen nicht derart gedacht wird, sind die Folgen der globalen Raserei, zu der der verwundete Goliath global nach den Anschlägen fähig war, letztendlich mit nur minimalen Erfolg, aber zahllosen Toten und Traumatisierten auf allen Seiten in den von den USA initiierten Kriegen. Sie sagen nun sinngemäß, das passiert uns nicht noch einmal, wir haben verstanden, kein Land via Besatzung umerziehen zu können. Man hätte die Mittel und die Fähigkeit, auch anderweitig auf potentielle Bedrohungen reagieren zu können, ohne das näher auszuführen. Wenn ich dem in meinem Kopf nachgehe, bekomme ich Gänsehaut, da ich mit reichlich Phantasie gesegnet bin.

Es ist, wie es ist.

Sonst so? Neulich, vor 8 Tagen, wir stehen am Straßenrand vor unserer Haustür und warten. Kommt ein Nachbar und belädt seinen Kombi, keine Ahnung, irgend etwas stand wohl an, Kunst, Happening oder eine religiös-kulturelle Veranstaltung, ich wollte nicht noch neugieriger scheinen, als ich eh schon bin. Immerhin habe ich mich getraut, zu fragen, ob ich diese merkwürdige Figur bildlich einfangen dürfe, die da gerade reisefertig verladen werden sollte. Die Antwort wurde mir nur zögerlich positiv beschieden, vermutlich war man sich nicht sicher, ob es ihr recht sei, derart verewigt zu werden, der Wasserfee-Göttin, so wurde sie mir vorgestellt. Ok, dachte ich, die hat ja dann auch einiges zu tun, derzeit, und wenn sie ärgerlich wird, dann schüttet es oder es kommt gar nichts, kennt man ja. Darum bemühe ich mich um gebührenden Respekt, der im übrigen nie schaden kann, Glaube hin oder her, Ärger mit Wasser haben und hatten wir bereits genug.

Und noch ein paar Bilder von nebenan …

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Samstag, 210814

Gestern, am Freitag, den 13ten. Ein gutes Datum, einen Tagesausflug zu machen und außerdem unser letzter Urlaubstag. Mich zieht es bei solcher Gelegenheit gerne zum Niederrhein. das flache Land und das Wasser wirken ausnehmend beruhigend auf mich, auch die Entfernung ist passend. Unser Ziel ist zunächst die Kleinstadt Rees. Das Städtchen ist sehr beschaulich, liebevoll wieder aufgebaut, nachdem hier wie andernorts am Niederrhein 1945 kaum ein Stein mehr auf dem anderen stand.

Sehenswert ist die Uferpromenade, Reste eines alten jüdischen Friedhofes, ein Altrheinarm, der größtenteils schon verlandet ist, steinerne Zeitzeugen, Gedenktafeln, einige Skulpturen und jede Menge Kleinigkeiten für den, der danach sucht.

Es ist noch Zeit, nach unserem Stadtrundgang, und so beschießen wir, nach Emmerich zu fahren, 17 Km weiter an der niederländischen Grenze. Hier, wo der Rhein seine maximale Ausdehnung hat, bevor er sich auf niederländischer Seite teilt. Die Stadt ist unspektakulär, eine Fußgängerzone, fast alles Nachkriegsbauten oder rekonstruiert. Es gibt ein Rheinmuseum, das leider geschlossen hat, ansonsten wenig für das Auge, vom Strom mal abgesehen. Die Brücke vielleicht noch, wohl immer noch die längste Hängebrücke der Republik.

