Manche Wortgebilde …

…sind es wert, mal hervorgehoben und schriftlich gewürdigt zu werden. So etwas hier zum Beispiel:

„Normverdeutlichende Ansprache“

(Falko Liecke, Bezirksstadtrat Berlin/Neukölln, im Zusammenhang mit der manchmal etwas schwierigen Überwachung von Quarantäne-Maßnahmen)

Boah, denke ich, mit leichter Begeisterung. Das macht ja was mit mir. Klingt wichtig, würdig, ernst und bei entsprechender Missachtung Maßnahmen provozierend, Waldpredigt light, Marsch blasen 2.0, sehr deutsch irgendwie. Der Traditionalist in mir jubelt – ja genau, jetzt mal laut und deutlich, wie das hier so zu laufen hat – der Anarchist mit seinem ausgeprägten Autoritätsproblem hingegen denkt genau in die andere Richtung – welche Norm, was glaubt der, wer er ist – jedenfalls freuen sich beide Persönlichkeitsanteile meiner gespaltenen Seele über die gute Wortwahl des Herrn Liecke.

Eine andere Wortschöpfung, nicht erst seit der Finanzkrise bekannt:

„Systemrelevanz“

Das hat sogar Nachwuchs bekommen, in Form der

„System-relevanten Berufe“

Das klingt für mich nach Selektion, nach wertem und weniger wertem Leben Tagewerk. Wer macht Sinn und wer eher nicht. Eine Betrachtung, die völlig außer acht lässt, dass alle demzufolge nicht-System-relevanten Tätigkeiten es durch ihre Steuer- und Sozialabgaben erst ermöglichen, dass die so genannten System-relevanten ihren Job machen können. Von der Gleichheit vor dem Herrn mal ganz abgesehen. Eine Begrifflichkeit, die ein flaues Gefühl im Magen weckt…

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Nachdenklich

Immer schon habe ich diejenigen Menschen ein wenig beneidet, die konsequent ihrer so genannten Selbstverwirklichung nachgingen, meist als Freiberufler mit allen Vor- und Nachteilen, aber hauptsächlich mit Liebe und Freude an ihrer jeweiligen Sache.

Selbst habe ich eine klassischen, sehr traditionellen Beruf gelernt, den ich immer noch ausübe. Oft habe ich mit zahlreichen, aus meiner Sicht höchst überflüssigen Regelwerken gehadert und mich über manche scheinbare oder tatsächliche Willkür meines Arbeitgebers empört. Wenn ich allerdings Resümee ziehe, habe ich (für mich) alles richtig gemacht, gerade mit Blick auf die derzeitige Lage, die sich die wenigsten haben vorstellen. Ich mag Tätigkeiten, die noch so etwas wie Wertschöpfung besitzen, bei allen Sinn für, bei aller Freude an Kunst und Kultur.

Systemrelevant (ein mittlerweile arg abgedroschenes Modewort) – das sind für mich, noch vor meiner eigenen Tätigkeit in der Industrie hauptsächlich jede medizinische und pflegerische Kraft, jede Putzfrau, jeder Handwerker. Die wirklich Unverzichtbaren eben.

Davon abgesehen freue ich mich auf eine Zeit, in der ich wieder ohne schlechtes Gewissen Verwandte und Freunde besuchen kann, Theater und Kinobesuche wieder möglich sind und man sich zum Plaudern neben einem alten Mann auf einer Parkbank setzen kann. Meinetwegen auch neben einer alten Frau 😉

„Maskenhaftes“ Plaudern – mich stört sehr die in großen Teilen nicht wahrnehmbare Mimik, verhüllt von dem schützenden Stoff. Fehlt nur noch so `ne verspiegelte Sonnenbrille dazu …

Sommerzeit

Ich mag diese Eisdiele, ein paar Straßen weiter. Diesen blitzsauberen winzigen Laden in einer engen Seitenstraße, mit den genau zwei Besuchertischchen. Hier ist die Zeit noch ein wenig stehen geblieben, und – man lebt Tradition, man kennt sich. Erkennbar zum Beispiel an diesem alten Mann, der nach einem gebrummten Gruß schweigend an dem einzigen freien Tisch Platz nimmt – schweigend bekommt er von der Bedienung seinen Amarena-Becher mit Sahne kredenzt, eine gefrorene Selbstverständlichkeit, ohne große Worte. Braucht es hier nicht, der Talbewohner an sich liebt keine überflüssigen Worte. Bloß kein Gedöns, wie es heißt. So wie Moin im Norden zur Begrüßung reicht und Moin Moin schon als Gesabbel gilt.

Ich mag unsere Ferienwohnung, mit den vielen Büchern, den bunt zusammengewürfelten Möbeln, der planmäßigen, kreativen Unordnung – selbst Katzen gibt es hier und man spricht deutsch. Das müssen echt nette Leute sein, die sonst hier wohnen. Von hier aus erkunden wir neugierig wie immer das nähere Umfeld und zu sehen gibt es immer etwas.

Erwähnte ich, dass wir dieses Jahr im Tal der Wupper Sommerfrische genießen?

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