Gedankenkreisel, der gestrige Tag. Eigentlich ist alles in Ordnung, der Tag lief alles in allem wie geplant. Wäre da nicht die extrem kurze Zündschnur, was andere Verkehrsteilnehmer angeht. So stelle ich meinen Kleinstwagen in die allerletzten Mini-Lücken, im Kiez Alltag, in der bürgerlichen Nachkriegssiedlung meines Geburtsortes sorgt das für Empörung. Kommt mir gerade recht, da darf ich üben, die Fassung zu bewahren, mit meiner 87-jährigen Mutter neben mir. Allein wäre das möglicherweise anders abgelaufen.
Gottverdammter Stadtteil, ich komme nicht davon weg. Hier bin ich aufgewachsen, hier hat alles seinen lokalen Ursprung. In eine paar Stunden fahren wir wieder dorthin, diesmal liebe Freunde besuchen, die etwas außerhalb, aber immer noch in diesem Kaff wohnen. Ich mag sie sehr, darum nehme ich eine weitere Fahrt entlang der engen, miefigen, mit klebriger Erinnerung behafteten Straßen in Kauf.
Neulich hob wieder jemand Geld ab, am Automaten. Unkonventionell und nicht gerade leise, mitten im „Zentrum“ von dem Dorf. Das ist nicht fein, nein, und ein übles persönliches Saldo rechtfertigt auch nicht den gestörten Nachtschlaf sowie manch schiefhängendes Bild der Eingeborenen oder Zugezogenen dort. Und für mein Ego ist es auch herausfordernd, meine erste Reaktion war der Gedanke, dass wieder unsägliche Idioten am Werk waren. Tiefbegabte Möchtegern-Verbrecher, nehmt mehr Sprengstoff, dann hat sich jedes Parkplatzproblem schnell erledigt. Jagt das ganze Dorf hoch, dann gibt es auch fein Platz für die 2031 geplante Bundesgartenschau.
Und nein, ihr könnt alle nichts dafür. Die historisch leicht inzestuös veranlagten Dörfler ebenso wenig wie die die dusseligen Pseudo-Banditen, vom Vollmond fange ich jetzt mal gar nicht an. Ist nur meine eigene Gereiztheit, meine Schlaflosigkeit, die unter anderen solch grenzwertige Blogeinträge produziert.
Ich gehe jetzt meditieren und dann Brötchen holen. Danach meditiere ich weiter, solange, bis die potentiell üblen Schwingungen der anderen Brötchenholer sich von meinen eigenen getrennt haben. Zwar werde ich sie nicht alle lieben können, aber irgendwo muss ja angefangen werden.
Meine Reisetaschen stehen bereits im Wohnzimmer, aber noch ist nichts entschieden. Am Nachmittag bin ich wieder in der Klinik. Mutter sagte am Telefon, Vater dürfe morgen wieder heim, die Schwester auf Station meint dagegen, mal sehen, CT stünde noch aus. Kaum bin ich im Zimmer, wird er auf den Flur gerollt, zum Transport in die Radiologie, am anderen Ende der Klinik. Wir warten auf den Transporteur, wir kennen uns schon. Ein kräftiger Kerl, der in seiner Zweidrittel-Stelle am Tag ca. 12 Km macht, im Stechschritt. Es geht über den Aufzug in den Keller und quer durch das marode Geschoss, die Klinik steht kurz vor dem Umzug in einem Neubau andernorts. Warten vor der Radiologie, Vater schimpft über das ständige warten. Im Prinzip ein Zeichen allmählicher Erholung, die Menschen auf Station nehmens gelassen, sie sind einiges gewohnt.
Schnappschuss …
Wieder auf Station frage ich den behandelnden Arzt, ob er schon etwas sagen könne, aber es dauert noch, die Bilder gehen erst zu den Radiologie-Ärzten und von dort auf Station. Morgen wisse man mehr, wir vereinbaren einen Telefon-Anruf. Wenn nichts gravierendes dagegen spräche, könne Vater morgen heim. Ich bleibe noch eine Weile, erfahre, dass er Hilfe beim waschen bekam, mal sehen, wie das daheim weiter geht. Schluckauf hat er wieder, beim letzten Mal haben sie ihn schon diesbezüglich untersucht, Magenspiegelung eingeschlossen, ohne Befund. Psychosomatisch, meinen sie. Ich sage, warte mal ab, bis du in ein paar Tagen daheim zur Ruhe kommst, das gibt sich. Benommen mache ich mich auf dem Heimweg.
