Montag, 220328

Montag Vormittag, still ruht der See. Ein werkfreier Tag außer der Reihe, der Plan ist, gleich den kleinen Roten vom Winterdreck zu befreien. Spießige Aktion, so richtig mit polieren, Gummi- und Plastikpflege, aber dafür fasse ich ihn auch nur zwei Mal im Jahr an. Sei `s drum.

Gestern und auch Samstag gab es nichts zu schreiben, falls doch, wollte es mir nicht einfallen. Einfach nichts drin , im Nischel (was für ein Dialekt). Keiner zuhause, das kommt vor. Obwohl eigentlich schon das eine und andere lose war. So ist zum einen ein kleines Büchlein auf wundersame Weise zu mir gekommen, beim aufräumen unseres Meeting-Schrankes am Freitag Abend. Wir müssen raus aus dem Raum, dort ziehen Kriegs-Flüchtlinge ein, was für uns alle zusammenrücken heißt, das tun wir gerne. Die kleine Kladde war die ursprüngliche Tagesmeditation der anonymen Alkoholiker, original aus Amerika übersetzt – vor meiner Zeit schon ausrangiert und ersetzt durch vermeintlich fortschrittlichere Lektüre. Heute ist der Inhalt zwar online verfügbar, aber das gedruckte Original ist nur noch sehr schwer zu bekommen. Ich mag diese etwas altertümliche Sprache ebenso wie den Inhalt, der für mich so etwas wie eine geistige Möhre vor meiner Nase darstellt. Als Ideal unerreichbar, aber zum Zwecke des Fortschritts, der Orientierung hilfreich, für mich. So auch der Text zum heutigen Tag:

MEDITATION
Zweierlei Dinge brauchen wir, wenn wir unsere Lebensweise ändern wollen. Das eine ıst der Glaube, das Vertrauen zum Unsichtbaren, zu jenem grundsätzlich guten und sinnvollen Geist des Universums. Das andere ist Gehorsam, dass wir nämlich auch unserem Glauben entsprechend leben und zwar jeden Tag so, wie wir meinen, dass Gott es für uns wünscht — voller Dankbarkeit, Demut, Wahrhaftigkeit, Lauterkeit, Selbstlosigkeit und Liebe. Glaube und Gehorsam, das beides gibt uns die nötige Kraft, um aller Sünde und Versuchung zu widerstehen und eın sinnvolles Leben zu führen.
GEBET Ich bete, dass mein Glaube und Gehorsam sich vertiefen mögen. Ich bitte, dass ich somit ein ausgefülltes Leben führen darf.

*

Sonst so? Ein paar Bilder der Stadt, Elberfelder Nordstadt, Luisenviertel und so.

Klassiker in Blau …
mir selbst fehlt die Erdhaftigkeit zum gärtnern,
aber ich erfreue mich gerne bei anderen.

Und – Gerne-Groß ❤
Da vergeht dem kleinen Scheißer das große Geschäft.

Der hier dagegen wirft keine Schatten …

Zum Schluss noch ein Fundstück. Fortunate Son – Glückskind. It ain’t me, it ain’t me – so bin ich nicht? Irgendwie schon, wenn auch nicht im klassischen Sinne von Gustav Gans oder so. Jedenfalls ein toller Song, wenn auch leicht angestaubt.

~

Freitag, 220325

Als junger Mann dachte ich, ich sei Pazifist. Hatte so nen Aufkleber auf meinem Schrott-Käfer: Ein Dinosaurier, daneben stand „Ausgestorben. Zu viel Panzer, zu wenig Hirn„. Mit sehr vielen anderen Menschen war ich Anfang der Achziger im Bonner Hofgarten, demonstrierte gegen die Stationierung neuer Waffensysteme im Westen. Hörte gebannt Heinrich Böll sprechen, den ich bis heute verehre.

