Montag, 230227

Milieu-Studie.
Zugehört und aufgeschrieben.

Unterhalten sich zwei alte Säcke über das frühestmögliche Renteneintrittsdatum, ab einem gewissen Lebensalter das neue Thema Nummer 1. Jahreszahlen werden genannt und verworfen, alles nicht ohne. Man lässt uns nicht einfach so raus, sagt der eine. Nee, unter 50 nicht, sagt der andere. Berufsjahre, nicht Lebensjahre. Versteh`se getz, warum ich so bin? meint Nummer eins. Wenn ich zu nett bin, laufe ich mit knapp 70 noch hier rum, so lieb, wie mich alle haben. Vergisset, sagt der andere, da hasse ordentlich taktische Fehler gemacht. Hast se alle dran gewöhnt, an deine große Fresse, du warst doch immer schon so Scheiße. Die kennen dat getz nich anders, Luft nach oben ist nicht, krisse direkt ne Verhaltensbedingte angehangen. Und/oder ne Strafanzeige wegen sonstwas. Un netter werden is auch nich, dann machen se sich erst recht alle Sorgen um dich.

Klassischer Fall von festgefahren.

Sonntag, 230226

Eindrücke vom Samstag Abend.

Solche Momente, die perfekt scheinen, weil gerade einmal nichts im Kopf kreist. Oder besser gesagt, doch, irgend etwas ist immer, aber es stört nicht. Das Cafe ist verträumt, wenige Gäste, im Hintergrund läuft Radio Wuppertal, zum Glück leise. In 90 Minuten ist auch hier Wochenende, ich liebe diese Zeit. Lesen, schreiben, Waffel mit alles und Kaffee, aus dem Fenster schauen, Gedanken vermischen sich mit dem Geruch von heißen Kirschen und verflüchtigen sich. Für einen Moment ist die Welt immer noch so, wie sie nun mal ist, aber ich kann sie gut sein lassen.

Es ist halb Sieben durch und ich laufe unschlüssig durch die Stadt. Der Himmel möchte eingefangen werden, bildhaft, also nehme ich die Treppen hoch zum Parkdeck des hiesigen Kaufhof. Von dort hat man einerseits einen grandiosen Ausblick über die geballte Hässlichkeit der Elberfelder Nachkriegsinnenstadt von oben, aber der Romantiker in mir interessiert sich jetzt gerade nur für den Blick nach Westen, mit Mondsichel. Das Licht dieser Stunde ist einfach zu schön.

St Laurentius hat geöffnet, ich nutze die Gunst der Stunde und verweile. Mir sind die katholischen Riten und Gebräuche fremd, aber die Stimmung ist einladend, vorne singt jemand leise zur Gitarre, diskret hinter einem Pfeiler verborgen. Wer will, kann das Gespräch suchen oder sich segnen lassen. Ich sitze still, bis mich die aufsteigende Kälte langsam heimwärts zieht.

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Samstag, 230225

Ich habe einmal in einem dieser größeren Meetings einen der Freunde getroffen, der klagte – er hatte ein ziemlich verdorbenes Leben hinter sich –, dass Gott trotz seiner vielen Gebete ihm nicht geholfen habe. Ich konnte ihm eigentlich nur sehr direkt und sehr deutlich erwidern: „Schaff diesen Gott ab, denn der ist nur dein eigenes Ego! Du wolltest, dass deine eigenen Wünsche erfüllt werden, und du dein Leben fortsetzen kannst ohne dein Leben zu verändern.” Und so geht das halt nicht!

Heinz Kappes, Stuttgart 1982

Ich würde mein Leben nicht als verdorben bezeichnen, eher als erfüllt, wenn auch auf zahllosen Irr- und Umwegen. Das macht Hoffnung auf Fortsetzung, in welcher Form auch immer. Mein Gott ist kein Wünsche-Automat, der gegen Bezahlung das passende liefert. So manchen Traum habe ich, wenn ich ihn schon nicht beerdigen wollte, so doch auf Seite legen müssen, nicht zuletzt deshalb, weil ich selbst nicht in der Lage war/bin, meinen Teil zum umfänglich guten Gelingen beizusteuern. Was bleibt, ist die Gegenwart, und die schaut besser aus, als sie sich oftmals anfühlt. Wenn ich dem nachspüre, fühle ich keinen Mangel mehr, sondern Dankbarkeit.

