Samstag, 240330

Die Feiertage entzerren das Tagesgeschäft, schaffen freie Zeit, und so mache ich mich per Bus auf dem Weg zur Mutter. Die Luft klar und meine Stimmung gut.

Karlsplatz, ich schaue aus dem Fenster. Alte Dame mit kleinem Hund, an dem irgendwas mit einer Hinterpfote nicht stimmt, die ein kleiner, schwarzer Verbandschuh ziert. Eine weitere alte Dame spricht die beiden an und herzt den Kleinen. Eine Szene wie aus einem Stummfilm, denke ich. Und dass kleine Hunde, zudem noch derangiert, das Herz erwärmen.

Auf den Südhöhen, Richtung Muttern, ich passiere diesen kleinen roten Transporter, an dem ich schon unzählige Male vorbei gegangen bin. Der Name eines Jugendkumpels ziert ihn, verkündet etwas mit Elektrotechnik. Heute sitzt jemand am Steuer und startet gerade. Ich winke, Fenster runter, „Ja bitte?“ – es dauert einen kleinen Augenblick, bis er mich erkennt, nach gut 4 Jahrzehnten. Grau die Haare, Ton in Ton mit  Augen und Stoppelbart, wir plaudern ein paar Minuten. Gleicher Jahrgang, Grundschule und später jugendtrunkene Dummheiten. Visitenkarte, ja, vielleicht auf bald. Ich bin angenehm berührt.

Kaiserwald (der heißt tatsächlich so). Bevor sich der fiese Saharastaub lästig auf Augen und Bronchien legt, versucht sich die Sonne ein letztes Mal durch die dicker werdende Himmelssuppe. Wäre ich wie gewohnt in den Bobbycar gestiegen, wäre mir auch dieses Bild entgangen. Eines von diesen Bildern, die mit KI nur weniger gut werden.

Feines Lichtspiel

240328 – Traumzeit

Bevor das Tagesgeschäft wieder alles ins ewige Dunkel schiebt.

Mein Selbst hängt in der Steilwand, unter mir viele Hundert Meter Abgrund. Es wird gekämpft, jeder gegen jeden, Männer und Frauen unterschiedslos. Viele fallen tief und irgendwann bin ich mit der Einen allein. Eigentlich ist sie mir wohlgesonnen und in ihrem Gesicht ist echte Anteilnahme und Trauer zu lesen, als sie mir den Rest gibt und mich in den Abgrund stürzen lässt. Aber das ist die Regel, es darf nur Einer übrig bleiben. Fallen, immer schneller. Irgendwo dort unten ist ein See, klein wie ein Spielzeugspiegel. Wie lange so ein Sturz dauert, ich schließe ab und verabschiede mich von mir.

Wider Erwarten verlangsamt sich sich der Sturz und ich tauche in den See ein, den zu treffen ich nicht gedacht hätte. Erstauntes Weiterleben.

Verstörend? Dann geht weiter, mal ist das so. Hin und wieder kämpf Mensch an allen Fronten zugleich und dann geht des Nachts die Seele wandern …

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240326 – Drabble-Dienstag

Die Regeln – 100 Wörter, die drei Vorgegebenen müssen enthalten sein. Beugen geht, Synonyme gehen nicht. Überschriften zählen nicht mit. Zum Zeichenzähler geht es hier. Viel Spaß!

Hier die Wörter für Dienstag, den 26.3.2024:

hoffnungslos – Seide – verschieben

Sein Blick schweift suchend über die Tische, über die Straße. Wenn nicht hier, wo dann? Freudestrahlend entdeckt er sie auf dem Rad – langes Haar flutet unter ihrem Helm im Wind, die Seidenbluse, mehr betonend denn verbergend.

Nachdem das Desaster mit der Nummer geklärt war, meint er lächelnd in Richtung der Kleinen – „Die hast du mir aber neulich vorenthalten“. „DIE steht im Stall und DER daneben “ tönt es daraufhin frech aus hoffnungslos eisverschmierten Mund. „Ich heiße Mia, und du?“ „Recht haste, ich bin Alex“, und zweimal fünf Finger treffen sich.

„Mutters Tochter“, grinst sie, während sie diskret einen Termin verschiebt.

