Samstag, 240323

Die Arbeit ruft und ich höre so schlecht. Gleich ist es 5 Uhr Nachmittags und der Plan war (ist immer noch), die Katzenklos zu säubern und staubsaugen. Anstelle dessen liege ich auf der Couch und schlafe, döse, tue mir nebenbei ein wenig leid, weil sich die familiäre Welt beruflich bedingt mal wieder weiter weg ohne mich dreht. Sei es drum, bis zum Rechner habe ich es schon mal geschafft.

Dazugehören, las ich gerade. Ein Blog weiter war von Therapie die Rede. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft ist ungebrochen, ebenso mein Hang, mich zurückzuziehen. Kling nach Spannungsfeld und ist auch eines. Therapien hatte ich einige. Zunächst einmal 22 Jahre Alkohol- und Drogenmissbrauch, natürlich erfolglos, aber immerhin verhinderte der Konsum suizidäre Tendenzen, die es in jüngeren Jahren (und natürlich am klatschnassen Ende) durchaus gab. Eine Ärztin half mir damals da heraus, ebenso die anonymen Alkoholiker, denen ich heute noch verbunden bin. Stolperjahre folgten, in so ziemlich jedem Lebensbereich. Wer bin ich?

Heute betrachte ich mich als austherapiert, ich komme mit den neuen Methoden nicht klar und andere haben weit größere Nöte. Das bischen schwarzer Vogel ist vergleichsweise wenig. Es blieb etwas zurück, aber ich weigere mich, Medikamente zu nehmen. Es gab eine Entscheidung für Licht und Schatten, das schließt psychoaktive Medikation aus. Eine gute Hilfe ist mir allerdings eine lebenserfahrene Ergotherapeutin, die ich monatlich sehe. Die hat mit den modernen Therapiemethoden nix am Hut, hört gut zu und stellt gerne die richtigen Fragen an den richtigen Stellen. Selten, so Menschen.

Mein Beruf fordert und schafft mich allmählich, fast 46 Jahre lassen grüßen. Jemand im Blogland schreibt von angenommener Lebenserwartung, stellt sich ein fiktives Datum auf und zählt die Tage bis dahin. Auch ein Plan, denke ich. Irgendwann ist man im Erlebensfall im Plus, wenn man so möchte und darf Bonustage leben. So hat jeder Mensch seine Art, mit Endlichkeit umzugehen. Selbst darf ich zunächst zuschauen und nach Kräften dabei sein, wie Endlichkeit am realen Ende ausschaut. Mutter gibt ein gutes Beispiel dafür ab, sie freut sich trotz mittlerweile chronischer Tagesanlaufschmerzen über jeden weiteren Tag auf Erden. Sie liebt Blumen, wir versorgen sie damit nach Kräften, erst heute Morgen brachte ich gewisse Pötte mit. Schön soll sie es haben, aufm Grab nutzen Blumen einen Scheiß.

Im Sommer soll es familiär bedingt in die Schweiz gehen, der Liebsten ist das wichtig. Mir ist wichtig, sie trotz nur 2 Wochen Sommerurlaub zu begleiten und rede mir die Vorzüge dieses Trips ein, ohne wirkliche Überzeugung. Was ich möchte sind Tage am Meer, die Füße müde und den Geist leer gehen lassen. Viele Kilometer gehen, gut essen, salzigen Wind spüren, gut schlafen. Knackige Widersprüche also, und dann war da noch etwas mit dem Wunsch nach Zugehörigkeit, siehe oben. Erlösung davon ist nicht irdisch, so scheint es. Was wäre irdisches Dasein schon ohne Widersprüche? Harmonisch oder doch nur langweilig 😉

Fürs Erste greife ich mir gleich die Earbuds und lasse meinen fragwürdig geringen Tatendrang musikalisch befeuern. Wat mut, dat mutt.

Pfingstsonntag, 230528



Ich wünsche uns allen frohe Pfingsttage 🌞



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Na und?

Klingt provokant, dieses „Na und“, angesichts der Schwere mancher Verletzungen. Und dennoch ist viel Wahrheit damit verbunden.

