Freitag, 240503

Bunt gemischt und vordergründig zusammenhangslos – es waren da noch

  • Die entfernte Verwandte, die sich hingabevoll und ausschließlich mit verheirateten Männern vergnügte, weil die nie länger als nötig blieben.
  • Jesus, der uns erlaubte, Gott Vater zu nennen. Und meine Therapeutin, die eine schlüssige Erklärung für mein Unvermögen hatte, meinen Schöpfer so zu nennen. Typisch für Menschen mit Vater-Problemen…
  • Der Geschäftsmann, der vorzugsweise mit gläubigen Menschen Handel trieb, weil er der Ansicht war, bei denen wäre die Wahrscheinlichkeit, betrogen zu werden, geringer. Darf angezweifelt werden, aber geringer heißt ja nicht gegen Null. Gilt wohl auch bei allen anderen zwischenmenschlichen Beziehungen.
  • Der Kollege, der neulich meinte, mir hätte ein Bruderherz gut getan, zwecks Erlernen adäquater Konflikt(lösungs)strategien. Mein Einwand, dafür hätte ich doch jetzt ihn und überhaupt besser spät als nie, überzeugte nicht wirklich.

Könnte noch weitergeführt werden, im Laufe der Zeit.

Samstag, 240420

Vonne Rolle

Von der Rolle sein, nah dran, aber unverwandt mit dem „aus der Rolle fallen“ (Theaterjargon) – das war so ein Ausspruch meines Vaters, der so ziemlich alle denkbaren physischen und psychischen menschlichen Derangiertheiten umfasste. Ein Ausspruch, der auch heute noch bekannt ist und der seinen Ursprung in den so genannten Steherrennen hat.

Steherrennen gibt es vereinzelt noch, sind aber aus der Mode gekommen, sie hatten ihre große Zeit von den 20er bis 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch Wuppertal hatte am Stadion Zoo bis Anfang der 70er Jahre eine Radrennbahn, die für Steherrennen genutzt wurde. Der Sport bildet eine Peripherie zwischen Motorsport und klassischen Radrennsport – vorneweg ein Motorrad, der Schrittmacher, im Windschatten, ohne Verbindung zum Motorrad der Steher, immer dicht an der Rolle des Motorrad-Abstandhalters. Die Wortwurzel der Steherrennen liegt nicht, wie man vermuten könnte, im stehenden Motorradfahrer, der solcherart den größtmöglichen Windschatten erzeugte, sondern in den „Steher-Qualitäten“ des Radfahrers, im Sinne von Ausdauer und Durchhaltewillen, siehe auch „seinen Mann stehen“.

Nicht nur sportliches Können, sondern hier vor allem die Paarung und die „Feinabstimmung“ zwischen Schrittmacher und Steher bestimmten die Chancen auf den Sieg. Sie verständigten sich angesichts des Motorenlärms mit kurzen Ruflauten, die der Schrittmacher durch nach hinten offenen „Ohrtrichtern“ am Helm wahrnehmen konnte. Der Schrittmacher musste einerseits fordern, aber auch Rücksicht auf den Steher nehmen, ein feines, menschliches Zusammenspiel über längeren Zeitraum bei bis zu 100 Km/H.

Gerne wäre ich bei Dir gewesen, Vater. Bei Dir, der Du in deiner Jugend diese Rennen sehen durftest – was dich so beeindruckt zu haben schien, dass Du viel später noch davon erzähltest. Du warst sportlich, liebtest Radfahren, aber ein Teamplayer warst Du nie (so wenig wie ich einer bin, muss ich ehrlicherweise sagen). Ich habe dich nicht so kennengelernt, aber du musst begeisterungsfähig gewesen sein, damals. Diese Begeisterung hätte ich gerne mit Dir geteilt, später, zu meiner Zeit, spürte ich davon nicht mehr viel. Steherqualitäten dagegen hattest Du und konntest sie auch mir weitergeben.

Stadion Zoo zu Wuppertal, 1928. Die so genannte „Schildwand“ steht noch, die ehemalige Radrennbahn ist größtenteils überbaut worden

Montag, 231023

Heute genau vor einem Jahr starb mein Vater. Wenn ich ihm nachspüre, dann wird mir bewusst, dass die Wut weniger geworden ist und der Trauer Platz gemacht hat. Ernüchternd immer noch manche Erkenntnis, wie ähnlich ich ihm sehe, im Guten und im weniger Guten.