Jetzt ist einiges anders. Ich weiß, ich bin kein Pazifist, heute kenne ich meine Wut, mein Aggressionspotential, das sich früher in der Hauptsache gegen mich selbst gerichtet hat. Wut, mit der ich heute in der Regel zurecht komme. Ein wildes Tier, nicht eingesperrt, aber an der Leine, mit Maulkorb, auf dem steht:

Du sollst nicht töten

So ist geblieben die Ablehnung von blinder, sinnfreier Zerstörung und unermesslichen Leid. Was Kriege anrichten, treibt mir das innerste nach außen, der ganze vererbte Scheißdreck ist wieder zu spüren. Und doch geht es mir ähnlich wie Croco, auch ich hätte nie gedacht, es mal zu begrüßen, wenn Armeen an den Grenzen der „westlichen“ Länder verstärkt werden.

*

Sonst so? Ein gewaltiges altes Lied, das mir verstohlene Tränen in die Augenwinkel treibt. Danke fürs teilen, Springerin.

Some day soon
the tide will turn
and I’ll be free



~

Sonntag, 220320

Gestern, am späten Nachmittag. Es ist schon fast 5, die Sonne scheint. Die Samstags-Routine ist erledigt und ich beschließe, an die Luft zu gehen, um die düsteren Gedanken loszuwerden. Das Radio schweigt die letzte Zeit öfter mal, ich kann die Kriegsberichte nur noch limitiert ertragen. 32 Jahre war Ruhe vor diesem Lebensgefühl der permanenten Bedrohung, und nun sind die alten Geister wieder da. Neugier ist in dem Zusammenhang wenig hilfreich, und dennoch kann ich es als technisch versierter Mensch manchmal nicht lassen, nachzuschauen, womit heute Kriege geführt werden.

Ein Ex-Nato-General ließ sich neulich in irgend einer Talkshow ganz sachlich darüber aus. Erzählt mit leicht zynischem Zungenschlag, aber durchaus glaubwürdig von den Kreationen kranker Hirne, um größtmögliches Leid zu verbreiten. So erfahre ich von Aerosolbomben, umgangssprachlich Vakuumbomben, die Bunker und Höhlensysteme sprengen können. Hyperschallraketen tragen solche Sachen schnellstmöglich in die programmierten Ziele, Fluggeräte, die aufgrund ihrer Geschwindigkeit nicht vom Himmel geholt werden können. Ich erfahre von so genannten taktischen Atombomben, die kleinen Geschwister der großen strategischen Bomben, die ganze Großstädte und Landkreise verwüsten können. Die kleinen atomaren Bomben, Bömbchen sozusagen, gibt es in allen erdenklichen Größen, um zielgenau definierte Flächen zu zerstören, angefangen bei Dorf-Größe.

Ich denke an die Prepper-Szene, also solche Menschen, die das alles schon immer gewusst haben und ihre Lebensenergie seit ewig schon darauf ausrichten, für den Tag X gewappnet zu sein und so nach Möglichkeit zu denen zu gehören, die erst später dran sind. Mal davon abgesehen, dass es sehr fraglich ist, ob sie sich damit wirklich etwas Gutes tun – was für ein Hirnfick. Ich gehe hier nicht weg, falls es soweit kommt. Wohin auch. Außerdem bin ich im 60sten Lebensjahr, das meiste ist zumindest quantitativ sowieso gelaufen.

Schon klar, warum ich nur noch selten Nachrichten höre. Talkshows vermeide ich gänzlich, aus genannten Gründen. Und ja, ich höre nun auch auf, ans aufhören zu denken.

Weil der Tag schon etwas älter ist, gehe ich hinunter in die Stadt und gegenüber, auf der anderen Wupperseite wieder hinauf. Am Südhang ist die Wahrscheinlichkeit größer, noch ein paar Sonnenstrahlen abzubekommen.

Immer wieder staune ich, tatsächlich noch unbekannte Wege und Plätze zu finden, so wie hier am Friedrichsberg. Typisch für die Stadt, so morbide Orte. Irgendwann mal zur Verschönerung angelegt, heute ein eher unschöner, öder Platz, der Kinder zum lauschigen Treff einlädt, um ungestört gewisse Kräuter und Destillate zu konsumieren.

Ein Stück weiter geht es schon zivilisierter zu, Eigenheime mit Fernblick ins Tal.

