Trübes Wetter mit trüber Stimmung. Vater seit Donnerstag gesichert mit Corona infiziert, die Mutter, die ihn am Mittwoch noch besucht hat, natürlich auch. Was eine heutige Treppenhaus-Visite nach sich zieht, was raus soll, wird bereits dort stehen, was rein soll, wird dort abgelegt sein.
Entscheidungen stehen an, früher oder später. So stehe ich in täglichen Kontakt mit Vaters Station, hatte gestern ein sehr offenes Gespräch mit einer Schwester dort. Vater ist derzeit ansprechbar, aber sehr schwach, isst kaum noch. Was tun, wenn Vater Atemnot und/oder Fieber bekommt, also einen Zustand erreicht, dessen Bewältigung das Altenheim nicht mehr gewährleisten kann? Es gibt dann genau zwei Möglichkeiten, Krankenhaus oder das Palliativ-Zimmer im Heim unter Gabe von Morphinen und Betreuung eines Palliativ-Mediziners.
Mein Vater ist in seinem 89sten Lebensjahr und hat zahllose Krankenhausaufenthalte hinter sich. Bei meinem letzten Besuch Donnerstag vor einer Woche wirkte er auf mich relativ klar, mit seinem Wunsch, gehen zu dürfen. Ich weiß nur nicht, wie, sagte er. Du wirst abgeholt, antwortete ich ihm. Es ist nur ein Übergang, der Tod ist nicht das Ende. Du wirst auch erwartet werden, von denen, die dir voraus gegangen sind, und wirst Ruhe finden dürfen. – Du spricht wie ein alter, weiser Mann, meint Vater grinsend.
Mit Mutter bin ich mir einig, dass Vater ein weiterer Krankenhaus-Aufenthalt erspart bleiben soll.
Trauer schleicht sich an, so durch die Hintertür.
Ich lasse sie gewähren.
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Ablenkung darf auch sein.
Ich mag solche Darstellungen. Illusionäre Vortäuschung von NICHTS nur durch seine Umgrenzungsgeometrie. Mir fallen zahllose gesellschaftliche Parallelen im Alltag dazu ein. Die Politik kann sich dessen meisterlich bedienen, wenn sie nicht gerade mit handfester Krisenbewältigung beschäftigt ist, sein muss. Religionen sind auch gut darin.
Für mich – ein Sinnbild sämtlicher Konstrukte menschlicher Vorstellungskraft, gerade dort, wo der Verstand an massive Grenzen stößt. Die Umgrenzungsgeometrien versinnbildlichen unsere äußeren Lebensumstände, den sichtbaren Teil unserer Existenz. Also den Teil, mit dem wir uns so gerne identifizieren und uns aneinander messen. So wird ein Scheinbild aufgebaut, das zugleich den Ausweg oder die Lösung in sich trägt – wenn man bedenkt, dass das Scheinbild und der Hintergrund dieselbe Farbe haben, verschmelzen Schein und Sein wieder zu einem Ganzen, allen Begrenzungen zum Trotz.
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