Anfang 2000

Seit ein paar Monaten trocken und clean – plärrte dieses Lied permanent aus meinem Kassettenrecorder im Auto, während ich die Welt neu entdeckte. Ursachenforschung, Analyse, der Versuch, etwas mit dem Verstand zu erfassen, nicht mit dem Herzen, noch gefangen im Prinzip Schuld. Erst viel später las ich die beiden für mich sehr bedeutungsschweren Worte vom Pfarrer Kappes: Na und? Frei zitiert meinte er damit folgendes – Du hast diese oder jene Familiengeschichte, diese oder jene Diagnose – na und? Willst du heil werden, willst du mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen heil werden? Das allein zählt.

Heil werden ist (auch) eine Entscheidung.

Who made who, who made you?
Who made who, ain’t nobody told you?
Who made who, who made you?
If you made them and they made you
Who picked up the bill, and who made who?

Sonntag, 221120

Ewigkeitssonntag, so heißt der Heutige, das klingt in meinen Ohren irgendwie angenehmer als der landläufig bekannte Totensonntag. Die brauchen keine Sonntage mehr, haben sie doch im Idealfall tagtäglich ihre Ruhe. Die Ewigkeit dagegen kichert leise ob ihren Ehrentag. Weiß sie doch mit unserer ziemlich willkürlichen kalendarischen Zeiteinteilung recht wenig anzufangen. Was ist schon ein Sonntag für die Ewigkeit? Aber immerhin, denkt sie, erinnert Mensch sich dann an mich.

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Ein anderes Thema, eher bezogen auf unsere Endlichkeit oder besser, wie finde ich in dieser verdammt kurzen Zeitspanne Erfüllung? Es gab eine Zeit, da war ich als suchtkranker Mensch heilfroh, eine Fachärztin für Psychiatrie als langjährige Therapeutin zu haben, neben meinen regelmäßigen Gruppenbesuchen in der Selbsthilfe. Vor noch nicht so langer Zeit war ich froh und dankbar, die Unterstützung eines Mannes vom Fach auf dem Weg in eine Reha-Klinik gefunden zu haben.

Die Wege sind so verschieden wie wir Menschen und das Angebot ist riesig, wenn man nicht gerade normalbegüterter Kassenpatient ist. Coachs und Therapeuten gibt es so viele, für jeden, der zum einen zahlen kann und will, zum anderen, auch bereit ist, sich auf die heutigen Methoden einzulassen, mögen sie eine echte Hilfe sein. All dies habe ich in weiten Teilen zurückgelassen, von einer verdammt lebenserfahrenen Ergo-Frau mal abgesehen, die mich einmal im Monat mit guten Impulsen versorgt. Den Facharzt gibt es auch noch, alle 4 Monate sage ich mal Guten Tag dort. Ich weiß, er kann mir den Arsch retten, gerade im Kontext mit meiner nicht enden wollenden Erwerbstätigkeit. Er braucht es nicht zu tun, aber das Wissen darum finde ich hilfreich.

Mit meine 60 Jahren bin ich wahrscheinlich so etwas wie austherapiert. Was neue Erkenntnisse nicht ausschließt. Was zu mir finden soll, wird kommen. Meine innere Ruhe verdanke ich meinem Glauben, meiner höheren Macht, die mir immer wieder gerade auch abseits vom therapeutischen Geschehen Menschen geschickt hat, die mir ungemein hilfreich waren. Dafür bin ich sehr dankbar.

Aber – jeder Mensch auf seine Weise.

Mittwoch, 210602

WordPress meint, ich hätte einen „Lauf“, weil ich drei Tage in Folge hier etwas von mir gegeben habe. Was nichts über die Qualität des so Gelaufenen aussagt, aber offensichtlich gibt es Fleißpunkte, auch etwas wert. Da will ich nicht enttäuschen und hänge prompt noch einen hinten dran, die Nummer Vier im Lauf.

Das waren jetzt 311 Zeichen, ohne Leerzeichen 260 sowie 52 Wörter, ohne wirklich etwas zu sagen. Wem darf ich die nächste Rede schreiben?

Sonst so – bin ich nun bemüht, bisher nicht gekannte Qualität in diesen Eintrag zu bringen. Versprochen. Der geneigte Leser mag sich erinnern, vor gut 2 Jahren hatte die Grinsekatz den Kaffee auf, sozusagen, bekam von professioneller Seite gesagt, was gute Freunde, sofern noch vorhanden, eh schon längst wussten: Keramik-Syndrom, Sprung in der Schüssel, auf gut Deutsch: Hat sie nicht alle. Im Gefolge der Ereignisse bemühte ich mich also um geeignete Hilfe, allerdings ohne nachhaltigen Erfolg und erklärte mich nach mehreren vergeblichen Versuchen selbst für austherapiert. Arg vorschnell, im Nachgang betrachtet.