Friedrichsallee, Friedrichshöhe, Friedrichsberg –
einfallslose Namensgebung irgendwie. Warum nicht mal Friedrich-seine Frau-Allee usw…

An einer Bushaltestelle im Nirgendwo denke ich kurz darüber nach, mit dem Bus wieder heimzufahren, was ich wegen fortgesetzten Sonnenschein schnell verwerfe.

Bilder vom Arrenberg, wieder mal, und doch immer anders.

Und…

Es war einmal
und ist nicht mehr
Ein stolzer Elch
hier röhrt er sehr

Bewacht das Tor der Nummer 2
Dem Laufvolk ist es einerlei
Und einer gar aus ungut Stalle
macht mehr aus sich
und fickt uns alle.

Der Elch ins grübeln nun gerät
ob ihn das wirklich was angäht
Sein Fazit ist ganz deutelich
so röhrt es unterm Werbelicht

Komm näher ran, du Schmieren-Jan
auf dass du spürst, wie ich es kann
Ab nun weiß auch der Schmieren-Jan
wie schnell er selbst so rennen kann.
Versprechen doch des Elches Enden
Naturgewalt auch in den Lenden

*

Das waren knapp 15000 Schritte und ich spüre meine Füße…

So – und um das alles fein abzurunden, zum Schluss noch etwas in Sachen Wiedergeburt, früher oder später. Sag `s mit Musik.

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Samstag, 220319

Draußen wird es hell, Zeit, die Lichter zu löschen und die Rollläden zu lüften. Im Kopf noch halb beim gerade Geschriebenen, halb bei dem, was der Samstag an Routine von mir erwartet. Deutlich zu spüren der Unwille, mich unter gierige, hamsternde Menschen zu mischen. Steckt euch eurer Mehl und Sonnenblumenöl dorthin, wo es immer dunkel bleibt. Aber lasst mir vorher noch was übrig …

*

Für G. – und für mich, zur Erinnerung.

Ohne diese Gewissheit für mich, dass meine ewige Seele nicht zugrunde gehen kann, sondern dass sie ihre Aufgabe weiter erfüllen kann, hätte es ja keinen Sinn mit der äußersten Intensität noch zu leben und zu arbeiten und zu wirken. Jeder Tag ist erfüllt mit dem Versprechen für die Zukunft. Darum, meine Lieben, kümmert mich auch das, worin die Analytiker so begierig wühlen, die Vergangenheit, eigentlich nicht. Denn wenn mir jemand sagt: Ja, meine Eltern, ja, meine Verhältnisse, ja, all das – Ja, mein Lieber deine Seele hat das ja gewählt, als du, deine Seele sich inkarnierte, hat sie ja bei den Eltern, in den Verhältnissen hier einen Körper angenommen, um von da aus zu entwickeln dein Weitergehen mit den Aufgaben, die dir da gesetzt sind. Nimm diese Aufgaben tapfer an, denn sie gehören zu dir und es ist niemand schuld, niemand schuld! Und wenn mir jemand mit dem allem anfangen will zu reden, „Ja, meine Mutter …“ und neulich kam eine, die aus der Therapie davongelaufen ist, der der Therapeut – das ist ja eine der Stil-Übungen — gesagt hat: „Schlag deine Mutter tot!“ Nun ja, mhm. Da habe ich ihr nur ironisch gesagt: „Na und? Na und?“ „Nicht wahr, du musst doch weiterleben, lass doch die Vergangenheit.“

Heinz Kappes, religiöser Sozialist, evangelischer Pfarrer, Quäker, Übersetzter. Zitiert aus seiner Rede vom EA-Treffen in Höchst am 12.02.1977 – Die Heilung der Emotionen durch die Seele

*

Für C. – und für mich, dito zur Erinnerung

Einst verließ ich diese Stadt.
Weil jede Straße, jedes Haus meine Geschichte atmete.
Sie sagten, pass gut auf.
Egal wohin du gehst,
du nimmst dich immer mit.

