Mittwoch, 201223

Nebenan wird noch geschlafen, derweil ich schon einkaufen war. Früher Vogel und so. Um halb Acht machte der Markt auf, kurz nach halb war ich drin. Viertel nach wieder raus und schon stand alles Schlange. Unnötige, aber unvermeidliche Sozialkontakte, die wie ich gute Gründe haben, kurz vor den ganz stillen Tagen noch mal schnell den Kühlschrank zu füllen. Ein super Übungsfeld, den Impulsen der Ungeduld nicht nachzugeben und sogar hier und da ein mildes Lächeln zu verschenken. Frohe Festtage wünschen. Jemanden den Parkplatz vor der Tür überlassen. Geht doch, nett sein.

Während ich über meine Ausbrüche von Nettigkeit nachsinne, läuft im Hintergrund die per Zufall-Mix die Playlist aller drei Studioalben von den Sisters of Mercy. Musik, die meine derzeitige Stimmung aus Planlosigkeit und Fatalismus verstärkt. Wenigstens der schwarze Vogel hält sich zurück, gut so. Nickt nur manchmal und schaukelt leise auf meiner Schulter – bin noch da, keine Sorge. Auf den ist Verlass.

Sonst so? Wir nutzen die freien Tage zum gemeinsamen Essen und Filme gucken. Lassen uns gemeinsam berühren. So wie gestern, Enkel für Anfänger, nettes Filmchen mit ernsthaften Hintergrund, das zum lachen und zum nachdenken anregt. Nachspüren, fühlen, was gehen könnte, für die Zeit nach der Arbeit. Für das, was man Alter nennt. Jeder für sich und idealerweise gemeinsam. Kommt leider nicht all zu viel bei heraus, meinerseits, Planlos eben. Im Grunde war ich noch nie viel anders, was irgendwelche Visionen, Pläne oder Träume anging. Es gab nie welche, das wurde spätestens, nachdem die klassischen Lebensentwürfe sich als für mich nicht praktikabel herausgestellt hatten (so feine Bilder wie Vater-Mutter-Kind ), klar.

Orientierung war nie meine Stärke. Praktisch sichtbar wurde das in grauer Vorzeit, als es noch keine Navigation im Auto gab. Die zahllosen Ehrenrunden in fremden Gefilden sind aus heutiger Sicht ein passendes Sinnbild und gut übertragbares Gleichnis in Sachen Orientierung. Was hoffen lässt, ist die Tatsache, dass ich meinen Weg eigentlich immer gefunden habe, wenn auch mit etlichen Schleifen, seltsamen Abzweigungen, Umwegen und Hindernissen wie z.B. Baustellen oder Unfälle.

So Sachen werden immer dann klar, wenn gerade mal nichts abzuarbeiten ist. Also kein industrielles Gewerke, kein Elterndienst, kein sonst was. So wie jetzt eben. Was da bleibt, ist weiter auf Führung, auf innere Navigation vertrauen, darum zu bitten, weiter machen, wach bleiben, sich dem stellen, was ist.

Und – nach den Tagen wird es kälter, das passt gut.

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Gar nicht so einfach

Das ist es wahrlich nicht, einfach, ein besserer Mensch zu werden. Was heißt das denn eigentlich genau? Für mich, denke ich, ein wenig friedfertiger, ein wenig mutiger und ein wenig selbstloser zu werden. Klingt ganz einfach, oder?

Wenn, ja wenn nicht Nett die kleine Schwester von Scheiße wäre, für viele Menschen. Parke ich mein eh schon kleines Auto zu dicht an dem Vordermann, um weiter hinten noch Platz für einen anderen zu lassen, macht es der hinter mir mindestens ebenso und ich steh da mit meinen 20 Zentimetern an der falschen Stelle. Vorne 10 und hinten dito, was das ausparken auf satte 5 Minuten verzögert. Oder ich öffne mich einem Kollegen zu vertrauensvoll, dann ist mir die nächste Unverschämtheit oder die nächste Neid-Attacke mehr als sicher.

Was mir also bleibt, ist meinen Nimbus zu pflegen. Bleibt mir alle vom Leibe, am besten. Ausnahmen bestätigen die Regel der Unberührbarkeit. Meist reicht es schon, mit einer gewissen Ernsthaftigkeit durch die Tage zu gehen, was Anflüge von Heiterkeit nicht ausschließen muss. Den Tratsch, der überall dort zu finden ist, wo Menschen arbeitsteilig und oftmals sinnentleert schaffen müssen, zu meiden ist auch hilfreich. Härte zeigen, dort, wo es nötig ist. Wie gesagt, Nett und seine Verwandtschaft … das gilt auch für manche Nationalitäten und Charaktere, für die eine gewisse Grundfreundlichkeit sogleich Schwäche anzeigen kann.

Was bleibt, ist die nicht ganz unberechtigte Hoffnung, kein griesgrämiger, alter Mann zu werden, der wütend ganze Kapitel in der Bibel rot anstreicht. Kriege ich hin, versprochen !

Für alle, die damit nicht klar kommen,
gibt es auch noch etwas feines:

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