Zuhause halten wir Rat. Die Liebste sagt, wir bleiben hier. Alles so unsicher, Ruhe würde ich keine finden und sie hätte auch keine Freude an mir, dann. Sie kennt mich, und so entscheiden wir uns, zu bleiben. Mutter ist erleichtert, obgleich sie es sehr schade findet. Aber es fühlt sich für mich richtig an, das allein zählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in ein paar Tagen erneut fällt, ist nicht gering, hatten wir alles schon. Und wieder höre ich diese Worte: Ich tue meine Pflicht, sagt sie. Das sage ich auch oft, meine ich, und dass es schon etwas mehr wäre. Wir sprechen über vergangenes, das angesichts seines Zustandes mehr und mehr verblasst. Vergebung geht, vergessen niemals, darin sind wir uns einig.
*
Es fehlen ein paar Dinge und wir machen uns gemeinsam auf in die Stadt. Hunger stellt sich ein und wir beschließen, irgendwo einzukehren. Gar nicht so einfach, Laden 1 will uns einen Katzentisch anbieten, Danke nein. Laden 2 ist leer, an der Wand steht was von Flammkuchen, aber der Kellner meint, Koch krank und die tägliche Lieferung sei auch ausgeblieben. Schlussendlich kehren wir in eine uralte Studentenkneipe ein, die sich tatsächlich über die Jahrzehnte behaupten konnte. Ein freie Tisch wartet auf uns, weiter hinten, wir nehmen Platz. Es ist laut und voll, alles redet durcheinander und ich höre ein paar despektierliche Bemerkungen über den Umstand, dass ich offensichtlich der einzige Maskenträger hier bin. Ein dummes Lied fällt mir ein und eine komische Pflanze. Eine Weile sitzen wir da und warten auf das Essen, das alsbald kommt und so langsam entrollen sich die Blätter der komischen Pflanze wieder.
Das folgende wäre so nie geschehen, hätten wir uns entschieden zu fahren. In dem Fall hätten wir ein Restefest aus dem Kühlschrank gestartet und ansonsten Zeug zusammengesucht. Und auch der Katzentisch sowie der leidende Koch aus Laden 2 passen in das Bild, wir sollten genau dort sein, wo wir letztendlich landeten. Während wir noch auf den Espresso warten, steht urplötzlich eine junge Frau vor uns, begrüßt uns freudestrahlend, fragt, wie es uns geht. Die Liebste ist ratlos und selbst brauche ich einen kleinen Moment. Diese Augen. Es sind die Augen der Mutter meines Sohnes, der Halbschwester meines großen Kindes, zu der ich seit damals aus vielerlei Gründen keinen Kontakt mehr habe. Eine Passage in meinem (nassen) Leben, die ich nicht ungeschehen machen kann und für die ich mich immer noch schäme. All dies ist für einen Moment nicht existent, ich stehe auf und wir nehmen uns herzlich in die Arme. Sie ist mit einer Freundin dort, am Nachbartisch, ich hätte sie nicht erkannt, wäre sie nicht auf uns zugegangen. Wir wechseln ein paar freundliche Worte, bevor sie wieder Platz nimmt und ich spüre, wie mir die Augen feucht werden.
An der Stelle schließt sich in mir innerlich ein Kreis. Vergebung und vergessen. Sie wird niemals vergessen, aber diese Augen lassen auf Vergebung schließen. Ich bin tief bewegt – was für eine Zeit!
Als junger Mann dachte ich, ich sei Pazifist. Hatte so nen Aufkleber auf meinem Schrott-Käfer: Ein Dinosaurier, daneben stand „Ausgestorben. Zu viel Panzer, zu wenig Hirn„. Mit sehr vielen anderen Menschen war ich Anfang der Achziger im Bonner Hofgarten, demonstrierte gegen die Stationierung neuer Waffensysteme im Westen. Hörte gebannt Heinrich Böll sprechen, den ich bis heute verehre.