Ach, sagte ich,
den kenne ich, 
den großen schweren Koffer.
Aber, es mag doch sein,
den zu finden, der ich werden könnte,
der Bestimmung folgend.

Und der Koffer kriegt Rollen,
dann wird er leichter zu bewegen.
Vielleicht stelle ich ihn bald an die Straße,
leere ihn und sortiere aus
all den Ballast.
Sprühe mit Lack "Na und" herauf
Und reise fortan mit leichteren Gepäck.

Freitag, 220318

Mein arabischer Lieblingskollege – das relativiert sich, wenn man bedenkt, dass ich nur einen Kollegen habe – also mein arabischer Lieblingskollege hat die Seuche, mich scheint es verschont zu haben. Und so darf ich nun ganz allein werkeln, das ist gut und nicht so gut, derweil ein jeder mit seinem Kram angeschissen kommt werden doch Duldsamkeit und Flexibilität über das normale Maß hinaus getestet. Sei`s drum, ein jeder hat seine Not.

Sonst so? Es hat vollen Mond. Der macht unruhige Nächte und seltsame Träume, stiftet Verwirrung und diente in ferner Vergangenheit gerne als Ausrede für kräftige Besäufnisse, die im übrigen auch bei Neumond stattfanden. Was bleibt, ist die getriggerte weibliche Seite des Mannes und die strubbeligen Nächte. Selbst die Jungkatze benimmt sich seltsam, aber das muss nicht mit dem Vollmond zu tun haben.

Hier nötigt er mich zum verweilen, strahlt er doch um die Wette mit diversen Scheinwerfern und Straßenlampen. Es kratzt ihn auch nicht, dass hinter mir gehupt wird. Wenn es ihm schon gleich ist, mir erst recht …

Hier noch ein Klassiker in Sachen Mond…

PS: Es schreibt ein Mensch mit Mond im Sternbild Krebs, obendrein noch im 12ten Haus.
Dazu die Sonne im Zwilling und einem feinen Löwe-Aszendenten,
damit das mit dem Mond nicht so auffällt …

~

Samstag, 220312

Frühstart, Übungen in der Stille, kein Radio, keine Musik. Katzen um mich herum, draußen ein früher Vogel, noch so einer. Frühstück, aus gegebenen Anlass gucken, wie man Nummern sperrt, Vorbereitung auf den Tag. Kühlschrank füllen, Blumenkästen für Muttern, organisatorischen Schreibkram aller Art erledigen – kann faxen, wie groß ist die Freude, mindestens so groß wie das staunen über die Wandlungsdauer digital in analog. Samstag ist Tag des Kümmerers, des Afa`s des Faktotums in mir.

Sonst so? Zum Ende der Woche hatte es zwei völlig derangierte und betriebsuntaugliche Maschinen, ab Montag bin ich somit der bestbezahlteste Pack-an ever. Auch hier – groß ist die Freude, nicht selbstständig zu sein, trotz bürokratischer Monster weiter bezahlt zu werden. Noch.

Alles in allem also keine echten Sorgen. Ein paar Herausforderungen, die nichts sind im Vergleich zur Fratze des Krieges weiter östlich.

*

PS: WordPress.com meldet, dieses sei der 1000ste Eintrag auf der Wupperpostille. Nochmals – groß die Freude!

Donnerstag, 220310

Heute ist Sperrmüll im Kiez. Und am gestrigen Abend das übliche Bild, ausmistende Bergbewohner, Fußwege zu mit Müll, plündernde und streitende Lieferwagenbesatzungen, Volksfeststimmung allerorten. Ich muss öfter mal auf die Straße wechseln und schaue nur selten genauer hin, was da alles aus Kellern, Ecken, Abstellräumen den Weg ans Licht findet. Hier allerdings lege ich einen Stopp ein und gehe sogar ein paar Schritte zurück. Mitnehmen will ich sie nicht, so weit geht die Liebe nicht, mal davon abgesehen, dass nicht alle im Haushalt damit einverstanden wären. Aber ein Bild – das muss sein.

