Samstag, 240406

Krankheitsgewinn – ein destruktives Geschäft.

Ich sah es bei anderen, die Geister riefen, um wahrgenommen zu werden, auf der Hatz nach Bedauern und Mitgefühl. Andere riefen sie, um den Berufsaustieg zu beschleunigen. Alle hatten am Ende ein großes Problem – die Geister blieben und wuchsen.

Keinesfalls möchte ich schwer erkrankte Menschen diskreditieren. Es kann jeden treffen, ohne Ausnahme, sei Leben noch so bewusst. Für mich sind es Prüfungen, Herausforderungen. Ich möchte heil werden und verzichte darum auf potentiellen, fragwürdigen „Gewinn“ meiner Erkrankung.

Na und? Du hast diese oder jene Diagnose, deine Familiengeschichte, deine Lebensgeschichte. Na und? Willst du wirklich heil werden, mit deiner ganzen Seele, aus vollem Herzen?

Pfarrer Heinz Kappes, *1893 +1988, evangelischer Pfarrer, religiöser Sozialist, Quäker und Übersetzer

Von vielen guten Worten seinerseits sind diese unter anderen bei mir hängengeblieben. Ich möchte heil werden, soweit es mir möglich ist.

Montag, 230213

Muttertags-Samstag, Nachlese vom Besuch in meinem Heimatdorf. Eigentlich isses gar kein Dorf, schon lange nicht mehr. Geblieben sind die engen Sträßchen, die mir als Kind so gewaltig vorkamen sowie seltsame Familienverhältnisse, die sich in den zwei dominierenden Familiennamen wiederspiegeln. Vom Gründer des Dorfes mal ganz zu schweigen, eure selbsternannte Heiligkeit Elias Eller. Der floh einst aus dem sündigen Elberfeld, um es auf den Südhöhen dann so richtig zu treiben und nebenbei die Sekte der Zioniten zu gründen. Der mündlichen Überlieferung zufolge gab es keine Eheschließung ohne seinen Segen, dem eine praktische Tauglichkeitsprüfung der Braut vorausging. Was selbst seinem alten Kumpel Daniel irgendwann zu bunt wurde, der daraufhin nach Arnheim floh.Zwar blieb man dem in seinem Dorf gewogen, aber die Macht der Coffee-Shops war einfach stärker und der gute Daniel irgendwann verschollen, vermutlich im dichten Rauch einer gewaltigen Tüte das Weite suchend.

Tja. So Sachen gehen mir durch den Kopf, wenn ich zuvorkommend fluchend mit meinem kleinen Auto die engen Gassen erkämpfe. So richtig authentisch wird das mit der passenden Musik. So lief letzten Samstag „Cowboys“ von Portishead. Dieses Lied passt so sehr in das Dorf, die Stimme der Sängerin lässt vor meinem geistigen Auge binnen Sekundenbruchteilen hinter jeder Hecke, hinter jedem Gemäuer fiese kleine, leise flüsternde Geister und Kobolde vermuten, mit spitzen Zähnen und boshaften Augen.

Bete, arbeite, fall nicht auf, machs jeden recht und halt ansonsten deine Fresse…

Did you feed us tales of deceit?
Conceal the tongues who need to speak?
Subtle lies and a soiled coin
The truth is sold, the deal is done

Donnerstag, 211118

Besondere Erkenntnisse der letzten Zeit:

Jedem seine Geister, gute und nicht so gute. Ich habe meine eigenen, die mich schon genug beschäftigen. Je mehr ich von dieser Welt erfassen kann, desto weniger gefällt sie mir. Leider gibt es keine andere. Was bleibt, sind Nischen, zwischenmenschlich. Nah und doch mit ordentlich Abstand. Bloggen zum Beispiel geht gut. Oder fremde Leute im Wald freundlich grüßen, so als Gegenpol zu den maskierten Stadtbegegnungen. Obwohl manche Augen schon strahlen, mit Pappe im Gesicht. Wenn sie angestrahlt werden. Aber wer fängt an?

Seelen- oder Psychohygiene hat für mich mittlerweile den gleichen Stellenwert wie körperliche Hygiene. Selbst Müll raus stellen ist mehrdeutig. So wie die Tonne an die Straße kommt, geht der seelische Müll in den Himmel. Das klappt nicht immer so gut, dann schlägt es nieder, dann regnet s schon mal Scheiße. Mit Schwung und Übung bleibt der Dreck dann oben.

Gleich gehe ich dorthin, wo die Macher sind. Werde einer von ihnen, mache etwas, um den Kühlschrank vollzumachen. Was genau ich mache, ist so wichtig nicht. Hauptsache, ich mache etwas und es sieht gut aus, am Ende der Woche. Das ist wichtig, genau so wichtig, wie den anderen ihre Geister zu lassen.

Danke, F.K.Wächter – R.I.P.