Sonntag, 221016

Mir geht dieses Bild nicht aus dem Kopf.

Vater schläft offensichtlich tief und fest, mit offenem Mund. Meine Mutter sitzt an seinem Bett und streichelt seine Hand. Diese Atmung. Flach, gut hörbar, und ein unglaublich langsamer Rhythmus, immer wieder unterbrochen durch lang andauende Atempausen, in denen ich zweifele, ob noch ein weiterer Atemzug folgt. Aber auch die Pausen unterliegen dem Rhythmus, es geht weiter, vorerst. Vaters Hand bewegt sich und ich lasse die beiden allein.

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Am Abend versuche ich mich abzulenken, installiere eine neu App auf meinem Phon. Son Ding, das nicht nur den Mond, auch die Sonne und alle anderen Planeten betrachtet. Viele Zahlen, Geometrie pur, ich verstehe nur wenig, erfahre aber nebenbei, dass der Mond jetzt gerade das Sternbild Krebs passiert, in dem er, wie in allen anderen Zeichen rund 2.5 Tage verweilt. Im Sternbild Krebs ist er zuhause, der Mond, in der Gegenwart ebenso wie zur Zeit meiner Geburt. Welch eine Zeitqualität.

Die Bilder wollen nicht weichen. In solchen Zuständen gehe ich öfter mal in die Küche. Es ist Samstag und ich denke an unsere Ex-Kanzlerin, der man eine gewisse Suppen-Affinität nachgesagt hat. Nebenbei denke ich, wie schnell das geht, mit den guten alten Zeiten, damals, mit Mutti. Kartoffelsuppe steht also für Stabilität und Erdhaftigkeit und so entscheide ich mich, einen großen Topf davon zuzubereiten. Während ich schnippele und putze, läuft Musik, und so langsam macht es der Kopf dem Magen nach und leert sich.

Ein solcherart gefüllter Magen sorgt auch für eine etwas bessere Stimmung, der Rest des Tages verläuft unspektakulär, gefolgt von einer Traum-durchwirkten Nacht. Beim schreiben jetzt spüre ich eine gewisse Erleichterung. Die sich immer wiederholende Magie, wenn sich Gefühl und Wort miteinander verbinden und eine harmonische Einheit bilden.

Der Sonntag steht an, es soll halbwegs trocken bleiben. Der Ärger um den Pflegedienst (den gibt es ja für Mutter auch noch) kann warten. Zeit, sich den goldenen Oktober mal näher anzuschauen, heute Nachmittag.

I’ve been looking so long at these pictures of you…

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Freitag, 220318

Mein arabischer Lieblingskollege – das relativiert sich, wenn man bedenkt, dass ich nur einen Kollegen habe – also mein arabischer Lieblingskollege hat die Seuche, mich scheint es verschont zu haben. Und so darf ich nun ganz allein werkeln, das ist gut und nicht so gut, derweil ein jeder mit seinem Kram angeschissen kommt werden doch Duldsamkeit und Flexibilität über das normale Maß hinaus getestet. Sei`s drum, ein jeder hat seine Not.

Sonst so? Es hat vollen Mond. Der macht unruhige Nächte und seltsame Träume, stiftet Verwirrung und diente in ferner Vergangenheit gerne als Ausrede für kräftige Besäufnisse, die im übrigen auch bei Neumond stattfanden. Was bleibt, ist die getriggerte weibliche Seite des Mannes und die strubbeligen Nächte. Selbst die Jungkatze benimmt sich seltsam, aber das muss nicht mit dem Vollmond zu tun haben.

