Donnerstag, 221020

Letzte Nacht war eine dieser Nächte, in denen sich Wirklichkeit und Traum die Hände reichen und den Träumer dazu nötigen, für einen kleinen Moment richtig wach zu werden, um wieder unterscheiden zu können. Was genau eigentlich? Pathologisch ist es jedenfalls nicht, obgleich es sich manchmal für Minuten so anfühlt. Träume sind Teil der Wirklichkeit, auch wenn hier Geschlechter, Rollen, Freundschaften, Partnerschaften und Verwandtschaftsgrade frei fliegend wechseln können. Interessant auch, was andere glauben, unsere Deutung des Begriff Traum passt hier nicht wirklich. Was ich gut annehmen kann, ist die Vorstellung, das absolut alles beseelt ist, Belebtes und Unbelebtes, und dass alles mit allem in irgendeiner Weise verbunden ist.

Die wilden Nächte sind kein Wunder, derzeit. Heute nach der Arbeit besuche ich Vater, dessen Geist sich zunehmend zurück zieht, wie schon sein Körper seit längerer Zeit. Der Tod durch Altersschwäche ist ein zäher Geselle, der sich quälend lange Zeit lässt – plötzlich und unerwartet dagegen ein Geschenk, wenn auch oft ohne die Möglichkeit des Abschieds, den ich gerade so schmerzhaft bewusst wahrnehme. Wenn die Quälerei meines Vaters einen Sinn hat, dann den, mir auch noch die letzte Leiche aus dem Keller zu holen.

Und die so genannte Realität, also der „wache“ Teil der Wirklichkeit?? Sie fordert und lärmt. Alles wie immer, meine Nächte interessieren das Tagewerk nicht. So eine gewisse Erdhaftigkeit ist über Tag schon „praktisch“, wenn des Nachts auf Reisen gegangen wird.

~

Montag, 220627

Magischer Realismus, las ich gerade bei der Familienbande. Habe ich noch nie gehört, was mir aber oft so geht, mit meiner ausbaufähigen Halbbildung. Magischer Realismus also, eine Stilrichtung der Kunst, in der Malerei ebenso anzutreffen wie in der Literatur. Kennzeichnend ist die Vermengung von Realität und Phantasie, bildhaft oder verbal. Das spricht mich sehr an, weil es sich trefflich ins Emotionale, in die Wahrnehmung unserer selbst und der Welt übertragen lässt. Erweitert den Fokus und schürt die Hoffnung, dass daraus etwas Neues entstehen möge, im Idealfall besser als das alte. Realität + Phantasie schaffen in der Summe mindestens Visionen, zünden manchmal Ahnungen, wie etwas werden könnte. So mag ich den Konjunktiv 🙂

Sonst so? Schuhe einlaufen, auch bei fragwürdiger Wetterlage.

Die alten düsteren Steine laden zum träumen ein, einmal mehr. Rapunzel fällt mir ein, und Hölderlin. Klar haben die zwei nicht viel gemein, von ihrem mehr oder weniger unfreiwilligen Habitat mal abgesehen. Einer ging freiwillig in einem Turm, und es bekam ihm nicht sonderlich. Hauptsache, er selbst war bekömmlich, am Ende, das verrät uns die alte Legende nicht. Aber immerhin ein drastisches Beispiel, wie extremer Zynismus zum Verursacher zurückkommen kann.

Da bleibe ich lieber bei der magischen Realität.
Ohne Turm.
~

Donnerstag, 211028

Wer allein werkelt und außer der Reihe einen Tag frei haben möchte, muss sehen, wie er die Arbeit erledigt. Ist aber alles in allem machbar und Zeit für ein paar dürre Worte im Blog findet sich auch noch. Kann also so wild nicht sein.

Die Wirklichkeit, die Realität. oder das, was Mensch gemeinhin dafür hält, war gerade nebenan bei Alice ein Thema. Ein Wesensmerkmal der so genannten Realität ist ja, dass sie uns nicht fragt, ob sie uns gefällt. Herausforderungen aller Art tun sich auf, lediglich die bertreffenden Lebensbereiche ändern sich mit der Zeit. Oder bleiben gleich und verlagern sich. Schmerzen, gleich ob körperlich oder seelisch, lassen mich innehalten, langsamer werden. Flüchten kann ich, möchte ich aber nicht mehr. Wohin auch? Also stehen bleiben, hinschauen, annehmen. Gleich, ob es sich um veränderte Beziehungen aller Art handelt oder um das letzte große Mysterium, den Tod. Besser gesagt, den mitunter sehr weiten und langsamen Weg dorthin.

Stehen bleiben hilft (mir). Vor Lebensumständen wie vor Menschen. Hier bin ich, Herr. Hineni. Immer wieder, bis zum letzten Gang. Stehen bleiben bedingt manchmal auch Gegenwehr, mit den Füßen fest auf dem Boden. Manchmal braucht es Biegsamkeit & Elastizität, ebenso erdverbunden. Manchmal auch gehe ich für eine Moment in die Knie, dann ist das so.

Da war doch noch was – richtig, Arbeit. Die Arme sind bandagiert, kann losgehen. Weiter gehen.

Wirklichkeit

Welche genau meine ich damit? Wenn ich mich so umschaue, scheint es mehrere davon zu geben. Da bleibe ich erst einmal bei der nächstgelegensten, meiner eigenen Wirklichkeit.

Jeder schafft sich seine eigene.

Klingt provokant, ich weiß. Ungerecht und zu banal, angesichts dessen, was manche Menschen tragen müssen. Dennoch ist der Kern dieses Satzes schon interessant. Für mich stellen sich mit diesem Bewusstsein im Hinterkopf immer öfter Fragen. Vielen Dingen kann ich schlicht nicht ausweichen, denen muss ich mich stellen, darf sie als weitere Herausforderungen ansehen. Bei manch anderen Themen habe ich jedoch die Wahl. Mit wem gehe ich zum Beispiel in einem Dialog? Mittlerweile lange nicht mit jedem, weil viele Menschen schlicht kräftezehrend sind und eine Auseinandersetzung mit ihnen sich für mich einfach nicht rechnet. Sie sind es mir anders gesagt nicht wert. Das hat auch damit zu tun, dass ich keine Lust habe, den Don Quichotte abzugeben, der sehr ermüdend gegen Windmühlen kämpft.

Das gilt für das „richtige“ Leben ebenso wie für das Blogland, darum werde ich aus gegebenen Anlass ab nun alle Kommentare moderieren, das heißt, nach Sichtung freigeben oder eben nicht.  Leider bietet wordpress.com nicht die Möglichkeit einer weiteren Selektion außerhalb von ganz oder gar nicht. Lasst euch deswegen nicht vom kommentieren abhalten, manchmal kann es so ausschauen, als ob der Kommentar schlicht entschwunden wäre. Isser nich`, er wartet nur auf mich 🙂