Sperrmüll-Prinzessin, du hast wahrlich bessere Zeiten gesehen. Aber selbst in deinem morbiden Charme jetzt strahlst du noch Anmut und Würde aus, passt auf deine Weise in dieses ebenso ramponierte Quartier mit seinem bröckelnden Fassaden. Gerne hätte ich dich an deinem angestammten Platz gesehen, in irgendeinem Hinterhof-Beet hier in der Straße. Was du alles gesehen und gehört haben muss, in den vielen Jahren, in denen deine schönen Füße Moos ansetzten. Zum Zeichen deiner Würde hat man dich obenauf gestellt, auf dem Haufen, auf dass ich dich sehe und wenigstens für eine kleine Weile dein Andenken hier bewahren kann. Machs gut, Prinzessin, auf der anderen Seite, vielleicht sieht man sich mal.

+

Mittwoch, 220309

Umkleideraum, vor gut einer Stunde. Es hat ein kleines Radio. in meinem Spind. Ich höre DLF, man fragt sich besorgt, welche Sicherheit es in Zeiten wie diesen noch so gibt. Mein Gott, denke ich, dermaßen deutsch, das. Der Tod gilt als sicher. Pläne kann man machen, bis dahin, weil, irgend eine Ausrichtung braucht es ja in der täglichen Fristverlängerung. Dagegen gilt es als nicht gesichertes Wissen, dass unsere Seelen unsterblich sind. Aber – wer schon nicht glauben kann, ist vielleicht argumentativ zu überzeugen. So ist m.E. ein Menschenleben definitiv viel zu kurz, um alle Blödheiten, derer ein Mensch fähig ist, nicht nur zu begehen, sondern sie auch als solche zu erkennen und gegebenenfalls sogar korrigierten zu können.

Sonst so?

Auf Facebook lese ich, die Schwebebahn stand mal wieder. Das kommt vor, zumal, wenn man versucht, aus einer eigentlich alltagstauglichen Museumsbahn ein digitales Wunderwerk zu zaubern. Beliebte Meldungen sind Weichenstörungen in den Endhaltepunkten, wo gewendet wird. So werden regelmäßig irgendwelche Sensoren von in der Halle nistenden Tauben tot geschissen. Den Tieren isses wurscht, den Fahrgästen nicht ganz so, verständlicherweise. Mich dauen die armen Menschen und ich haue einen launigen Vierzeiler raus, um sie zu erheitern. Mit Erfolg, es wird sich gefreut, was mich auch freut.

So, der Tag ruft mittlerweile so laut, da gilt auch schlechtes hören nicht mehr als Ausrede…

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Sonntag, 220306

Alte Bekannte

In meinem Bauch, da wohnt ein Tier. Wenn es sich meldet, zieht sich nicht nur der Magen zusammen, alles andere reagiert ebenso, auf ungesunde Weise. Es hat spezielle Ernährungsgewohnheiten, das Tier. Seine Leib- und Magenspeise (ich höre es gerade leise kichern) sind lose Nervenenden. Es knabbert daran wie an Salzstangen. Der restliche Ernährungsplan ist auch nicht ohne. Vor allem nimmt es zu viel, von allem. Unmaß heißt das, glaube ich. Zu viel Ratio, zu viel Information, zu viel Bilder, zu viel Analyse, zu viel vermeintliche Logik, zu viele natürlich vergebliche Versuche, in anderer Menschen Köpfe zu stecken.

Wir sind alte Bekannte, das Tier und ich. Es wurde zeitgleich mit mir in diese Welt gesetzt. Es ließ sich eine Weile milde stimmen mit einer Menge Alkohol und anderer Sachen. Bis es sich daran gewöhnte, immer mehr Toleranz entwickelte, sozusagen. Es war kein Weg für ein gutes Miteinander und bald lief das Tier zur Höchstform auf, entwickelte sich vom heimlichen zum unheimlichen Machthaber meiner unsterblichen Seele, mit allen gruseligen Begleiterscheinungen. Später dann, viel später fand ich heraus, wie wir miteinander klar kommen. Es ist ein einfacher Satz nur, wenige Worte, die nicht aus meinem Mund kommen, Worte, die gefühlt und nicht gesprochen werden. Worte, die der Stille bedürfen, die aus dem unterlassen aller Aktivitäten wachsen, aus dem zur-Ruhe-kommen alles mehr oder weniger sinnvollen Tuns entstehen.