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Wochenstart: Ausparken auf Monte Petrol – Spiegel eingeklappt, es passt locker noch ne Rundschau Ali-Reklame links und rechts dazwischen.

Have a nice Day!

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Und – passend zum neuen Phon habe ich mir sogenannte Ear-Buds besorgt und bin begeistert. So höre ich früh am Morgen zu den Übungen Kitaro und staune über die Wirkung. Irgendwie bin ich immer noch selbst mein größtes Experiment, wenn auch Gott sei Dank nicht mehr so krass wie in längst vergangenen Zeiten.

Wie Kitaro vor 40 Jahren zu mir kam, #Experimente

Wir trafen uns bei den üblichen Verdächtigen, die ich aus einer kurzlebigen und tragisch endenden Kneipenszene kannte. Pillen- und Pulverleute, einer verrückter als der andere. Ich fühlte mich wohl, obgleich ich mich bis auf wenige Ausnahmen auf Haschisch und Alkohol beschränkte. Sie war abgehauen, fort aus dem Puff, mit Hund und Bollerwagen ein paar Tage vor dem Sozialamt ausgeharrt, bis die ihr eine Wohnung vermittelten. Sie kam mit zu mir, der ich damals weit ab wohnte. Weich und offen war ihr Körper, es kam zu dieser Zeit nicht oft vor, dass mich eine Frau so annahm, wie ich war.

Gegenwelt, sie verdiente damals bis zu ihrer Flucht an einem Tag soviel wie ich in einem Monat, fuhr des Morgens über die werktätige Welt lachend im offenen Wagen durch die Stadt. Bis sie es nicht mehr aushielt. In ihrer Geldbörse steckte ein altes, verknittertes Bild von ihrem Vater, mit dem kleinen Mädchen an der Hand. Ein vierschrötiger, stiernackiger Kerl in Hosenträgern, Brutalität atmend. Ein Bild, an dem ich mich noch gut erinnere, wenn auch sonst an nicht mehr viel dieser Zeit.

Neben einer schönen Nacht brachte sie Kitaro und Pulver in mein Leben, verschwand nach kurzer Zeit wieder aus selbigen, derweil ihrem Kerl die Einnahmen stockten und er ihren neuen Aufenthaltsort herausfand. Ihren Namen habe ich vergessen, weiß nicht, ob sie noch lebt. Wir waren annähernd gleich jung… mit ihr ging das Marschierpulver (es sollte nicht wiederkommen), Kitaro dagegen blieb.

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Karfreitag, 230407

Still ruht der See, selbst habe ich Kater in den Knochen, die Autoräder gestern. Tatsächlich habe ich es noch geschafft, die zu wechseln. Wie das kam – ein Parkplatz direkt vor der Türe, Bedingung Nummer Eins. Nach dem Nachmittagsschläfchen dann ein Blick auf den Wetterradar, genau noch ein Stunde trocken, hieß es da. Bedingung Nummer Zwei also auch erfüllt, äußerer Druck. Den braucht es, um den Stein ins rollen zu kriegen, bei mir. Zwei Kraftakte an einem Tag (der erste war eine Grundreinigung des seit vielen Jahren komplett verölten Werkstattbodens) – meine ramponierten Leisten jubeln mir gerade Beifall heißend zu.

Zeit zum erholen hat es ja jetzt.

Sonst so?
Persönliches beim Wassertiger.
Tagesgemäß – Abschied, Trauer und Vergebung.
Abgesang, Teil 3

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Freitag, 221223

Achtung, grenzwertige Satire.

In China staut sich der Zuliefererverkehr vor den Krematorien, Der freigeistige Querdenker – frei von Geist, welch ein schönes Wortspiel – weiß natürlich sofort, was es damit auf sich hat. Knapp drei Jahre hat die ebenso böse wie geheime Schattenweltregierung versucht, uns alle auf ewig mit Einschränkungen aller Art zu kontrollieren, man scheute sogar nicht vor Gift zurück, das man uns als Impfstoff verkaufen wollte. Alles vergebens, wie wir heute wissen. Das hat auch die geheime Schattenweltregierung mittlerweile verstanden, hat die breite – noch ein feines Wortspiel – Masse als unkontrollierbar eingestuft und zudem ihre Population als wildwüchsig eingeordnet. Darum hat man jetzt entschieden, die Dinge zumindest in Sachen Corona frei drehen zu lassen. Wenn schon keine Kontrolle, dann wenigstens Dezimierung.

