Corona und Heilige

Neulich las ich, der tiefere Sinn des Virus, der uns gerade so beschäftigt, möge darin liegen, über den Umweg der inneren Einkehr (prinzipiell eine gute Sache, wie ich finde) möglichst ein paar mehr Heilige zu produzieren.

Na ja.

Für mich ist das Ganze eher eine Prüfung. Ein Weckruf, näher zueinander zu stehen, auch, wenn gerade genau das Gegenteil von uns gefordert wird. Eine Erinnerung, wie schwach und bedürftig wir doch im Grunde sind. Eine Mahnung an unseren Umgang mit der Schöpfung, Stichwort Tiere essen (hier soll nach weit verbreiteter Meinung die Ursache liegen).

Heilige – die sind echt selten, glaube ich. Und richtig prickelnd ist so ein Heiligen-Dasein ja auch nicht wirklich. Erst werden sie mal umgebracht, möglichst spektakulär, damit der Rest beeindruckt ist, und gewarnt, nicht zu heilig zu werden. Für die nächsten 200 Jahre verschwindet der Kandidat in der Versenkung, um dann weitere 100 Jahre später Anlass für tiefer gehende Gedanken zu geben. Damit ist man dann weitere Jahrhunderte beschäftigt, bevor man zu dem Schluss kommt, der Betreffende möge seinen nicht ganz so glanzvollen Abgang doch möglicherweise unverdient empfangen haben.

Aber – nicht so eilig. Erst einmal wird der Kandidat selig gesprochen, also heilig light, wenn man möchte. Das ist so eine Art Probezeit, die nichts mit dem jetzt Seligen zu tun hat, sondern eher damit, wie das gemeine Volk mit dieser späten Ehre umzugehen gedenkt. Bleibt alles ruhig und friedlich, kann man einen Schritt weiter gehen und fängt erst einmal an zu graben. Ein Heiliger braucht schließlich eine Reliquie, also irgend etwas Handfestes, ein schönes Stück Knochen eben. Ideal wäre der Schädel, wegen dem größtmöglichen Eindruck. Ein gemeines Stück Rippe tut es zur Not auch, wird eben das Gefäß ein wenig nobler gestaltet (Achtung, der Eindruck.) Findet sich tatsächlich nichts mehr, nimmt man halt irgend etwas vergleichbares, da ist die Erde mehr als ergiebig.

Wenn das alles denn nun vollbracht ist, erfolgt endlich die Heiligsprechung und man kann den kläglichen Rest bei gewissen Gedenktagen lüften gehen, um nach Möglichkeit vielen späten Bewunderern eine kleine Gelegenheit zu einem gemeinsamen Spaziergang zu geben, verbunden mit dem Gedenken an einer herausragenden Tugend, die man dem nunmehr Heiligen postmortalem nachsagen möchte oder eben andichtet, mangels genauer Erinnerung. Nach so langer Zeit wird das bekanntlich schwierig, manch einer wusste vor Gericht schon nicht mehr, was er einige Monate zuvor gesagt/getan hatte.

Wenn ich das alles so recht bedenke und mal ganz davon absehe, wie gut gebraucht und teils auch beschmutzt meine Seele schon ist – nee danke. Kein Weg für mich. Heilig-werden überlasse ich gerne den anderen. Und dir liebe Teggy, danke ich von ganzen Herzen für die schöne Anregung zu diesem Beitrag hier 🙂 Im Kern liegst du ja durchaus richtig…

+