Ich bin bei Dir, fürchte Dich doch nicht, ich bin immer bei Dir.

~ ~ ~

Sonst so?

Ich bin der Kümmerling. Kümmere mich um alles, das macht gutes Karma, glaube ich, keine Ahnung. Hat mit der ersehnten Ruhe nicht viel zu schaffen, ist aber schlicht von Nöten. Bei den Eltern zum Beispiel. Speicher saugen, Keller fegen, Flusensieb säubern, Müll herunter und Wäsche herauf bringen, lästige Korrespondenz in Vollmacht erledigen, so Sachen eben. Zuhause geht es dann weiter, und manchmal bekommt das bizarre Züge.

So geschehen dieser Tage. Die Waschmaschine nimmt kein Wasser mehr. Das war kein böser Wille von ihr, es ging schlicht nichts mehr durch den Hahn hindurch, dauerhaft geschlossen, Dank Kalk und viel Zeit. Also bewaffne ich mich mit einer Schieblehre und versuche, das gülden schimmernde Innenleben zu definieren, soweit man das kann, ohne es zu demontieren. Es gibt bekanntlich eine Menge davon, so können ein paar Zahlen nicht schaden. Damit versehen führe ich Telefonate, mit Handwerksbetrieben auf dem Weg. Nö, sagen die verkaufen tun wir nix, kommen aber gerne gucken. Vielen Dank, kann ich selbst, sage ich und freunde mich mit einem Baumarktbesuch an. Ich mag die Märkte nicht, aber was nützt es. Also hin und suchen und messen, gucken, das rechte finden und wieder heraus, nach Hause. Wasser abgedreht, altes Zeug heraus gedreht, Neues herein, zuvor noch geguckt, ob eine Dichtung dabei ist, Wasser wieder an, nochmal gucken, alles schön dicht. Freude und Danksagung nach oben, ab auf das Sofa, Belohnungsschläfchen.

Derweil irgendwann kommt die Liebste heim. Wach, wie ich mittlerweile bin, höre sie im Bad rumoren, die Wäsche ist ihr Ding. Dann höre ich sie meinen Namen rufen und irgend etwas gefällt mir an ihrer Stimme nicht, also stehe ich zeitnah auf. Gehe ins Bad und sehe sie in einer riesigen Pfütze stehen. Mir rutscht das Herz in die Hose, das Tier freut sich über den Besuch auf der Durchreise nach weiter unten und kichert wieder. Scheiße – Kran gerissen oder was, bist zu blöd zum schrauben? Setze mich, nachdem die Sauerei beseitigt und alles abgetrocknet ist, aufm Klodeckel und beäuge mit Hilfe eines Hand-Flakscheinwerfers den Kran, derweil die Maschine noch einmal das gleiche tut wie gerade eben. Nichts geschieht, alles trocken, der Kran unversehrt.

So langsam zweifele ich an meinem Verstand. Wo kam das verdammte Wasser her? Die Maschine ist relativ neu und kein Billigprodukt, eher unwahrscheinlich, dass da schon was ist. Frage mal nach einem detaillierten Tätigkeitsbericht und höre heraus, dass nach erfolgter Wäsche die Schublade für Waschpulver und so herausgezogen wurde, zwecks einer Säuberung. Ein Riesenteil, das nicht so recht in das Waschbecken passt. Na, schon jemand eine Ahnung? Richtig. Das Wasser muss zum einen Ende hinein gelaufen sein und unbemerkt aus dem anderen wieder hinaus, das außenbords hing. Erinnert irgendwie an dem kaputten Duschvorhang, der alles unter Wasser setzt, nur weil er außen umher hängt…

Toll, Toll, sage ich. Machst hier Gaslighting mit mir, kippst n Eimer Wasser aus und suggerierst mir, zu blöd zu allem zu sein. Wir lachen und selbst das Tier hat Spaß. Immerhin.

*