Aber – unser Besuch sollte sich dennoch lohnen. DAS Highlight des Tages war unsere Einkehr in eine beinahe unscheinbare Kneipe mit Speisegelegenheit und ein paar Tischen draußen. Beinahe heißt, zur Straßenseite hin sitzt ein großer Trupp Niederländer und lässt es sich gut gehen, sie trinken stramm durch und singen lautstark schmutzige Lieder, deutsche wie niederländische. Wir zögern zunächst, nehmen dann weiter hinten umme Ecke einen kleinen Tisch, hier hört man zwar noch etwas, sieht aber von den Besuchern aus dem gelobten Land nichts mehr. Ich freue mich ob des kräftigen Umsatzes für die Wirte, ein schräges Paar, beide vermutet Mitte bis Ende 60, wirken ein wenig aus der Zeit gefallen, aber ausgesprochen sympathisch und freundlich. Schräg ist im übrigen auch die ganze Kneipe, angesichts des schönen Wetters heute verwaist, was mich das Interieur festhalten lässt.

Das Essen wird erst einmal jeweils dem falschen serviert, wir kennen das schon. Ich bekomme das Schnitzel plus Bier, die Liebste die vegetarischen Tortillas. Nee, andersrum, sage ich grinsend und in meinem Kopf legt sich blitzschnell eine Erklärung für den verständnisvoll lächelnden Wirt bereit:

Kennen Sie die Sonnenanbeter? Bestimmt, das sind diese interessanten Insekten mit den etwas speziellen Sexualpraktiken. Nach vollbrachtem Akt gibt es Nachtisch, ja genau. Aber nur für das Weibchen, das Männchen IST der Nachtisch, für das Weibchen. Mir soll es so nicht ergehen, darum bekommt sie ein Schnitzel, vorneweg, wie Sie sehen, funktioniert es, ich lebe noch …

Ein warnender Blick der Liebsten (man kennt sich) sowie die Vorstellung, von dem Blond-bezopften Alt-68er frech grinsend noch einen schönen Tag gewünscht zu bekommen, lässt mich von solcher Art Gedanken Abstand nehmen. Gibt ja noch den Blog für solcher Art Unausgesprochenes.

Voila ..

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Montag, 210809

Seit gestern wieder im Tal der Wupper, nach 8 Tagen Berlin. Es ist kalt im Westen, locker 4, 5 Grad kälter, Sockensommer halt. Fazit dieser Tage:

  • Es tut gut, am Leben der Familie teilhaben zu dürfen.
  • Der dicke Klecks in der Sandkiste Brandenburgs tickt in so vielen Dingen deutlich anders als West-Germanien. Vor allem im Bereich Wohnen.
  • Geschichte allerorten, ich staune oft, wie viel alte Bau-Substanz noch erhalten ist. Das ließen Aufnahmen unmittelbar nach Kriegsende nie vermuten. Während hier im Westen so viel seinerzeit noch rettbare Bausubstanz abgerissen wurde, scheint in Berlin vieles so gut es ging original wieder aufgebaut worden zu sein.
  • Die verschiedenen Kieze und Quartiere faszinieren mich immer wieder aufs Neue.
  • Auto fahren gehört definitiv nicht (mehr) zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Jede längere Strecke (hier 6 Stunden hin, 6 zurück) hat Kopfweh und Tinnitus zur Folge. Liegt gewiss zum Teil an dem rappeligen Gefährt, aber auch am älter-werden.
  • Jedes Mal Herz-erwärmend, wie die beiden Fellnasen auf unsere Heimkehr trotz liebevoller Versorgung nach ein paar Tagen Abwesenheit reagieren: Völlig unterkuschelt und unterspielt. Sichtbare echte Freude.

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Ambivalenz. Innere Konflikte und Zwiespalt scheinen unauslöschlich zu mir zu gehören. Einerseits und andererseits. Wer schon länger hier liest, kennt diese beiden Worte sicher schon gut 😉 Zweierlei Themen möchte ich anreißen, die mich schon eine Weile beschäftigen:

Industrie vs. Naturschutz.

