Montag, 220905

Neulich bei einer meiner Wanderungen durch die Stadt fielen sie mir wieder auf: Diese Mini-Türen auf Keller-Niveau, manche hübsch getäfelt, andere mit schnöden Stahlblech verkleidet. Ehemalige Kohlenlöcher, in denen der Kohlenmann seine Fracht abließ, um dem Weg mit den schweren Säcken in den Keller zu sparen. Lange her, das, obwohl die Kohle gerade wieder neu entdeckt wird.

Als Kind fand ich diese Türchen faszinierend. DA also wohnen die kleinen Leute, von denen zuhause immer die Rede war. Die haben nen separaten Eingang, damit sie den großen Leuten nicht in die Quere kommen oder gar, weil sie so klein sind, mal unachtsam einfach so zertrampelt werden. Das ist wirklich nett von dem Hausbauer, darauf geachtet zu haben. Manchmal, wenn so ein Türchen einen Spalt offen stand, kroch ich hinunter, um zu schauen, ob die Wohnung der kleinen Leute denn auch ihrer Größe angepasst war. Leider war wenig zu sehen, niedrige Decken zwar, aber funzeliges Licht, Dreck, Spinnen und sonst nichts.

Arme kleine Leute, aber wenigstens passende Haustüren hatten sie. Nur eines verstand ich nie, traute mich aber auch nicht zu fragen: Warum wohnten meine Eltern nicht hinter solch einer Tür, bezogen sie sich doch, obgleich nicht zwergenhaft von Wuchs, ausdrücklich immer ins Reich der kleinen Leute mit ein?

Fragen über Fragen. Eine Antwort habe ich mittlerweile gefunden: Wer sich selbst im Reich der kleinen Leute verortet, braucht sich über ausbleibendes Wachstum nicht zu wundern. Das andere Extrem ist auch nicht zielführend und hat mir als junger Mann neben mehreren menschlichen Tragödien zwei Kündigungen eingebracht – das große Portal der Selbstüberschätzung. Mittlerweile passe ich problemlos durch ganz normalgroße Türen, vielleicht muss man dafür beide Extreme mal getestet haben.

Freitag, 220211

Eine Kräfte-zehrende Woche geht zu Ende, jedenfalls Freitag. Wie lange ist es her, dass dieser Wochentag ein Grund zm hemmungslosen feiern war? Heute freue ich mich drauf, mal einen Film zu Ende schauen zu können, ein paar Worte mehr mit meiner Frau wechseln zu können oder schlicht früh schlafen gehen zu können. Soweit alles im altersgerechten Rahmen.

Sonst so? Dämonen – ein Begriff für die Leichen im Keller, für unsere emotionalen Abgründe. Es gibt Menschen, die von sich behaupten, keine Dämonen (mehr) zu haben. Mag sein, dass das für einige wenige zutrifft, der große Rest dagegen hat es einfach nur leichter. Bewusstsein ist anstrengend, wer es leicht nimmt, weiß oder spürt, wo er besser aufhören sollte, zu graben, gesegnet sind jene, denen es an entsprechenden Leidensdruck mangelt. Leider ist diese Strategie zumindest für mich nicht sonderlich erfolgversprechend, führt doch Unentdecktes aller Art sein Eigenleben im Schattenreich meiner Seele. Dämonen mögen Versteck-Spielchen, aber am liebsten kommen sie karnevalistisch verkleidet, unter falscher Flagge daher.

Manchmal ist es wirklich nicht leicht, den Fratzen die Verkleidung abzureißen. So frage ich mich mitunter – wie echt ist mein Mitgefühl, meine Anteilnahme, meine Hilfsbereitschaft wirklich? Entspricht dies dem aufrichtigen Wunsch, zu verstehen, erfassen und vielleicht auch helfen zu können oder ist all dies nur Ausdruck meiner zahlreichen Süchte, wie zum Beispiel Geltungssucht oder Liebes-Sucht (die Sucht, geliebt zu werden)? Spätestens dann wird es Zeit für mich, in die Stille zu gehen und nachzuspüren, in den Keller zu steigen, um zu schauen, was dort vor sich geht. Nach einer Weile der inneren Zäsur wird dann schon klarer, was ist. Spüren und annehmen schliesst das alles ab, kleine, für andere oft nicht wahrnehmbare Korrekturen werden gefahren, bis zu nächsten Mal, wenn dieses irgendwie unstimmige Gefühl zum Kellergang auffordert.

Was beruhigt, ist, all dies beschreiben zu können, aber nicht zu müssen 😉

Roman Pestak

So. Das Leben ist ernst genug. Zurück um Tagesgeschehen – weniger ist bekanntlich mehr und durchaus Erfolg-behaftet, wie man sieht:

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