Montag, 240325

Ringelreihe (für alle Freunde bildhafter Sprache)

Sie stehen in Reih und Glied, die Kollegen, Mitarbeiter, Führungskräfte, und üben sich in Fleiß, Contenance und Nettigkeit. Sie stehen am Büffet und lächeln sich huldvoll zu, machen kleine Scherze, pflegen Smalltalk und manchmal fallen spitzige Andeutungen. Man kennt und schätzt sich, richtet sich nach den hochgehaltenen Firmenwerten, natürlich.

Untenrum ist das Büffet blickdicht verkleidet, das hat echte Vorteile. So kann man bei gefälliger Betrachtung nicht erkennen, wie verbunden diese netten Menschen alle sind. Das Miteinander wird gepflegt, wenn auch anders als vermutet und offiziell dargestellt. So hat ein jeder in der feinen Reihe die Hände am Gemächt des Nachbarn, weder schambehaftet noch sonderlich unangenehm. Außer, du zwickst mich. Dann zwicke ich zurück, aber sowas von. Und weil das jeder weiß, wird nicht gar so oft gezwickt, untenrum. Und wenn, wird obenrum charmant dabei gelächelt, auch bei arger Pein.

Contenance, man kennt das.

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Samstag, 240323

Die Arbeit ruft und ich höre so schlecht. Gleich ist es 5 Uhr Nachmittags und der Plan war (ist immer noch), die Katzenklos zu säubern und staubsaugen. Anstelle dessen liege ich auf der Couch und schlafe, döse, tue mir nebenbei ein wenig leid, weil sich die familiäre Welt beruflich bedingt mal wieder weiter weg ohne mich dreht. Sei es drum, bis zum Rechner habe ich es schon mal geschafft.

Dazugehören, las ich gerade. Ein Blog weiter war von Therapie die Rede. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft ist ungebrochen, ebenso mein Hang, mich zurückzuziehen. Kling nach Spannungsfeld und ist auch eines. Therapien hatte ich einige. Zunächst einmal 22 Jahre Alkohol- und Drogenmissbrauch, natürlich erfolglos, aber immerhin verhinderte der Konsum suizidäre Tendenzen, die es in jüngeren Jahren (und natürlich am klatschnassen Ende) durchaus gab. Eine Ärztin half mir damals da heraus, ebenso die anonymen Alkoholiker, denen ich heute noch verbunden bin. Stolperjahre folgten, in so ziemlich jedem Lebensbereich. Wer bin ich?

Heute betrachte ich mich als austherapiert, ich komme mit den neuen Methoden nicht klar und andere haben weit größere Nöte. Das bischen schwarzer Vogel ist vergleichsweise wenig. Es blieb etwas zurück, aber ich weigere mich, Medikamente zu nehmen. Es gab eine Entscheidung für Licht und Schatten, das schließt psychoaktive Medikation aus. Eine gute Hilfe ist mir allerdings eine lebenserfahrene Ergotherapeutin, die ich monatlich sehe. Die hat mit den modernen Therapiemethoden nix am Hut, hört gut zu und stellt gerne die richtigen Fragen an den richtigen Stellen. Selten, so Menschen.

Mein Beruf fordert und schafft mich allmählich, fast 46 Jahre lassen grüßen. Jemand im Blogland schreibt von angenommener Lebenserwartung, stellt sich ein fiktives Datum auf und zählt die Tage bis dahin. Auch ein Plan, denke ich. Irgendwann ist man im Erlebensfall im Plus, wenn man so möchte und darf Bonustage leben. So hat jeder Mensch seine Art, mit Endlichkeit umzugehen. Selbst darf ich zunächst zuschauen und nach Kräften dabei sein, wie Endlichkeit am realen Ende ausschaut. Mutter gibt ein gutes Beispiel dafür ab, sie freut sich trotz mittlerweile chronischer Tagesanlaufschmerzen über jeden weiteren Tag auf Erden. Sie liebt Blumen, wir versorgen sie damit nach Kräften, erst heute Morgen brachte ich gewisse Pötte mit. Schön soll sie es haben, aufm Grab nutzen Blumen einen Scheiß.

Im Sommer soll es familiär bedingt in die Schweiz gehen, der Liebsten ist das wichtig. Mir ist wichtig, sie trotz nur 2 Wochen Sommerurlaub zu begleiten und rede mir die Vorzüge dieses Trips ein, ohne wirkliche Überzeugung. Was ich möchte sind Tage am Meer, die Füße müde und den Geist leer gehen lassen. Viele Kilometer gehen, gut essen, salzigen Wind spüren, gut schlafen. Knackige Widersprüche also, und dann war da noch etwas mit dem Wunsch nach Zugehörigkeit, siehe oben. Erlösung davon ist nicht irdisch, so scheint es. Was wäre irdisches Dasein schon ohne Widersprüche? Harmonisch oder doch nur langweilig 😉

Fürs Erste greife ich mir gleich die Earbuds und lasse meinen fragwürdig geringen Tatendrang musikalisch befeuern. Wat mut, dat mutt.

