Er ist wieder da.
Über einen Monat lang haben wir ihn nicht gesehen. Natürlich wurde gemutmaßt, was mit ihm wohl geschehen sein könnte – so lange war der noch nie weg. Irgendwann ging das Gerücht um, seine „Besitzerin“ sei mit ihm umgezogen, weit weg. Haben wir geglaubt, weil wir es glauben wollten.
Menschlich, so Wunschdenken. So wie damals, vor langer Zeit mit dem verrenteten Kollegen, der zeitlebens familiär einen schweren Stand hatte und dazu dem Alkohol nicht abgeneigt war. Er ward nach kurzer Zeit nie wieder gesehen und irgend einer ließ uns die schöne Geschichte glauben, er sei abgehauen, von seiner Brut, und verbrächte seine Tage in der Südsee, schön mit langstieliger Meerschaumpfeife, Longdrink und hübschen jungen Frauen. Haben wir gerne glauben wollen, weil die Geschichte so sehr nach einem Happy-End klang und wir allen Beteiligten ihren Anteil gerne gönnen wollten. Natürlich halten solche Geschichten der Wirklichkeit nicht stand. Der Kollege starb vereinsamt in einem Pflegeheim schwerst dement an den Folgen seines Lebenswandels.
Nun kommt er also allmorgendlich wieder lang, der Werkstattkater ohne Namen. Abgemagert, wund, mit langer OP-Narbe unterm Bauch und durchhängendem Bauchfalten, aber immerhin ärztlich versorgt. Hatte wohl Hausarrest, zwecks Heilung. Freudig erregt lässt er die gerade gefangene Maus laufen, als die Kollegin mit ihrem Auto vor Schichtbeginn ankommt. Gut für die Maus und tränenreich für uns alle, den kleinen Penner wiederzusehen.
Wenn es stimmt, dass eine Katze 7 Leben hat, so hat unser Schmutzfuß locker schon 9 verbraucht. Läuft also im Bonus, wenn man so möchte. Aber es gibt ihn noch – Gott sei Dank. Das Los eines Freigängers, immer in Gefahr zu sein. Auch mit geschärften Sinnen werden die meist nicht sehr alt. Unsere „Gefangenen“ dagegen haben gute Chancen auf ein langes Leben. Interessant sind einerseits Vergleiche mit unserem menschlichen Dasein. Faszinierend aber auch, dass selbst „Hauskatzen“ immer ein Stück weit wild bleiben, bei aller Anhänglichkeit und Liebe. Einmal wieder auf sich selbst gestellt, kommen sie auch allein zurecht, sofern sie nicht schon sehr alt sind. Können wir Menschen etwas von lernen, die wir oft genug vor offenen Gefängnistüren verharren, weil uns die Angst vor der Freiheit davon abhält, einfach zu gehen.
Voila … den kriegen wir wieder ins Futter.
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