Hier nötigt er mich zum verweilen, strahlt er doch um die Wette mit diversen Scheinwerfern und Straßenlampen. Es kratzt ihn auch nicht, dass hinter mir gehupt wird. Wenn es ihm schon gleich ist, mir erst recht …

Hier noch ein Klassiker in Sachen Mond…

PS: Es schreibt ein Mensch mit Mond im Sternbild Krebs, obendrein noch im 12ten Haus.
Dazu die Sonne im Zwilling und einem feinen Löwe-Aszendenten,
damit das mit dem Mond nicht so auffällt …

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Sonntag, 201115

Der Titel erinnert mich daran, es ist bereits Mitte November. Volkstrauertag, heute, so hörte ich gerade im Radio, beim Fassadenputz. Sterbe- Trauer- und Beerdigungskultur hierzulande waren Themen, passend zum Tag. Was mich an das Bevorstehende erinnerte, auch wenn es noch dauern sollte. Eine Wiese soll es sein, halb-anonym, mit Namenstafel, aber maschinell mähbar drumherum, auf dass niemand kleingärtnern müsse. Danke dafür.

Die Zeit bis dahin gilt es allerdings mit Leben zu füllen. Da sein helfen, wo nötig, immer in Deckung bleiben, meinen Job machen. Zusammen mit so Tagen wie gestern, die besser gerieten als befürchtet. Der Krebs-Mond in mir zieht sich so weit als geht zurück, geht mit Panzer spazieren, neben dem Rollator Herbstblätter aufwirbelnd. Heim gefahren, und auf der Rückfahrt läuft Tash Sultana, Jungle, vom Stick. Ihr haben Pilze einst mehrere Monate Psychiatrie eingebracht, gefolgt von einer Musiker-Karriere aus Kompensation des erlebten Irrsinns. So ein Glück hat nicht jeder, denke ich, während ich mich durch die Stadt bewege.

Abschiede. Es werden immer mehr, auf allen Ebenen. Es fühlt sich seltsam an, dem ganzen so völlig planlos zuzuschauen. Ich schwimme mit, lasse mich führen, widerstehe meinen eigenen Fluchtinstinkten, die noch nie ein guter Berater waren. Freue mich über die, die bleiben, in meinem Leben, schließe ab mit alten, unerfüllbaren Sehnsüchten und verweile im hier und jetzt. Natürlich könnte es schlimmer kommen, so sagte ich früher. Was impliziert, es ist schon schlimm. Ist es heute nicht, es ist, wie es ist. Ohne Wertung. Für das Gefühl in meinem Bauch gibt es ja immer noch die Tastatur und euch, die ihr das vielleicht mit lest, mit fühlt, oder es kommt euch sogar bekannt vor, das eine oder andere. Besser als Pilze & Co allemal. Gefangen in mir selbst war ich lange genug. Da ist es zwar sicher, aber einsam.

Hier und jetzt heißt, gleich ist Gymnastik, Yoga, Meditation, gefolgt von Frühstück, bevor ich wieder mit dem Tag allein bin, derweil die Liebste am Schreibtisch sitzt. Sonntag eben. Leben ist manchmal so berechenbar, das es mich juckt, kleine Granaten zu werfen und mal schauen, was sie anrichten. Nur so, damit sich mal wieder etwas bewegt. Den Ball in`s offene Zelt auf dem Campingplatz schießen, mich über die entstehenden Geräusche freuen und abwarten, wer mit geschwollenem Kamm heraus poltert. Bilder in meinem Kopf – und gut, dass ich keine 16 mehr bin.

Fundstück zum Bauchgefühl…

Vollmond

So gesehen letzte Nacht über den Dächern gegenüber. Leider gibt meine Kleine nicht mehr her, der „Mann im Mond“ war richtig gut zu sehen. Gedanken dazu … weibliches Prinzip, Herrscher im Zeichen des Krebses, so auch die Zeichenstellung in meinem Geburtshoroskop … Mond in Krebs, Fluch und Segen.

Oder – mal etwas nüchterner betrachtet – Herr über Ebbe und Flut, oft genug auch über den periodischen Zyklus vieler Frauen. Diese natürlichen Einflüsse sind schon faszinierend genug, von den astrologischen Deutungen einmal abgesehen.

Und ich ?
Staune, beim betrachten…
Und freue mich, dass ich staunen kann.

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