Hätte ich damals gewusst, dass es UWE gibt – was wäre mir erspart geblieben. Oder vorenthalten, ganz, von welcher Seite man so schaut. Je größer der Dachschaden, desto schöner der Blick auf die Sterne, das wusste schon meine Omma. Und so habe ich einfach weiter gemacht, mit schreiben, hier und dort. Hat auch therapeutischen Nutzen, irgendwie 🙂

Tschakka!

Freitag, 201225

Der erste Weihnachtstag und zugleich der Beginn der so genannten Rauhnächte. Zwei Gründe zur Freude – heute wird der Geburt des Mensch-gewordenen gedacht, egal, ob sie sich nun exakt heute und sonst wann zugetragen hat. Er war sicher nicht nur Gottes Sohn, sondern auch ein ganz besonderer Mensch, ganz gleich, was die Kirchen ihm später an Fabeln angedichtet haben, um ihre Herrschaft zu sichern. Er ist für mich der Aufrechte, der mich nicht allein lässt. Der, bei dem ich mich geborgen fühle, allen reichlich vorhandenen Schwankungen im Glauben zum Trotz.

Den nun beginnenden 12 Rauhnächten sagt man im Verbund mit der Wintersonnenwende eine verstärkte Durchlässigkeit zur anderen Seite nach. Mag schon sein oder auch nicht, es sind diese Tage in jedem Fall ruhige Tage, die mich bei mir selbst ankommen lassen. Eine Zeit ohne viel äußeren Druck, Pflichten und Erwartungen, Zeit der Sammlung, der Dankbarkeit, des Friedens. Guten Geistern gestatte ich übrigens ganzjährig Zugang, mit den weniger Guten ist es komplizierter, wirken sie doch subtil, tarnen sich oft geschickt, kommen unter so manchen vermeintlich guten Vorwand daher. Manchmal ist es gar nicht so einfach, sie von den guten Geistern zu trennen. Die sind eher leise, nicht so lautstark und wuchtig, zielen nicht auf das Ego, sondern mehr auf das Miteinander. Sie sind mehr auf längere Zeiträume gerichtet, nicht auf sofortige Wirkung bedacht. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt für mich, als unheilbar suchtkranker Mensch. Sie erinnern leise an Ursache und Wirkung, daran, wie sich Schicksal formt, im Sinne von dem, was am Lebensende als Resümee sichtbar wird.

Sonst so? (Sorry, darf nicht fehlen) Das in letzter Zeit in aller Munde geratenes innere Kind regt mich zunehmend zum nachdenken an. Na klar habe ich auch eines, das sich ab und zu meldet, umher schreit und greint, getröstet werden will. Dann richte ich es ihm nett ein, es hat dann warm und trocken, darf zur Ruhe kommen.

So weit, so gut. Wo es bei mir anfängt, zu hapern, ist, wenn die inneren Kinder bei erwachsenen Menschen auf einem Thron gesetzt werden, der ihnen nicht (mehr) zusteht. Wenn im Chor um die Wette geplärrt wird, mit Sand und allen möglichen Zeug geworfen wird, weil manch inneres Kind den ganzen Rest am erwachsen-werden hindern möchte. Man erkennt Menschen, die solcher Art an ihren inneren Kindern leiden, übrigens an ihrer Sprache. Wenn z.B. gestandene End-Vierziger oder Anfang-Fünfziger von Ihresgleichen als meine Jungs bzw. meine Mädels sprechen, geht bei mir innen eine Sirene los. Achtung, da sind sie wieder. Kenne ich ja alles, als Mensch, der spätpubertierend mit Ende 30 voll vor die Wand geknallt ist. Suche ich aber nicht mehr.