Mittwoch, 230222

Morgengrauen, Berg im Nebel.

Monte Petrol 3.30 Uhr…

Am Abend dann – Verlorene Sängerin vor St. Laurentius. Komm näher, sagt sie so leise, dass ich es nur ahne. Mach ich, bleibe gedankenverloren stehen, leiste ihr Gesellschaft und lausche ihrem Spiel. Südliches Flair im Tal der Wupper.

Drabble – Dienstag, der 21.2.2023

Auch der Drabble-Dienstag geht in die Fastenzeit, wer möchte kann weiter ausrichten – oder bis Ostern warten.

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat.

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Gehänselt und gegretelt 2023
Wie es wirklich war.

Laubblätter nehmen mir die Sicht auf Wurzelwerk und Steine, während ich die Steigung den Wald hinauf bewältige. Wo steht die verdammte Hütte, man sieht den Wald vor lauter Bäume nicht. Nach einer Weile stehe ich endlich vor der Tür, ohne Schnitzeljagd. War ein Fehler, die Blagen im Wald auszusetzen, nix wird mehr fertig, zuhause. Ein Tritt, die Tür ist offen, was für ein Bild. Der Schornstein des glühenden Ofens bildet eine Mittelsenkrechte auf dem lehmigen Fußboden, davor die blinde Alte, will meinen dienstbaren Wurf fressen! Na warte, eine Drehung, und du nutzloses Geschöpf gibst selbst noch eine brauchbare Knochensuppe ab.

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Gewürfelt wurde hier.
Mehrfach-würfeln macht es übrigens nur anders, nicht leichter 😉
Wortzähler – hier

Montag, 230220

Ich brauche eine kleine Pause. So werde ich den Neumond und die beginnende Fastenzeit am Mittwoch für eine gewisse Enthaltsamkeit im Netz nutzen. Gerne würde ich die Drabbelei abgeben, mache sie aber weiter, bis sich wer berufen fühlt.

Drabble – drei Worte für Dienstag, den 21.2.2023

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat.

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Viel Spaß 😈 

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Gewürfelt wurde hier.
Mehrfach-würfeln macht es übrigens nur anders, nicht leichter 😉
Wortzähler – hier

Drabble – Dienstag, der 14.2.2023

Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht. Einen Preis gibt es auch nicht, der Lohn ist das entkrampfen der Hirnwindungen nach vollbrachter Tat.

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❤️  Valendienstag ❤️ 

NIE hörst du mir zu, tönt es lautstark an mein Ohr. Das ist so unrichtig wie übertrieben, allerdings verstehe ich tatsächlich manchmal nur Bahnhof, weil ich gerade noch ein paar andere Dinge zeitgleich mache. „Du nuschelst“, gebe ich den Ball zurück, „nimm mal die Wolldecke ausm Mund…“. Was die Stimmung nicht wirklich erhellt, klar – Kunstpause – „Komm, sags nochmal, ich bin jetzt ganz bei dir“, meine ich, „du bist jetzt ganz im Zentrum meiner ungeteilten Aufmerksamkeit“. Übertreiben kann ich im übrigen auch gut, zwei, die sich gesucht und gefunden haben. So kommt mit Verspätung doch noch ein beinahe liebevoller Austausch zustande.