Jetzt ist einiges anders. Ich weiß, ich bin kein Pazifist, heute kenne ich meine Wut, mein Aggressionspotential, das sich früher in der Hauptsache gegen mich selbst gerichtet hat. Wut, mit der ich heute in der Regel zurecht komme. Ein wildes Tier, nicht eingesperrt, aber an der Leine, mit Maulkorb, auf dem steht:
Du sollst nicht töten
So ist geblieben die Ablehnung von blinder, sinnfreier Zerstörung und unermesslichen Leid. Was Kriege anrichten, treibt mir das innerste nach außen, der ganze vererbte Scheißdreck ist wieder zu spüren. Und doch geht es mir ähnlich wie Croco, auch ich hätte nie gedacht, es mal zu begrüßen, wenn Armeen an den Grenzen der „westlichen“ Länder verstärkt werden.
*
Sonst so? Ein gewaltiges altes Lied, das mir verstohlene Tränen in die Augenwinkel treibt. Danke fürs teilen, Springerin.
Draußen wird es hell, Zeit, die Lichter zu löschen und die Rollläden zu lüften. Im Kopf noch halb beim gerade Geschriebenen, halb bei dem, was der Samstag an Routine von mir erwartet. Deutlich zu spüren der Unwille, mich unter gierige, hamsternde Menschen zu mischen. Steckt euch eurer Mehl und Sonnenblumenöl dorthin, wo es immer dunkel bleibt. Aber lasst mir vorher noch was übrig …
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Für G. – und für mich, zur Erinnerung.
Ohne diese Gewissheit für mich, dass meine ewige Seele nicht zugrunde gehen kann, sondern dass sie ihre Aufgabe weiter erfüllen kann, hätte es ja keinen Sinn mit der äußersten Intensität noch zu leben und zu arbeiten und zu wirken. Jeder Tag ist erfüllt mit dem Versprechen für die Zukunft. Darum, meine Lieben, kümmert mich auch das, worin die Analytiker so begierig wühlen, die Vergangenheit, eigentlich nicht. Denn wenn mir jemand sagt: Ja, meine Eltern, ja, meine Verhältnisse, ja, all das – Ja, mein Lieber deine Seele hat das ja gewählt, als du, deine Seele sich inkarnierte, hat sie ja bei den Eltern, in den Verhältnissen hier einen Körper angenommen, um von da aus zu entwickeln dein Weitergehen mit den Aufgaben, die dir da gesetzt sind. Nimm diese Aufgaben tapfer an, denn sie gehören zu dir und es ist niemand schuld, niemand schuld! Und wenn mir jemand mit dem allem anfangen will zu reden, „Ja, meine Mutter …“ und neulich kam eine, die aus der Therapie davongelaufen ist, der der Therapeut – das ist ja eine der Stil-Übungen — gesagt hat: „Schlag deine Mutter tot!“ Nun ja, mhm. Da habe ich ihr nur ironisch gesagt: „Na und? Na und?“ „Nicht wahr, du musst doch weiterleben, lass doch die Vergangenheit.“
Heinz Kappes, religiöser Sozialist, evangelischer Pfarrer, Quäker, Übersetzter. Zitiert aus seiner Rede vom EA-Treffen in Höchst am 12.02.1977 – Die Heilung der Emotionen durch die Seele
*
Für C. – und für mich, dito zur Erinnerung
Einst verließ ich diese Stadt.
Weil jede Straße, jedes Haus meine Geschichte atmete.
Sie sagten, pass gut auf.
Egal wohin du gehst,
du nimmst dich immer mit.
Ach, sagte ich,
den kenne ich,
den großen schweren Koffer.
Aber, es mag doch sein,
den zu finden, der ich werden könnte,
der Bestimmung folgend.
Und der Koffer kriegt Rollen,
dann wird er leichter zu bewegen.
Vielleicht stelle ich ihn bald an die Straße,
leere ihn und sortiere aus
all den Ballast.
Sprühe mit Lack "Na und" herauf
Und reise fortan mit leichteren Gepäck.
