Montag, 230102

Familienhopping zum Jahreswechsel, zwischen Hamburg, Berlin und Wuppertal. Ist erwartungsgemäß trubelig, aber nett, sich mal wiederzusehen.

Sonst so?
Erinnerungen beim Wassertiger

Was noch?
Richtig – leicht verspätet wünsche ich uns allen ein anderes, hoffentlich besseres 2023!
Jedenfalls ist am 22 Januar das für mich fordernde Wassertigerjahr Geschichte.

*

Hotel mit Katze.

Mittwoch, 221109

Schwebezeit, die Zeit zwischen Tod und Beisetzung des Vaters. Ein Trauerredner besucht Mutter, versucht ein intuitives Bild meines Vaters zu erlangen, um passend zu sprechen. Ich schreibe ihm ergänzend ein paar Zeilen, derweil ich nicht dabei sein konnte. Bin gespannt, was er draus macht.

Die letzten Monate schlagen zurück. Körperlich, mit voller Kraft. Entzündungen da und dort im Bewegungsapparat, bücken und beugen geht nur unglaublich langsam und gefühlt 20 Jahre älter. Zum Schildkrötendasein kommt noch eine Impfreaktion vom feinsten, auf die gestern erfolgte erste Herpes-Zoster-Schutzimpfung. Ab 60 gibt es die von der Kasse. Vier Mal Covid war ein Scheiß dagegen, das ist eine andere Liga, so richtig mit dicken Aua-Arm und Grippesachen. Ergänzt gut das derzeitige Allgemeinbefinden – ist aber immer noch besser als Gürtelrose 2.0 .

Am Montag ist die Beisetzung. Bis Freitag darauf bin ich aus dem Verkehr gezogen, zunächst. Habe mich selten so derangiert gefühlt.

Wenn mein Herz zu schwer wird, mache ich mich nützlich, weil das so schön ablenkt, widme ich mich den unausweichlichen Verwaltungsdingen und lerne. Die deutsche Rentenversicherung nimmt Anträge auf Hinterbliebenenrente nur noch telefonisch entgegen. Dafür wiederum muss telefonisch (kein Witz) im Vorfeld ein Termin gemacht werden. Halbe Stunde Warteschleife und ich verstehe mein Gegenüber kaum. Das sage ich ihr, woraufhin die auflegt. Kennt ihr diesen aufsteigenden Hass, verbunden mir handfesten Gewaltphantasien? Nützt bloß nichts, also nochmal angerufen, wieder ein gute halbe Stunde Tüdelü im Ohr. Diesmal klappt es besser und ich vereinbare einen Termin auf Mutters Festnetz-Telefon, hetzte mich ab, um zeitig dort zu sein, derweil für das altersschwache Gerät zuvor noch ein Satz neue Akkus besorgt werden muss.

Der Tisch sieht interessant aus, ich habe mir alles zurechtgelegt. Personalausweis, Krankenversicherungskarte, EC-Karte, Rentenausweis, die letzten Rentenbescheide, Heirats- und Sterbeurkunde, Notizblock und Schreiber. Sie haben alle Daten, aber wollen sie alle nochmal hören, am Telefon. Streng dich gefälligst an, sonst gibt es keine Belohnung. Und so ist zumindest in der Theorie eine fast 88-jährige Frau gefordert, telefonisch endlos lange, kleingedruckte Zahlenkolonnen vorzutragen, die sowieso schon im System sind. Und sie haben Wünsche , die sie zum Zeitpunkt der Bewilligung von Vaters Altersrente noch nicht hatten. Seinen Gesellenbrief wollen sie sehen. Der ist weg, nicht mehr auffindbar. Die IHK fühlt sich nicht zuständig und verweist auf die Kreishandwerkerschaft. Die Mitarbeiterin dort ist zuvorkommend – welch Balsam für mich – Sie erklärt sich bereit, in die dunklen und staubigen Archive herabzusteigen, um nach Beweise für Vaters Lehrjahre zu suchen. Eine Zweitschrift von dem Ding gibt es natürlich nicht mehr, aber immerhin ist der Zeitraum archiviert. Der Ausdruck davon kostet 30 Euro Schmerzensgeld für die Niesattacken der Kollegin, soll mir aber hoffentlich eine große Hilfe sein.