Als ein Kind der „alten Zeit“ weiß ich um die Bedeutung des Industrie-Standortes Deutschland. Verdiene ich doch seit Jahrzehnten mein Geld in Sachen „irgendwas mit Autos„. Und mit mir viele Millionen Mitmenschen hierzulande. Fahrzeug- Anlagen- und Maschinenbau, Automatisierungstechnik, tragende Säulen unser aller Auskommen neben dem Handel, der für mich ähnlichen Stellenwert hat. Der beste Garant für den inneren Frieden eines Landes ist allgemeines Auskommen, siehe oben, davon bin ich überzeugt. Das funktioniert nicht ohne Wettbewerb und Kommerz, alles und jedes muss sich rechnen, für den, der die Idee und das Risiko trägt, ebenso wie für alle anderen, die tatkräftig daran mitarbeiten. Über die Höhe dessen lässt sich streiten, ich rede hier sicher nicht von den nahezu perversen Gewinnen mancher Wirtschaftsfunktionäre und Börsenmakler.

Manchmal erschreckt mich die Losgelöstheit von diesen politisch-wirtschaftlichen Zusammenhängen mancher Zeitgenossen, die irgendwie vergessen haben, woher all die Segnungen wie Transferleistungen an jene, die nicht für sich selbst sorgen können, die medizinische Versorgung, die vielfältigen helfenden Berufen, dem Bildungswesen, um nur ein paar Stichworte zu nennen, eigentlich kommen? Sie werden erwirtschaftet, das ist Fakt, auch wenn das nicht allen gefällt. Mir gefallen lediglich die Auswüchse nicht, das Prinzip als solches schon. Gott sei Dank besteht die Welt ja nicht nur aus Mammon, es gibt so viel „unbezahlte“ Arbeit, Dienst am Nächsten mit unzähligen Gesichtern aus ebenso zahllosen Motiven jedes Einzelnen. Nur – so genannte Selbstlosigkeit (über den Begriff lässt sich auch streiten) muss Mensch sich auch leisten können, d.h., sein Auskommen muss gesichert sein. Das betrifft jene, die aktiv am Wirtschaftskreislauf teilnehmen ebenso, wie andere, die das aus vielerlei Gründen eben nicht können.

Die andere Seite: Die Gewissheit, es geht so nicht weiter, auch wenn die dramatischen Folgen von Wasser und Feuer in Sachen Klimawandel ein Produkt von weit über 100 Jahren Industriezeitalter sind, teils irreversibel und in der Korrektur sicher ebenso lange brauchen wie in ihrer Entstehung. Das, was heute unternommen wird, um dagegen zu steuern, wirkt sich erst nach sehr langer Zeit aus und leider denken immer noch viel zu Viele „nach mir die Sintflut“. Warum soll ich verzichten, wenn ich nichts davon habe.

Wie passt all dies am Ende zusammen? Ich habe die Hoffnung, dass sich gerade hierzulande die verschiedenen Kräfte zusammenfinden. Naturschutz, Kommerz und unser Standort als Industrienation mit einem fundamental guten naturwissenschaftlichen Bildungssystem, um das uns andere beneiden. Es geht um nichts weniger als unser aller Überleben, ökologisch und ökonomisch. Ansätze gibt es viele, ich beobachte das gespannt. Wenn ich wüsste, welche die richtigen sind, säße ich jetzt nicht hier, sondern würde mich sicher anderweitig beschäftigen 🙂 Beruflich bin ich für meinen Teil ein „Auslaufmodell“ mit einer sehr begrenzten „Restlaufzeit“, aber als Mensch mache ich schon so meine Gedanken, wie es wohl mit unseren Kindern und Kindeskindern weiter gehen könnte. Dabei ergehe ich mich sicher nicht in dystopische Szenarien, sondern schaue eher hoffnungsvoll auf die Möglichkeiten, die sich auftuen, für jene, die noch so viel vor sich haben. Weil – selbst erfüllende Prophezeiungen nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene funktionieren, da bin ich mir sicher. Alles ist Energie – auch schreibend und lesend.