Allerheiligen, der Beginn des stillen Monats, mehr oder weniger. Zum Gedenken der Toten brauche ich persönlich keinen besonderen Tag, das mache ich unregelmäßig das ganze Jahr über verteilt. Es beschäftigt mich mehr der Umgang mit den Lebenden, und ja, es gibt eine Brücke zum heutigen Tag. Menschen gehen meist zu verschiedenen Zeiten und die so genannten Hinterbliebenen dürfen nicht nur derer gedenken, die voraus gegangen sind, sondern auch ihres eigenen Verhaltens ihnen gegenüber, sofern die Reflexion dazu ausreicht. Darin übe ich mich, mit Blick auf meine Eltern, ohne Streben nach Perfektion. Dazu ist meine Seele in Teilen zumindest noch zu aufgewühlt. Fortschritt ist machbar, das geht.
Was mich auch beschäftigt – ich habe dieser Tage mehrfach von Menschen gelesen, die wieder so sein möchten, wie sie einst waren, vielleicht in einer etwas reiferen Ausgabe. Mir persönlich gruselt es bei dem Gedanken. Noch einmal so Angst-erfüllt, blockiert, gehemmt, sprachlos, ohne Worte, ohne irgend einen Sinn? Meine natürlich letztendlich erfolglose „Therapie“ bestand aus einer 22-jährigen Saufzeit, ohne die ich mich möglicherweise umgebracht hätte. Konjunktiv, was solls. Noch mal zurück? Niemals, egal wohin, dorthin jedenfalls nicht mehr.
Bleibt der Blick in die Gegenwart und nach vorne. Es geht mir gut, vergleichsweise. Kann manchmal den Nebel lichten und Brücken im Kopf bauen, Worte finden für das gefühlte. Lerne Vergebung, mir selbst und anderen gegenüber. Was Zorn nicht ausschließt, der darf sein, vor der Vergebung und auch danach, wenn sie noch nicht vollständig ist.
Dieser Moment, wenn am frühen Morgen festgestellt wird – die Energien fließen langsam, aber sicher, die Nase ist frei, Atem und Bewegungen harmonieren miteinander.
Dieser Moment, vielleicht eine Stunde später, im Auto, auf dem Weg zur Arbeit. Es läuft vom Stick (unmodern, habe ich mir vom großen Kind erklären lassen dürfen, angesichts der totalen Vernetzung der neuen Autos) es läuft also I’m so afraid von Fleetwood Mac, und mit einem Mal ist es wieder da, für ein paar Sekunden, diese uralte Gefühl. Verlassen von Gott und der Welt, ich bin für Sekunden wieder 18 19, oder 20, berauscht und versunken in diesem Gefühl.
Es geht absolut nichts verloren, alles wird gespeichert, um bei passender oder unpassender Gelegenheit wieder aufzusteigen, aus dem Sumpf der Vergangenheit. Sei es auch nur kurzzeitig, um festellen zu dürfen, heute ist es anders. Eine Beobachtung, die ich auch bei meinen greisen Eltern machen darf.
Wenn der Tod einen Sinn machen soll, mal abgesehen davon, dass es hier sehr schnell sehr eng würde, gäbe es ihn nicht – dann ist es das gründliche und vorläufig letzte Leeren dieses Speichers, um heimzugehen, Ruhe zu schöpfen, bis zur mutmaßlich nächsten Runde.
All das will sich so gar nicht in die grobstoffliche Welt einfügen, in der ich mich jetzt wieder bewegen darf. Jagen und sammeln eben.
Auch Sonntags früh aufzustehen, kann sich manchmal lohnen, wie heute früh zum Beispiel. Schnee im Tal der Wupper, ein seltener Besuch hier. Der Zauber hält natürlich nicht lange, mittlerweile ist nur noch zerfahrener Matsch übrig. Schönheit hat ein kurze Halbwertszeit, Glück oder das, was Mensch darunter landläufig versteht, ebenso. Manche versuchen dem natürlichen Verfall ein Schnippchen zu schlagen, Bildhauer zum Beispiel. Oder Die Erbauer manch historischer Gemäuer, sofern diese etwas Zeitloses, die Kriege, überleben durften. Architekten und Sprengmeister, zwei Enden eines Seiles, das wusste schon Heinrich Böll, wie er in einem meiner Lieblingsromane fein erzählt hat. Menschenwerke – nicht für die Ewigkeit gedacht.