Im April 1948 – also noch vor der Währungsreform – hat mein Vater also seine Lehre begonnen, erfahre ich. Mir fallen seine Erzählungen wieder ein, über die Schwäche und den Hunger, Essen gab es manchmal vom Lehrherrn, wenn mein Vater seinen Knochenjob dort nicht mehr machen konnte und einfach umfiel. Ich erinnere mich, dass er seinen Meister mal fragte, ob er sich nicht auch so einen modernen Lieferwagen, wie sie hier und da schon zu sehen waren, kaufen wolle. Wozu?, lautete die Antwort. Ich habe doch dich. Du bist billiger. Und so durfte mein 14-jähriger Vater weiterhin allein mit einem Bollerwagen Zentner-schwere fertige Holz-Konstrukte für Bandwebstühle von Langerfeld nach Barmen ziehen. Unvorstellbar, heute.

Irgendwie schließt sich so ein Kreis, zwischen den bürokratischen Notwendigkeiten und dem damit verbundenen Abtauchen in das Leben meines Vaters.

Samstag, 220827

Ein freier Samstag-Nachmittag, nach den üblichen Verrichtungen in Sachen Haushalt und Eltern. Allein mit zwei Katzen und unternehmungslustig, also raus. Nach Auto fahren steht mir nicht der Sinn, das ganze Umhergegurke die Berge heraus und herunter reicht mir und so fahre ich mit der Bahn zur Müngstener Brücke. Die feiert sich gerade selbst, nach langjähriger Restaurierung. Von oben sieht man eine Menge Menschen rund um das Haus der Lebenshilfe in seinem rostroten Kleid.

Erinnerungen werden wach, das war vor 30 Jahren mal mein Arbeitsweg. Und noch mal 10 Jahre zurück – Müngsten, das waren damals zwei verkomme Parkplätze, in deren Umfeld öfter schon Mal Übles passierte. Verruchte Gegend, hin und wieder dümpelten Leichen im stinkenden Wasser und die gleich unter der Brücke platzierten Andenkenbuden hatten gelegentlich Löcher in den Dächern, wenn wieder wer von der Brücke sprang. Und – es gab das Exit, da, wo jetzt das rostrote Unding steht, ein wurm- und schwammstichiges Fachwerkhaus, das am Ende nur noch zum Abriss taugte. Der Ort, um sich am frühen Sonntag Morgen den Rest zu geben, so man denn noch irgend einen Plan hatte, wieder aus dem Loch heim zu kommen. Alles Geschichte, heute ist dort der Brückenpark und die Dachdecker kommen dem Vernehmen nach auch nicht mehr so häufig.

Viel zu sehen gibt es nicht, vor der Rostlaube wird gesetzt musiziert, mit geladenen Gästen, und so mache ich mich wieder auf dem Weg, erwische einen Bus nach Remscheid und von dort eine S-Bahn zurück nach Wuppertal.

Impressionen von Brücke und Bahnhof Güldenwerth zu Remscheid.

Bahnsteig-Panorama

Wieder im Tal der Wupper mache ich Rast in einem mutmaßlichen Geldwäsche-Laden. Ich bin der einzige Gast, der Wirt ist sehr sorry wegen dem nicht mehr vorhandenen Bändel am Teebeutel (Löffel zum rausfischen liegt dabei), die Wasserflasche kommt ohne Glas, aber die Pizza schmeckt. Mittlerweile ist es kühl geworden, ich ziehe mir mein Psalm-23-Sweatshirt über. I will fear no evil. Stimmt zwar nicht ganz, aber die Botschaft hat was. Denken auch andere, wie verstohlene Blicke mir sagen. Scheint nicht nur zu mir, sondern auch in die Zeit zu passen.

Und so laufe ich durch das samstägliche Gewusel, denke an einen Kommentar, den ich heute Abend geschrieben habe. Vom gefühlt dazu-gehören oder eben auch nicht. Vom sich-verloren-fühlen und von Geborgenheit. Vom all-eins-sein und vom heil werden. Denke an die zahllosen Spiegelbilder in meinem Leben. Die Liebste fällt mir ein, die gerade in Sachen Familie ihr Bestes gibt, damit ein paar Kinder eben nicht mit so einem Lebensgefühl umherlaufen müssen. Wäre gern dabei, aber mal eben frei machen, wenn ich so wie jetzt in einem längerfristigen Projekt stecke, das geht nicht.