Sorry, ist erst der 23ste, ja, ich bin ja schon still.

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Wieder Neumond. Neubeginn, in Sachen Gesundheit, was uns hier betrifft. Die Liebste ist mittlerweile negativ und ich selbst noch schwach positiv, da ich ihr in allen knapp drei Tage hinterher hinke. Ab jetzt wird es, so Gott will, aufwärts gehen.


Neubeginn auch heute genau vor 2 Monaten.
Am 23.10.2022 um 11.30 starb mein Vater.
Nicht an, sondern mit Corona.

Zuvor wünschte er sich, gehen zu dürfen.
Er ist erhört und erlöst worden.
RIP

Samstag, 221126

Küchenarbeit, ich putze und schnippele Gemüse für den Ofen. Mit Musik geht das besser, aus den fettigen, aber funktionstüchtigen alten PC-Lautsprechern auf dem Hängeschrank wummert Social Distortion, so wie vor gar nicht allzu langer Zeit regelmäßig auf der A46. Die Wege nachhause vom Vater im Altenheim. Bilder tauchen auf, das Bett, unkontrolliert rinnendes Wasser, die Hilflosigkeit. Und wieder dieses Gefühl aus der Tiefe, die unsichtbare Tränenpumpe. Heute schafft sie es nicht so ganz, irgendwo in der Brust bleibt die Energie stecken und die Augen bleiben trocken. Zumindest bis die Zwiebeln gehackt werden wollen, für die Marinade.

Trauer hat viele Gesichter und sie zeigt sich wann sie will. Musik weckt sie, ebenso wie manche Gegenstände. Da gibt es auch noch Mutter. Samstag ist Muttertag. Sachen erledigen, Post sichten, dies und das einscannen agieren, reagieren, machen, tun gut sein lassen. Das Übliche. Heute habe ich unter anderen den Vater aufgehangen, also sein Bild. Wo hat denn der sein Restwerkzeug, es findest sich kein Nagel, wäre eh zu schwer, der große Rahmen. Schränke werden gesichtet, ich werde fündig. Meine praktische Ader habe ich auch von ihm, ich kann mir helfen, wenn es sein muss. Nur habe ich angesichts meiner maroden Gelenke immer weniger Lust dazu. Aber manchmal ist es halt unvermeidlich. Auch hier – Grummeln im Bauch, die geschäftige Werktätigkeit fordert ein Mindestmaß an Geist und die Tränenpumpe schweigt.

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Die Wissenschaft hat viele Ausdrücke für manche Zustände. Ich habe manchmal auf viele Ausdrücke für die Wissenschaft, aber das ist sehr subjektiv und soll sie nicht abwerten. Bei uns jedenfalls gibt es eine Hüterin der gesammelten Weisheiten, siehe unten. Zwar ist sie noch nicht so alt, so aber auf dem besten Wege, mal eine weise alte Katze zu werden.

Beim meditieren ist sie auch gerne dabei, sie liebt das grüne Kissen ❤️

Es duftet nach Essen, Zeit, hier zu schließen.
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Samstag, 221119

Der Tag gestern – ein gelungener Mix aus Geschäftigkeit und Entspannung. Es geht mir besser, die emotionale Anspannung ist noch vorhanden, aber weniger geworden, mit ihr auch die körperlichen Beschwerden. Wie sich das in der kommenden, wieder werktätigen Woche verhält, wird sich zeigen. Vorerst bleibt das gute Gefühl, alle anstehenden Formalien bewältigt zu haben – plus der wieder spürbaren inneren Ruhe.

Trauer? Ja, aber leise. Das Gefühl der Erleichterung überwiegt. Erleichterung darüber, dass mein Vater erlöst wurde, aber auch Erleichterung darüber, einen Teil der Verantwortung für meine Eltern abgegeben zu haben, zu meiner Entlastung. Das mag egoistisch klingen, ist aber sehr real spürbar.