Zum Ende – Mein Herz und mein Gefühl haben auch solche Menschen wie sie in dem Film Wild Plants vorgestellt wurden. Ein stiller, beinahe meditativer Streifen, den ich mir immer wieder mal gerne anschaue.

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Sonntag, 210620

Morgen ist Sommersonnenwende, eine von für mich vier wichtigen Jahres-Zeitmarken, neben der Wintersonnenwende und den so genannten Tag-Nacht-Gleichen, Pari zwischen Licht und Dunkelheit, die sich dann den Tag hälftig teilen und Beginn von Frühling wie Herbst markieren. Derzeit ist jedenfalls das Licht dominierend, fordert zu Aktivität aller Art auf und vertreibt zumindest teilweise auch innere Schatten. Gut so.

Sonst so? Gisela schreibt über tiefe Brunnen, mir gefallen Gleichnisse mit Wasser sehr. So wie Wasser an sich faszinierend auf mich wirkt, auf physikalischer Ebene als der Lebensspender überhaupt sowie in seinem Fließverhalten in der Natur, gelenkt von den geologischen Beschaffenheiten der Landschaften, ober- und unterirdisch. Aber auch auf der Meta-Ebene unserer Seelenleben mag ich das Bild des Wassers, das so oft Zusammenhänge sichtbar machen kann, wo andere Sprachen entweder zu abstrakt, zu verkopft wirken, wie die Psychologie zumindest teilweise, oder wie die Astrologie zu sehr esoterisch verbrämt daherkommt (zu Unrecht, finde ich, ist sie doch das Resultat sehr langer Zeit der Beobachtung).

Wasser auf der Meta-Ebene also. Der Fluss als Sinnbild des Lebensstromes gefällt mir, in seinem Lauf von Quelle bis zu seiner Mündung in einen See, in einem Meer. Mit seiner allmählich wachsenden Größe, seiner sich mit der Landschaft verändernden Fließgeschwindigkeit, seine ruhigen Zonen, seinen Stromschnellen und Untiefen. Auch das Bild des Wassers, bezogen auf seine Reinheit, seine Klarheit oder eben auch als trübes Gewässer, gefällt mir. So wie sich manches „klärt“, wenn es nur lange genug in Ruhe gestanden hat, mal eine Weile nicht bewegt wird.

Es fiele mir noch mehr dazu ein, würde hier nicht mit Recht nach Frühstück gequengelt. Prioritäten setzen also, wie so oft. Musik vielleicht geht noch …

Satz des Tages:

Hier ist ja alles schief!

Levon, 5, aus Berlin, schwitzend den Wuppertaler Nordhang erklimmend.

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Samstag, 201128

Zeitig aufzustehen, hat echte Vorteile. Jetzt sitze ich hier mit Frühstück im Bauch, verdaue vor mich hin, harre dem großen, freudigen Ereignis, bevor es raus geht, den Kühlschrank füllen. Kann ich auch gleich noch einen Blog-Eintrag schreiben… Nach dem Einkauf die Eltern besuchen, anschließend unsere besten, langjährigen Freunde. Sie hat Corona, er Quarantäne – es rückt immer näher. Werde ihnen das Gewünschte vor die Tür legen, rein traue ich mich nicht.

Sonst so? Irgendwo zwischen dem hier…

…und dem hier, weiter unten. Da bin ich noch nicht, könnte ich aber hinkommen. Oder auch nicht. Die Reise geht jedenfalls weiter. Nebel-Land, Fahrt auf Sicht. Aus der schnellen Fahrt auf dem bewegten Fluss ist ein langsames, eher bedächtiges Gleiten durch die zahllos verästelten Arme des Deltas geworden. Alles fließende Wasser mündet im Meer, da kann man nicht viel falsch machen. In Totarmen geraten, lässt sich wenden, stehendes Wasser ist was für Schlammbewohner.

Die Grinsekatz hat mal wieder die besten Antworten:

Mein Avatar kommt nicht von ungefähr.