Oder ganz frisch der Typ in der Bahn, mir gegenüber, der mit seinem Zeug zwei Plätze in Besitz nahm. Finstere Miene, die sich (synchron mit der meinen) erhellte, als eine junge Mutter ohne groß zu fragen Platz machte, für sich und ihre kleine Tochter. Öffentliche Verkehrsmittel haben einen gewissen therapeutischen Wert und eignen sich hervorragend für Milieustudien aller Art.

*

Sonntag, 220814

Schlaflos bei molligen 28 Grad.

Gedankenkreisel, der gestrige Tag. Eigentlich ist alles in Ordnung, der Tag lief alles in allem wie geplant. Wäre da nicht die extrem kurze Zündschnur, was andere Verkehrsteilnehmer angeht. So stelle ich meinen Kleinstwagen in die allerletzten Mini-Lücken, im Kiez Alltag, in der bürgerlichen Nachkriegssiedlung meines Geburtsortes sorgt das für Empörung. Kommt mir gerade recht, da darf ich üben, die Fassung zu bewahren, mit meiner 87-jährigen Mutter neben mir. Allein wäre das möglicherweise anders abgelaufen.

Gottverdammter Stadtteil, ich komme nicht davon weg. Hier bin ich aufgewachsen, hier hat alles seinen lokalen Ursprung. In eine paar Stunden fahren wir wieder dorthin, diesmal liebe Freunde besuchen, die etwas außerhalb, aber immer noch in diesem Kaff wohnen. Ich mag sie sehr, darum nehme ich eine weitere Fahrt entlang der engen, miefigen, mit klebriger Erinnerung behafteten Straßen in Kauf.

Neulich hob wieder jemand Geld ab, am Automaten. Unkonventionell und nicht gerade leise, mitten im „Zentrum“ von dem Dorf. Das ist nicht fein, nein, und ein übles persönliches Saldo rechtfertigt auch nicht den gestörten Nachtschlaf sowie manch schiefhängendes Bild der Eingeborenen oder Zugezogenen dort. Und für mein Ego ist es auch herausfordernd, meine erste Reaktion war der Gedanke, dass wieder unsägliche Idioten am Werk waren. Tiefbegabte Möchtegern-Verbrecher, nehmt mehr Sprengstoff, dann hat sich jedes Parkplatzproblem schnell erledigt. Jagt das ganze Dorf hoch, dann gibt es auch fein Platz für die 2031 geplante Bundesgartenschau.

Und nein, ihr könnt alle nichts dafür. Die historisch leicht inzestuös veranlagten Dörfler ebenso wenig wie die die dusseligen Pseudo-Banditen, vom Vollmond fange ich jetzt mal gar nicht an. Ist nur meine eigene Gereiztheit, meine Schlaflosigkeit, die unter anderen solch grenzwertige Blogeinträge produziert.

Ich gehe jetzt meditieren und dann Brötchen holen. Danach meditiere ich weiter, solange, bis die potentiell üblen Schwingungen der anderen Brötchenholer sich von meinen eigenen getrennt haben. Zwar werde ich sie nicht alle lieben können, aber irgendwo muss ja angefangen werden.

I’m a loner in a claustrophobic mind

Drabble-Dienstag, 220809

Erst wollte mir rein gar nichts einfallen. Bild gespeichert, Klappe zu. Dann ein Spaziergang in der Nordstadt, und siehe da, es geht eben nichts über eine glückliche, erfüllte Kindheit in den 70ern 🙂 Hier im Quellbeitrag kann man in den Kommentaren via Links die Ergüsse meiner Mitstreiter lesen 🙂

Schiff – Masken – Flammen
100 Wörter
Und los.

Patschehändchen – so nannte ich ihn im Stillen, nur für mich. Unseren Mathe-Lehrer in der Fünften und Sechsten, der zugleich für Religion zuständig war. Jeden Samstag zog er mit uns zur Kreuzkirche, unweit der Schule, und saß mit gefalteten Händen sehr fromm vorneweg im Kirchenschiff, andächtig dem Pfarrer lauschend. Ein sehr erstaunlicher Wandel für dieses faschistoide Arschloch, das er im Mathematikunterricht abgab, wenn er alle Masken fallen ließ, pöbelte und mit Gegenständen warf. So wurde aus dem Klassenzimmer ein in Flammen stehender Dom, dank seiner Agitation. „Nichts wird aus dem, stinkend faul ist er“. Elternabend, und Mutter heulte zuhause. Ruhe unsanft!