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So. Genug der Schwere, hier und jetzt. Es hätte einen Insider-Tipp für potentielle Touries, die mal lecker Kaffee trinken, Waffeln essen möchten und dabei nicht dem Innenstadt-Nepp anheim fallen wollen. Cafe Clauß, hier umme Ecke. Ja, das ist Werbung, unbezahlt, aus Überzeugung. Der Erwerb der überall umherstehenden Bücher ist zugunsten vom lokalen Kinderhospiz möglich, die Bedienung bergisch rustikal freundlich und wer Eindrücke für Kurzgeschichten sammeln möchte – Schreibzeuch nicht vergessen 😉

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Der volle Magen fordert einen verdauungsfördernden Spaziergang, und so gehe ich im Anschluss diskret vor mich hingasend (die Sahne) Richtung Märchenturm auf dem Nützenberg, um noch ein paar Dämmerungsbilder einzufangen.

Und da isser, wenn man leise ist, hört man sie rufen. Rapante, Rapante … Glück mit dem Licht, gerade ging die Beleuchtung an.

Beim Abstieg talwärts fange ich noch ein paar Eindrücke von der lokalen Hundewiese ein, netterweise um diese Zeit ohne Hunde.

Und – einen neuen Fetzen hat es auch. Mit Lokal-Bezug, praktisch in der Fremde, auf dass man mich verorten kann, auch wenn ich schweigend nicht am Slang zu erkennen bin.

Passt.

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Donnerstag, 221117

Es regnet, ein gutes Wetter zum ruhen, zum nachspüren, zum Frieden finden. Wenn die Betriebsamkeit allmählich nachlässt, steigt einiges nach oben. Eigentlich auch eine gute Zeit für Hausarbeit, aber die ist immer so laut und die Katzen schlafen so schön. Also lieber am PC sitzen, lesend, schreibend.

Blau

Blau scheint uns der Himmel und das Wasser, in dem sich der Himmel spiegelt. Blau ist auch die Urne meines Vaters, dessen Leben, so oft er konnte, am liebsten draußen stattfand. Fast schmucklos, nur mit einem kleinen silbernen Vogel drapiert. Passt zum Himmel und zum Wasser. Und so auch zu meinem Vater.

Blau war einmal ein beliebter Zustand, das ist lange her. Der letztendlich erfolglose Versuch, irgendwie heimzukommen, vorbei an die innere Leere, vorbei an dem Verstand, vorbei an der Verlassenheit. Blau ist auch abseits vom Rausch ein Gefühl. Tiefe fällt mir ein, eins-sein. Man sagt, Blau sei eine kalte Farbe und doch denke ich irgendwie an Geborgenheit, wenn ich mir die Stille der Ozeane vorstelle.

Abtauchen …

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PS: Da war doch noch was

Ich möchte mich mit dir über deine Zukunft unterhalten 😀

Dienstag, 221115

Tränen

Als eine unserer Katzen vor gut drei Jahren starb, habe ich das erste Mal seit langen Rotz und Wasser geheult. Als ich meinen Vater das erste Mal in der Demenzstation besuchte, ging es mir ebenso, auf dem Heimweg von dort. Als ich meinen Vater am Tag vor seinem Tod das letzte Mal lebend sah, ging es mir anschließend ähnlich. Als ich am Tag darauf gut 6 Stunden nach seinem Tod mit meinem Sohn bei seinem aufgebahrten Leichnam stand, vergoss ich Tränen der Wut über das Desinteresse meines Vaters an seinem einzigen Enkelkind.

Bislang musste ich auf ausnahmslos jeder Beerdigung heulen. Es rührt mich leicht zu Tränen und das geht in Ordnung, heute. Gestern, am Tag der Beisetzung meines Vaters, kam keine Regung und keine Träne. Als der Trauerredner jeden von uns wenigen bat, einen Moment innezuhalten, um sich an vergangene gemeinsame gute Zeiten zu erinnern, fühlte ich – nichts. Vielleicht waren einfach genug Tränen geflossen, genug Zerrissenheit durchlebt, genug Ängste ausgestanden, genug Hoffnungen fallengelassen worden. Es gab wenige Momente der Verbundenheit, sicher. Aber Tränen hatte ich dafür nicht mehr.

Ansonsten verlief der Tag so, wie er geplant war. Ein würdevoller letzter Gang, so, wie es sein sollte.