Das Bild

Myriades Einladung zur Impulswerkstatt – Juli – August 2023
Text zum Bild unter Verwendung vorgegebener „Mosaikstücke“ – maximal 300 Wörter
kein Zeichenlimit, habe ich verwechselt.

Mosaikstück 1: „Spinat“ oder „Erbsen„;
Mosaikstück 2: „Vergraben sollte sie werden …“
– kann eingefügt werden, muss aber nicht.

~

Allmählich bildet sich ein kleiner See zu ihren Füßen. Der Regen hatte sie hereingetrieben, sonst wäre sie nie auf die Idee gekommen, dieses Museum zu besuchen, obgleich es an ihrem Arbeitsweg liegt. Fröstelnd zieht sie sich die klatschnasse Stola über die Brüste – uralter Reflex, nasses Shirt und kein BH, die Mutter tat ebenso, da ist es unwichtig, dass sie in dem großen Saal allein ist.

Draußen schüttet es immer noch, und so verweilt sie vor diesem Bild, das sie auf dem ersten Blick entfernt an ein britisches Erbsenmusgericht erinnert. Wenn da dieses Blau nicht wäre. So blau wie das Wasser in ihren immer wiederkehrenden Träumen, Wasser, das sich langsam, aber unaufhaltbar im Zimmer ausbreitet, sich anstaut, sie zwingt zu schwimmen, ihr mit ebenso langsamer wie gnadenloser Endgültigkeit die Luft zum Atmen nehmen möchte. Finales Ertrinken in den eigenen Gefühlen, des Nachts, wenn der Verstand Pause macht.

Rot, das sich ins Wasser stürzt, feuriges Rot, ohne rechte Chance gegen das viele Wasser. Gebremste Lebensenergie, vom Wasser höhnisch gespiegelt. Wie lange noch, denkt es in ihr, während sich ihre Tränen mit den letzten Wassertropfen des Regengusses vereinen. Vergraben sollte sie werden, die Mutter, und ihr Grab vom abfließenden Wasser liebevoll genährt. Sie lässt nach, diese Starre, und während sie langsam zum Ausgang geht, spürt sie zum ersten Mal so etwas wie Freiheit in sich, ein Hauch von Rot.

Mittwoch, 221214

Leicht chaotischer Tagesbeginn – vor 6 Uhr schon Müll runtergebracht, Geschirr abgewaschen, Altpapier rausgebracht und Auto getankt. Am Abend kriege ich den Arsch nur für das Nötigste hoch, morgens dagegen sprühe ich vor Energie, also beinahe.

Katzensteine , die liegen als loses Schüttgut in der ganzen Wohnung verteilt, man kennt das. Bleiben zu gerne in den Schneeschuhen unserer Jungkatze stecken. Die Dinger fegen ist Kult – kaum hört sie den Besen, kommt sie angerannt, sichtet den ersten Haufen Steine, springt locker über den Besen und wälzt sich mit Hingabe im Dreck. Bis ich sie nehme, erst mal lose abklopfe und auf dem mit einer kleinen Wolldecke verzierten, für eine 6.5-Kg-Katze Klappdeckel-verstärkten Altwäschebehältnis platziere. Da bleibt sie dann tatsächlich sitzen und lässt mich zu Ende werkeln. Weiterer Teil der morgendlichen Routine: Gold schürfen (Katzenscheiße sieben). Klondike im Badezimmer.

Der hier dagegen hat mit alledem nix zu tun. Der kackt auch schon mal in irgendwelche Leergutbehälter (zum Zeichen, dass ich euch gedacht…), so er denn vergessen wird, außenbords geschafft zu werden. Unpassend angezogen isser auch, der Schmutzfuß. Inne Werkstatt mit weißen Socken ist mehr als unpassend. Aber süß isser dennoch, der Werkstattkater.