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Banksy, der Blumenwerfer

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Gewürfelt wurde hier.
Mehrfach-würfeln macht es übrigens nur anders, nicht leichter 😉
Wortzähler – hier

Montag, 230213

Muttertags-Samstag, Nachlese vom Besuch in meinem Heimatdorf. Eigentlich isses gar kein Dorf, schon lange nicht mehr. Geblieben sind die engen Sträßchen, die mir als Kind so gewaltig vorkamen sowie seltsame Familienverhältnisse, die sich in den zwei dominierenden Familiennamen wiederspiegeln. Vom Gründer des Dorfes mal ganz zu schweigen, eure selbsternannte Heiligkeit Elias Eller. Der floh einst aus dem sündigen Elberfeld, um es auf den Südhöhen dann so richtig zu treiben und nebenbei die Sekte der Zioniten zu gründen. Der mündlichen Überlieferung zufolge gab es keine Eheschließung ohne seinen Segen, dem eine praktische Tauglichkeitsprüfung der Braut vorausging. Was selbst seinem alten Kumpel Daniel irgendwann zu bunt wurde, der daraufhin nach Arnheim floh.Zwar blieb man dem in seinem Dorf gewogen, aber die Macht der Coffee-Shops war einfach stärker und der gute Daniel irgendwann verschollen, vermutlich im dichten Rauch einer gewaltigen Tüte das Weite suchend.

Tja. So Sachen gehen mir durch den Kopf, wenn ich zuvorkommend fluchend mit meinem kleinen Auto die engen Gassen erkämpfe. So richtig authentisch wird das mit der passenden Musik. So lief letzten Samstag „Cowboys“ von Portishead. Dieses Lied passt so sehr in das Dorf, die Stimme der Sängerin lässt vor meinem geistigen Auge binnen Sekundenbruchteilen hinter jeder Hecke, hinter jedem Gemäuer fiese kleine, leise flüsternde Geister und Kobolde vermuten, mit spitzen Zähnen und boshaften Augen.

Bete, arbeite, fall nicht auf, machs jeden recht und halt ansonsten deine Fresse…

Did you feed us tales of deceit?
Conceal the tongues who need to speak?
Subtle lies and a soiled coin
The truth is sold, the deal is done

Sonntag, 230212

Man muss sie nicht lieben, die beiden. Insbesondere mit Alice Schwarzer tue ich mich schwer, obgleich gebürtige Wuppertalerin. Aber wo sie recht hat, hat sie recht. Zu den über 60 Erstunterzeichnern gehören bekannte Gesichter aus Politik und Kunst, mittlerweile haben über 225 000 467.352 Menschen (Stand 16.2.2023, 11.00 Uhr) die Petition gegengezeichnet, darunter auch ich. Worum es genau geht, wird auf der unten stehenden Seite gut erklärt, im Kern geht es um die Aufnahme von Friedensverhandlungen und – um den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Westen hat es als Unterstützer der Ukraine zu einem guten Stück weit mit in der Hand, , wie lange dieser Irrsinn noch dauert.

Zur Petition

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Sonst so? Ein unspektakulärer, grauer Sonntag, nach einem unspektakulären grauen Samstag. Mir fehlt die Sonne und mir fehlen freie Tage. Soweit der Mangel – und die Habenseite? Zumindest in mir ist Friede, mal mehr, mal weniger. Meine Alltagsroutinen geben mir eine gute Struktur und einen brauchbaren Fahrplan für die Bewältigung meiner Resterwerbstätigkeit, manchmal allerdings bricht sich der Punk in mir seiner Bahn und möchte am liebsten gegen jede Vernunft mal kräftig ausholen. Mache ich natürlich nicht, auch, weil es nicht nur um mich geht.

Aber dieses Gefühl, zu können, wenn ich wollte (übrigens dem Vernehmen nach eine der Hauptmotivationen der so genannten Sportschützen), nur mal kurz die Bremse lösen und dem Meister Unstet-Unberechenbar (feiner Doppelname übrigens) mal so richtig freie Bahn lassen. Das geht natürlich nicht, weil der in noch so kurzer Zeit soviel Durcheinander und Kleinholz produziert, dass die anschließend notwendigen Aufräumarbeiten, sofern überhaupt möglich, in keinem Verhältnis zu dem fragwürdigen Spaß stehen würden. Also mache ich es ihm gemütlich, dem Doppelnamigen, und gestatte ihm gelegentliches Rederecht, wenn er schon Mal zu mir gehört. Entscheiden darf er nicht, aber mitreden geht.

Passt ganz gut zum Thema – Bilder und Töne sprechen für sich.