Sonntag, 221211

Immer noch Krebsmond mit schreiben gegen die Schlaflosigkeit. Es lief sich gestern bis um Zehne, die neuen Wanderschuhe machen sich so langsam. Dann klebrig vor dem Schirm, surfend, Filmchen guckend bis um 2 Uhr früh. Um 6 wieder wach nach streithaften Träumen. Und nun ruft der trockene Gaumen nach dem Morgentee, der sonst am Vorabend zubereitet wird. Leben fühlt sich gerade an wie ein verlorener alter Schuh in der Gosse einer verregneten Altstadtgasse.

Lichtblick: Neben mir träumt es fiepend aus gerolltem Fell.

Samstag, 221210

Ein arg angegrauter, stiller Morgen. Es gab die Überlegung, den heutigen Muttertag zu Fuß zu erledigen, was aber mit Blick auf gewisse, für sie bestimmte Postsendungen weitgehend verworfen wurde, es sei denn, ich freunde mich doch noch mit dem roten Riesenrucksack an. Darüber hinaus ist der Kopf jetzt gerade bemerkenswert leer, die Wohnung ruft immer noch nach dem Staubsauger, aber das Katzenklo ist gemacht. Banaler Alltag, Absprachen, wer kauft was und überhaupt.

Sonst so? Abnehmender Vollmond im Sternbild Krebs. Wieder mal vertraute Mimosenzeitqualität. Derweil der Mond zur Stunde meiner Ankunft hier Gleiches tat, wirkt so etwas derzeit doppelt. Fazit: Wenig hören & sehen, noch mehr fühlen als sonst. Nun darf man nicht nur alles anfühlen (wer schon wenig hört/sieht…), man möchte das schon erst gar nicht überall. Geschweige denn manch Zeitgenossen gleiches zugestehen. Und damit auch der Rest der Welt das versteht, gibt es die nichtssagende Wortgewalt, deren einzige Botschaft lautet: Komm mir nicht zu nah. Um dann kurz darauf wieder in introvertiertes Schweigen zu verfallen. Dann ist das jetzt so. Mit so einer Gemengelage Muttertag begehen, ist übrigens auch nicht ohne.

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Count the seconds, catch my breath
Feelings come and go again
Count my blessings, hope they hear me too, too

Ozzy Osbourne

Update: Belohnung für nichts. Gute Sache, ich liebe Waffel mit alles!

Sonntag, 221016

Mir geht dieses Bild nicht aus dem Kopf.

Vater schläft offensichtlich tief und fest, mit offenem Mund. Meine Mutter sitzt an seinem Bett und streichelt seine Hand. Diese Atmung. Flach, gut hörbar, und ein unglaublich langsamer Rhythmus, immer wieder unterbrochen durch lang andauende Atempausen, in denen ich zweifele, ob noch ein weiterer Atemzug folgt. Aber auch die Pausen unterliegen dem Rhythmus, es geht weiter, vorerst. Vaters Hand bewegt sich und ich lasse die beiden allein.

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Am Abend versuche ich mich abzulenken, installiere eine neu App auf meinem Phon. Son Ding, das nicht nur den Mond, auch die Sonne und alle anderen Planeten betrachtet. Viele Zahlen, Geometrie pur, ich verstehe nur wenig, erfahre aber nebenbei, dass der Mond jetzt gerade das Sternbild Krebs passiert, in dem er, wie in allen anderen Zeichen rund 2.5 Tage verweilt. Im Sternbild Krebs ist er zuhause, der Mond, in der Gegenwart ebenso wie zur Zeit meiner Geburt. Welch eine Zeitqualität.

Die Bilder wollen nicht weichen. In solchen Zuständen gehe ich öfter mal in die Küche. Es ist Samstag und ich denke an unsere Ex-Kanzlerin, der man eine gewisse Suppen-Affinität nachgesagt hat. Nebenbei denke ich, wie schnell das geht, mit den guten alten Zeiten, damals, mit Mutti. Kartoffelsuppe steht also für Stabilität und Erdhaftigkeit und so entscheide ich mich, einen großen Topf davon zuzubereiten. Während ich schnippele und putze, läuft Musik, und so langsam macht es der Kopf dem Magen nach und leert sich.

Ein solcherart gefüllter Magen sorgt auch für eine etwas bessere Stimmung, der Rest des Tages verläuft unspektakulär, gefolgt von einer Traum-durchwirkten Nacht. Beim schreiben jetzt spüre ich eine gewisse Erleichterung. Die sich immer wiederholende Magie, wenn sich Gefühl und Wort miteinander verbinden und eine harmonische Einheit bilden.

Der Sonntag steht an, es soll halbwegs trocken bleiben. Der Ärger um den Pflegedienst (den gibt es ja für Mutter auch noch) kann warten. Zeit, sich den goldenen Oktober mal näher anzuschauen, heute Nachmittag.

I’ve been looking so long at these pictures of you…

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Dienstag, 210921

Wieder so ein Datum, ein Anna-Datum,
weil von vorne wie von hinten lesbar.
Und – Vollmond.

Leider bekomme ich ihn nicht besser eingefangen, mit dem Phon und der Licht-verseuchten Stadt. Aber immerhin etwas. Wenn ich ihn sehe, bleibe ich stehen und staune. Früher war er für mich das Symbol für Durst und gnadenlose Gier. Nachdem ich lernen durfte, dass bei mir demzufolge jeder Tag Vollmond war, konnte ich ihn anschauen und einfach nur staunen, über den Trabanten, der Meere hebt und senkt, über den Zauber der Gravitation und über die Mystik hinter dem hellen Ding. Auf unser Befinden soll er auch einigen Einfluß haben, sagt man. Astrologisch steht der Mond in meinem Geburtshoroskop in seinem Heimathaus, dem Krebs und so ziemlich das meiste von dem, was darüber geschrieben steht, kommt irgendwie hin. Isso. Und damit niemand merkt, was für eine Mimose ich bin, hat mein Schöpfer mir ein großes Maul und eine mitunter ruppige Art verpasst. Aszendent Löwe eben. Das alles im Zeichen der Luft, Sonne im Zwilling. Wenn viel Wasser auf noch mehr Luft trifft, entstehen Wellen. Viel Wellen manchmal. Mensch lernt damit zu leben, auch bei Vollmond, der mir, der ich solcher Art astrologisch gesegnet bin, regelmäßig wüste Träume beschert. Irgendwann habe ich das große Buch der Astrologie zugeklappt und beschlossen, mit alledem irgendwie zu leben, anstelle mit ständig Erklärungen für das eine oder andere herauszusuchen. Kommt Mensch nicht weit mit und führt in der Regel nur zu heftigen Kopfnicken. Oder Schütteln, je nach dem Grad der Erkenntnis.

Sonst so?
Da war doch noch was – genau, 1988 …

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