Sonntag, 210926

Wahltag. Spannend, dieses Mal. Heute Abend sind wir klüger, was die reine Mathematik angeht. Danach geht es um Allianzen, innen- wie außenpolitisch vertretbare, gemeinsame Werte gibt es reichlich, auf allen Seiten, dazu mindestens ebenso viele Gegensätze. Wir haben schon länger gewählt und das ist gut so.

Sonst so? Neben den üblichen Dauerbaustellen namens Alltag und Familie bewegen mich die Themen Manipulation, Stimmungs- und Meinungsmache via Social-Media. Dinge, die ich nicht ändern kann. Aber auch Dinge, an denen ich mich nicht beteilige. Kräfte-zehrend und letztendlich fruchtlos, den Don Quijote überlasse ich anderen. Ich gehen wählen und beteilige mich auch gelegentlich an politischen Diskussionen, sofern mir mein Gegenüber das wert ist. An den so beliebten Diskursen beteilige ich mich nicht, ich biete unter diesem Mäntelchen so genannten Querdenkern und religiös-politischen Akteuren aller Couleur keine Plattform zur Darlegung ihrer geistigen Ergüsse. Sie sind es mir nicht wert.

Passende Musik hat es dazu auch.

*

Freitag, 201127

Manche Tage beginnen so. Mit Tages-Routine, die sich zieht wie zäher Schleim. Die Tausend morgendlichen Handgriffe nehmen kein Ende, die Zeit wirkt gedehnt, was auch die Uhr spiegelt. Wenn es hier und da zwickt und zieht. Altern nennt man das wohl. Wenn auch die meditativen Übungen nur wenig Erdung geben, dann ist es wieder soweit, erinnere dich, höre ich meine innere Stimme leise.

Narcotics Anonymus – Nur für Heute

Und so lasse ich zu, dass sich die Zeit dehnt und zieht. Nehme mich zurück, sitze still, spüre den Schmerzen im Arm nach und denke Gleitzeit – ist nicht so wichtig. Die Katze dreht ihre Runden, hinter dem Sofa sehe ich ein Ohr und rufe sie leise. Das gleicht stets dem Roulette, rot oder schwarz, 1 aus 2. Sie kommt oder kommt nicht. Heute kommt sie kurz schnuppern, um sich dann gleich auf ihrer Aussichtsplattform niederzulassen. Immerhin. Nähe light, kein Widerspruch zu den innigen Stunden auf dem Sofa, wenn sie sich bei mir anschmiegt und fest einschläft. Wem das nicht gefällt, der möge sich einen Hund zulegen.

Sonst so? Gestern Abend – Von außen kommen Durchhalteparolen, harter Winter und so. Wenn ich koche, läuft das Radio, eine von vielen Verbindungen zur Außenwelt. DLF, der verschont mich wenigstens mit dem trivialen Geschwätz der Regio-Sender. Die Menschen kaufen zu wenig, sagen sie. Och, wen wundert`s, denke ich. Ist ja auch die helle Freude, in den Kaufmannsläden. Alle Ersatzbefriedigungen funktionieren derzeit nicht wirklich. Taten sie übrigens noch nie, aber jetzt fällt es vielen auf. Drogen und Alkohol sollen dagegen bestens gehen. Das funktioniert immer, sofort und auf der Stelle, aber leider nur chemisch, scheinbar und zeitlich arg befristet, die bekannten Nebenkosten inbegriffen. Während ich darüber sinniere, zerlege ich Gemüse und steige ungefähr ein Dutzend Mal über die Katze, die mitten in der Küche liegt. Alles meins. Der Koch ähnelt mit seinen Schritten derweil einem Ballett-Tänzer, das schult die Achtsamkeit, passt gut, wenn man mit einem megascharfen Hackmesser arbeitet, das Teil verzeiht nicht die geringste Unachtsamkeit. Tut auch nicht weh, der scharfe Schnitt, fällt nur auf, weil es tropft und der Boden rot wird. Sehr vertrautes Szenario. Aber jetzt gerade nicht, dem Fellbündel sei Dank. Irgendwann ist es dann genug, ich nehme sie hoch und trage sie etwas abseits meiner Bahnen zwischen Anrichte und Spüle, was sie gutmütig hin nimmt.

