Freitag, 220325

Als junger Mann dachte ich, ich sei Pazifist. Hatte so nen Aufkleber auf meinem Schrott-Käfer: Ein Dinosaurier, daneben stand „Ausgestorben. Zu viel Panzer, zu wenig Hirn„. Mit sehr vielen anderen Menschen war ich Anfang der Achziger im Bonner Hofgarten, demonstrierte gegen die Stationierung neuer Waffensysteme im Westen. Hörte gebannt Heinrich Böll sprechen, den ich bis heute verehre.

Jetzt ist einiges anders. Ich weiß, ich bin kein Pazifist, heute kenne ich meine Wut, mein Aggressionspotential, das sich früher in der Hauptsache gegen mich selbst gerichtet hat. Wut, mit der ich heute in der Regel zurecht komme. Ein wildes Tier, nicht eingesperrt, aber an der Leine, mit Maulkorb, auf dem steht:

Du sollst nicht töten

So ist geblieben die Ablehnung von blinder, sinnfreier Zerstörung und unermesslichen Leid. Was Kriege anrichten, treibt mir das innerste nach außen, der ganze vererbte Scheißdreck ist wieder zu spüren. Und doch geht es mir ähnlich wie Croco, auch ich hätte nie gedacht, es mal zu begrüßen, wenn Armeen an den Grenzen der „westlichen“ Länder verstärkt werden.

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Sonst so? Ein gewaltiges altes Lied, das mir verstohlene Tränen in die Augenwinkel treibt. Danke fürs teilen, Springerin.

Some day soon
the tide will turn
and I’ll be free



~

Übersinnlich

Ich liebe ihn.
Seine Sprache, seinen Wortwitz, seine Schärfe.

Aus:
Heinrich Böll, Ende eine Dienstfahrt, 1966

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Auf das alle Esoteriker jetzt mal so richtig Bescheid wissen 🙂

Das Buch las ich bereits vor 35 Jahren einmal – damals sehr oberflächlich, vielleicht dem Alter entsprechend, wie ich heute finde. Neulich bin ich im Antiquariat einer kleinen Buchhandlung hier umme Ecke wieder darauf gestoßen – Für 3 Euronen viel Freude am lesen … das Buch selbst handelt von einem sich vor Gericht wiederfindenen  Vater-Sohn-Duo, eine Erzählung im so genannten idyllischen Schreibstil, ein Novum für Böll seinerzeit. Die Welt atmete auf, schien er sich doch mit der Republik versöhnt zu haben – was sich als vorschnelles Wunschdenken erwies.

Mir hat er jedenfalls in jungen Jahren die Welt meiner Eltern erklärt…als sie im gleichen Alter waren. Anfang der 80er durfte ich ihn einmal sogar live erleben, damals im Bonner Hofgarten hielt er eine flammende Rede gegen den so genannten Nato-Doppelbeschluss. Vielleicht erinnert sich noch jemand …

Dein Vater spinnt !

Das war die Reaktion der Mutter meines Sohnes, dem ich in jungen Jahren erklärte, dass absolut alles einen Anfang und ein Ende hat. „Lebt“, wenn man darunter eine festgelegte Zeitspanne der Existenz versteht. Auf seiner Nachfrage hin eben auch Steine, nur in viel größeren Zeitspannen.

Papa hat gesagt, Steine leben…
Heute studiert er Bautechnik 🙂

Wer spricht da noch von Zufall ?

PS:
Mein Lieblings-Buch in dem Zusammenhang ist Billard um halb Zehn von Heinrich Böll.
Und – Danke, Frank, für die Inspiration zu diesen Zeilen  🙂

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