240319 – Drabble – Dienstag

Die Regeln – 100 Wörter, die drei Vorgegebenen müssen enthalten sein. Beugen geht, Synonyme gehen nicht. Überschriften zählen nicht mit. Zum Zeichenzähler geht es hier. Viel Spaß!

Hier die Wörter für Dienstag, den 19.3.2024:

Kopfkino – schimmernd – rödeln

Wo genau ist diese Ecke vom Bierdeckel nur geblieben, auf dem ihre Nummer stand? Entgegen seiner Routine hat er sie nicht sofort im Smartphone gesichert, zu sehr war er von ihrer Gegenwart im schimmernden Frühlingslicht des letzten Sonntag gefangen. Das folgende montägliche Rödeln auf Arbeit konnte zwar dem schönen Gefühl nichts anhaben, aber wo war die dumme Pappe?

Wieder Sonntag, er hat sich bis dahin nicht gemeldet. Ihr Kopfkino zeigt jede Menge alte Erinnerungen vergangener Schmähungen, während die Kleine hinten auf dem Rad fröhlich den gestrigen Tag Revue passieren lässt. Sie nimmt den Umweg und tatsächlich sitzt er wieder dort.

Drabbeln – in eigener Sache

Weil ich gelegentlich schon mal gefragt wurde:

Ich „stehle“ Wörter von so ziemlich überall, fremde Blogs, alle Arten von Websites, Bücher, Gebrauchsanweisungen, Werbung, Etiketten und so weiter. Meist bin ich bestrebt, die Substantive, Adjektive und Verben nicht inhaltlich so dicht „verwandt“ zu wählen – eine Geschichte habe ich beim wählen nicht im Kopf, gleichwohl eine subjektive „Prägung“ meiner Befindlichkeit, manchmal auch nur Spaß an der Widersprüchlichkeit, der Fremdheit und auch Schönheit mancher Begriffe zueinander und für sich allein. Meine „Sozialisation“ mag ihr Übriges tun 😉

Auch führe ich keine Listen über die bereits verwendeten Wörter, kann also sein, dass sich tatsächlich mal eines wiederholt. Dann rupft mich bitte nicht so erbarmungslos 🙂 Das drabbeln soll mir und euch Freude machen, solange dem so ist, geht es weiter. Wenn das wer übernehmen möchte – auch gut, für mich habe ich festgestellt, ich bin ein wenig „unvoreingenommener“ bei nicht eigenen Wortvorgaben.

Freitag, 240315

Rente mit 70 – ja sicher. Wie man so etwas von sich geben kann und zugleich darauf hofft, gewählt zu werden, weiß ich nicht. Wenn ich mich hier so umschaue – derzeit sind fast alle krank, alle schon weit über 50 bzw. 60. Last Man standing – aber auch ich hatte meine Ausfallzeiten, die altersbedingt nicht kürzer werden.

Passend dazu ein gestohlener, bildhafter Netzfund aus Kat`s wunderbarem Reisebericht :
Werkstatt 2030

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Sonst so? Der Stoiker in mir macht mich manchmal langsam. So geschehen gestern an der Tankstelle. Der Kerl hinterm Tresen, so`n Typ Lautkumpel mit ordentlich Tattoos, Stiernacken und sowieso per du, drückt mir so eine reklamierte Duftpappe in die Hand – hier, für´s Auto. Ich hätte den Scheiß gleich da lassen sollen, stattdessen stecke ich ihn widerspruchslos ein. Passiert. Im Auto hing das Teil genau 5 Minuten, die Wirkung war ähnlich der von hochparfümierten Frauen, nur ohne Abstand. Einfach außenbords wollte ich das Ding auch nicht drücken, gibt genug Umweltsäue. Tonne – nee, auch nicht, ist schließlich ein Geschenk (!).

Also hängt das Ding jetzt in der Umkleide und verströmt dort seinen chemischen Duft, der sich mit den eh schon vorhandenen Gerüchen lieblich bildgebend verbindet: Das olfaktorische Märchen vom überalterten Käse, der in eine Parfumerie geworfen wurde.

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