Zuhause – ich bin dankbar dafür.

*

Gib alles !

Ich kann ihn nicht mehr hören, diesen Klinkenputzer-Jargon. Wir sollen brennen, für diese oder jene Sache. Stets nicht nur das Beste geben, sondern eben ALLES. Vorzugsweise Arbeitgeber haben diese Einstellung, verständlich, aber inakzeptabel. Alles geben heißt doch, zu Ende gedacht, es ist am Ende nichts mehr da.

So läuft das nicht. 51% gehören immer mir. Da bin ich sozusagen ein sehr beharrlicher, mehrheitlicher Anteilseigner meiner selbst. Mit den verbleibenden 49% kann ich heute in Ruhe, mit Struktur und Ausdauer meine Aufgaben erledigen, sehr wahrscheinlich um einiges effektiver als jene, die diesen Blödsinn glauben, eben „alles“ geben, damit jede Menge Fehler produzieren und am Ende des Tages sozusagen leer sind. Ausgebrannt, von sich selbst ausgebeutet wird dann Zerstreuung gesucht oder so einiges konsumiert, um die Leere zu füllen, die „Gib alles“ hinterlassen hat.

Ein hoher, mir heute zu hoher Preis. Wer jung und ehrgeizig ist, kommt nicht umhin, an diesem Spiel teilzunehmen, sich mit Haut und Haaren zu verkaufen. Vorteil daran sind die entsprechenden Kraftreserven in jüngeren Jahren – nachteilig sind eben die Energien, die dadurch gebunden werden und somit anderen, wichtigen Lebensthemen nicht zur Verfügung stehen. Hilfreich kann dann sein, sich ein wenig als Bühnendarsteller zu produzieren. Ihnen Futter geben, ohne sich selbst zum Fraß vorwerfen zu lassen.

In dem Sinne …

*

Tja.

Je älter das Jahr wird, desto schwerer fällt mir das aufstehen, in der Frühe. Alle reden von der schönen Adventszeit, wenn ich allein da draußen bin, kann ich das auch spüren, für kurze Zeit. Bis ich wieder in Arbeit absaufe.

Könnte zetern und klagen. Kann ich auch sein lassen. Weil sinnlos.

Sag`s mit Musik …

Wenn schon, denn schon.

Andererseits – dieser Tage sah ich Bilder eines im Schneeregen und Dreck versinkenden Flüchtlingslagers in Griechenland. So gesehen sind wir Kinder des Glücks. Wenn ich dafür aufrichtig dankbar sein kann, fühlt es sich auch so an.

*

Buch

Auf dem deutschsprachigen Ländertreffen der AA vor acht Tagen in Bremen gab es wie immer Gelegenheit, am Literatur-Stand zu stöbern. Einige Bücher habe ich seit vielen Jahren schon, Tages-Meditationen, die ich viele Jahre täglich gelesen habe, und auch AA-Literatur, aus dem Amerikanischen übersetzt.

Das hier allerdings kannte ich noch nicht. Ein kleines Taschenbuch mit dem Titel:
Wir kamen zu dem Glauben . 
Genau das, was ich derzeit brauche.

Am Literatur-Stand war es schnell vergriffen, zu beziehen ist es
HIER bei dem Literaturvertrieb der AA (Pos. 111 in der Liste)
oder als Antiquariat HIER bei Ebay sowie HIER bei Amazon.

PS: Es geht in den Texten um Alkohol, man braucht nicht viel Vorstellungskraft, diesen mit Drogen oder Medikamente zu tauschen. Die Strukturen dahinter sind gleich, ebenso die Sehnsucht, das entstandene Vakuum nach weglassen des Stoffes mit etwas tragfähigeren zu füllen.

12

*