Und ja, noch etwas fällt mir zum inneren Kind ein. Im letzten Jahr ging es mir zeitweise alles andere als gut, Auslöser waren massive berufliche Herausforderungen, die mich Hilfe suchen ließen. Im Zuge dessen startete ich mehrere Anläufe, einen geeigneten Therapeuten zu finden, ein Unterfangen, was ich letztendlich abgebrochen habe. Die meisten wollten erst einmal möglich recht präzise und ausführlich formulierte Ziele wissen, natürlich in Schriftform. Da fingen meine Schwierigkeiten schon an, mein Anspruch war schnell geklärt, entsprach aber so gar nicht der Erwartungshaltung meiner jeweiligen Gegenüber. Zurecht kommen wollte ich, bei mir bleiben und nicht so oft außer mir geraten, wollte ich lernen. Lernen, wie ich mit Panik-Attacken umgehe, das wollte ich. Hat ihnen nicht gereicht, zu ungenau, meinten sie. Statt dessen bekam ich „Hausaufgaben“ in Form von Fragebögen zum ankreuzen. Super Sache, wie in der Fahrschule. Den Vogel abgeschossen hat am Ende ein Herr, der es wohl zunächst erkenntnisreich fand, sich mit einem leicht depressiven, Angst-gestörten trockenen Alkoholiker zu beschäftigen. Zu Beginn schon wurde mir klar gemacht, dass mein über gut zwei Jahrzehnte andauernder Konsum so einiges irreparabel zerstört hätte, neurologisch, in meiner Birne. Das will ich gar nicht ausgeführt haben, dachte ich, ist sowieso klar. Sag mir lieber, wie ich mit dem schäbigen Rest zurecht komme, du arrogantes Arschloch – während ich stumm zuhörte. Und dass ich meinem inneren Kind doch nicht so oft den Rücken zudrehen sollte, mit Internet , bloggen und so. War nach ein paar Probestunden zu Ende, die Show.

Eine Ausnahme gab es übrigens, eine verständige junge Dame, die unglaublich gut zuhören konnte, leise Zwischenfragen stellte, die es stets in sich hatten. Die wurde prompt schwanger und fiel aus. Schön für sie, für mich weniger. Ab da habe ich mich wieder verstärkt dem Mensch-gewordenen zugewandt, war die beste Entscheidung seit langer Zeit.

In dem Sinne – ein frohes Fest uns allen!

PS: Ich möchte mit diesen Zeilen in keinem Fall professionelle Hilfe verunglimpfen oder in Abrede stellen. Auch ich habe auf dieser Ebene durchaus Hilfe erfahren. Es sollte allerdings passen, das miteinander.

Schraube locker

Eine typische Eigenschaft der phobischen Persönlichkeit, schreibt Scott Stossel, sei das Bedürfnis und die Fähigkeit, anderen eine relativ gelassene, ruhige Erscheinung zu bieten, während sie innerlich unter extremem Stress stehen. „Manchen Leuten mag ich ruhig vorkommen. Aber wenn man einen Blick unter die Oberfläche werfen könnte, würde man sehen, dass ich wie eine Ente bin – ich strampele, strampele, strampele.“

Ein guter und lesenswerter Artikel rund um die Angst, um Depressionen, den Umgang damit und typische Medikationen. Für euch vollständig lesbar :

HIER


Meine Angst ist definitiv älter als die Sucht, bei Depressionen ähnelt das Ganze dagegen eher der Frage nach der Henne und dem Ei. Während der eine überzeugend darlegt, nur so gesoffen zu haben, weil er depressiv war, behauptet der andere, vom saufen depressiv geworden zu sein. Beides mag stimmen, für die jeweils Betroffenen. Selbst habe ich mir diese Fragerei abgewöhnt. Es IST, wie es ist und ich darf mir Werkzeuge dagegen bereit legen und nutzen, so ich mich rechtzeitig an sie erinnere. Wenn ich auf mich selbst schaue, auf den Umgang mit dem, was hinter meiner Suchterkrankung steckt, merke ich, dass ich vergleichsweise gut aufgestellt bin.

Nach wie vor steht die Selbsthilfe vorne weg, gefolgt von gewissen therapeutischen Maßnahmen, die zwar hilfreich sind, aber zeitlich eng begrenzt. Eine eher untergeordnete Rolle spielt das Thema Medikation, aber es gibt sie. Untergeordnet deshalb, weil ich die Folgen des nicht-Einnehmens Dank meiner Vergesslichkeit schon beobachten durfte, . So werden die Nächte wieder lebhafter und kürzer, als sie eh schon sind. Mich selbst verliere ich dadurch nicht.

Über alledem steht allerdings meine höhere Macht, wie wir in der Selbsthilfe sagen. Die kann für jeden anders ausschauen, wichtig ist für mich heute, anzuerkennen, dass es Gott gibt – und ich es nicht bin. Was das Ego auf ein erträgliches Mass reduziert und mit ihm die Ängste, bei zeitgleicher Zunahme von dem, was man wohl Urvertrauen nennt. Etwas für mich immer noch Neues …

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