Wo sind sie eigentlich alle hin? Lemmy zum Beispiel, der außer an die deutsche Bank sowie an die Firma Marshall an rein nichts geglaubt hat und das auch lautstark kund tat. Andere leben noch, die hier zum Beispiel, Heldin meiner Jugend und heute mit 66 Jahren Mutter eines 10-jährigen Mädchens. Eigentlich unterscheide ich mich mit meiner Graberei nach längst vergangenen Schätzen bei Youtube zumindest zeitweise wenig von meinem Vater, dessen liebste Beschäftigung darin besteht, Bilder von Vorgestern, von seinen zahllosen Reisen, zu schauen. Irgendwie erschreckend das, aber hilft die Zeit des Wartens zu überbrücken, jeder auf seine Weise. Auf den Frühling, auf den Tod, auf das Leben davor, auf das Frühstück, Gegenwart, ich komme gleich.
So. Musik zum Thema Vorgestern und zum heiligen Sonntag …
Manchmal begegnen mir Menschen, mit denen ich mich auch in meinem „alten“ Leben gut verstanden hätte. So geschehen gestern. Wir kannten uns damals nicht und das war sehr wahrscheinlich auch gut so. Beim gemeinsamen Essen wurde viel erzählt, von damals und von dieser Zeit, von alten gemeinsamen Orten, von der Gegenwart. Wir beide durften uns ändern, er wegen massiver neurologischer Herausforderungen nach einem Unfall, ich nach nicht weniger massiven Herausforderungen psychologischer Natur, Glückskinder, wie wir sind. Die meisten anderen haben nicht solch ein Glück, die Liste derer, die nach jahrelangem Konsum zeitig gegangen sind, wird immer länger.
Sonst so? Dritter Advent und ich bin froh um meinen Entschluss, dieses Jahr nur Fresskörbe zu verschenken. Jeder Besuch eines Geschäftes ist mir ein Angang, mit der beschlagenen Brille in den Schlangen zu stehen, kotzt mich an bietet zwar eine tolle Gelegenheit, mich in Geduld und Nachsicht zu üben, wird aber niemals zu meinen ausgesuchten Lieblingsbeschäftigungen gehören, genauso wenig das hinterherlaufen nach irgendwie fehlgeleiteten Postsendungen. Der Kommerz geht mir nicht erst seit Corona auf die Nerven, obwohl ich auskömmlich von ihm lebe. Widersprüche sind übrigens ein fester Teil in meinem Leben.
Der stille Monat beginnt heute und diesmal in mehrfacher Hinsicht. Das Gedenken der Toten am heutigen Tag ist eines, etwas anderes ist es, zu spüren, wohin Mensch sich gerade entwickelt, angesichts der Lage im Land, auf der ganzen Welt, wie es scheint.
Gestern Abend. Wir essen und schauen fern. Im WDR läuft irgendetwas mit Musik von 60 Jahren. Wieder mal, denke ich, irgendwie entwickelt sich West3 gerade zum Alte-Leute-Sender. Bedenklich finde ich, dass mich, uns, so vieles vom gesehenen und gehörten schon berührt – die scheinen es also auf uns abgesehen zu haben. Wohl voraussetzend, dass unsereins die stete Verhaftung mit der Vergangenheit innig liebt und die Erinnerung mangels prickelnder Gegenwart braucht wie das täglich Brot. Sei`s drum, der Sender läuft und die Kost ist leicht verdaulich. Auch mal gut.
Zu sehen sind viele Künstler ihrer Zeit, Werdegänge, Interviews, Vitas und natürlich viel Musik, auch Konzertmitschnitte. Unter inneren Protest macht sich aufgewärmtes, längst vergangenes Lebensgefühl, teils von Gänsehaut begleitet, breit. Und – da ich nun mal strebe, in der Gegenwart zu sein, denke ich, es fehlen heute wichtige Kanäle, den Frust loszuwerden. Dem (geselligen) Hedonismus wird gerade aus guten Gründen der Kampf angesagt und im Topf steigt der Druck, wie mir scheint. Nicht alle realisieren die Gebote der Stunde. Hätte ich in jüngeren Jahren vermutlich auch nicht gekonnt und einfach weiter gemacht. Wir waren mindestens so kreativ im umgehen von Regeln wie die Kid`s heute.
Sonst so? Es ist ruhig hier, Dank einer abgesagten Reise sind wir daheim und das ist gut so. Finden im übrigen auch unsere Mitbewohner…