Da ist sie, im Hintergrund, heute Diakoniekirche.

Sonntag, 210725

Gestern beim Abendessen gerne gesehen: Sie nannten ihn Mücke, Anno 1978. Herrlicher Klamauk, bar jedes intellektuell fordernden Inhaltes, immer schön auf die Fresse. Und gewonnen haben sie am Ende doch noch, die Spacken aus dem Küstendorf.

Und auch sonst gibt es zu dem Jahr 1978 noch einiges zu sagen. Ende meiner verhassten Schulzeit, Beginn meiner Berufsausbildung, der erste heftige Liebeskummer, viele neue Menschen, neue Kumpels und Freunde über die Lehrstelle. In Verbund mit ihnen der famose Start in meine Suchterkrankung, äußerlich sichtbar in bis an die Grenze des zeitlich machbaren, lautstark zelebrierte Wochenend-Besäufnisse, also von Freitag Abend bis maximal Sonntag Mittag. Erstes Gefühl von loser Zugehörigkeit, bis dahin weitestgehend unbekannt. Die Aussicht auf Befreiung von der Enge des Elternhauses, die sich vier Jahre später rein praktisch, aber natürlich innerlich erfolglos durchführen ließ. Einmal angelegte „familiäre Sozialisation“ im Kindesalter klebte wie Scheiße am Schuh, verband sich mit nicht sichtbaren Fesseln, wurde maskiert mit heftigen Besäufnissen, später im Verbund mit anderen Mitteln. Bis es nichts mehr zu maskieren gab, 22 Jahre später.

Meiner Jugend hinterher trauern? Never. Älter werden hat echte Vorteile, allen damit verbundenen körperlichen Begleiterscheinungen zum Trotz. So grenzt es heute für mich an ein kleines Wunder neuronaler Art, dass sich trotz rauschbedingten massenhaften Zell-Sterbens in meiner Birne der schäbige Rest in einer bekömmlichen Weise neu formiert hat, wenn auch über viele Jahre harten Lernens, unzählige gefühlt hilflos ausgelieferten Lebenslagen inbegriffen. Gefühlt, weil letztendlich nicht real, ich habe Schutz und Geborgenheit gefunden, das größte Geschenk der Abstinenz.

Sonst so? Einen guten Youtube-MP3-Konverter gefunden, sauber von Viren, weitestgehend frei von Werbegezappel sowie lästigen, mit zu installierenden „Beifang“, der dann mühsam wieder rausgeworfen werden will. Und so entstand gestern schon eine schöne Live-CD von Judas Priest`s Epitaph., im Handel nur als DVD oder Blue-Ray verfügbar. Feine, zum privaten Gebrauch auch durchaus legale Mucke zum Auto-fahren.

Und – last not least – richtig, Katzen-Content. Es hat auf der Küchen-Fensterbank einen Korb, ursprünglich besiedelten den diverse Kräuter-Pötte. Soweit der Plan. Nachdem die Kleine diese ca. ein halbes Dutzend Mal auf den Boden geworfen hat, um Platz für ihren zarten Körper zu schaffen, haben wir kapituliert, das Ding gesäubert und ihr zur gefälligen Verfügung gestellt.

Tja.

*

Freitag, 210514

Vorfreude im Tal.

Die Online-Variante der örtlichen Tageszeitung frohlockt mit der Headline: Gastronomie in Wuppertal: „Wir machen wieder auf, wenn wir dürfen“ Und – Auf welches Café freut ihr euch am meisten? In meinem Kopf – ich weiß nicht genau warum, vielleicht mit Blick auf diverse körperliche Gebrechen irgend eine Freud´sche Fehlleistung – denkt es „Cafe Kaputt“ Das gab es hier wirklich mal, hat vor, ich glaube gerade mal 40 Jahren leider dauerhaft schließen müssen, nach diversen Razzien, die aufgrund komischer Kräuterfunde immer wieder temporäre Schließungen nach sich zogen, bis der Geduldsfaden der Ordnungskräfte endgültig riss. Der Laden stach aus der damaligen Kneipenlandschaft optisch ein wenig hervor, ein ehemaliges Ladenlokal mit großer, schwarz gefärbter Fensterfront, darauf ein in Pink mit vielleicht 2m Durchmesser etwas überdimensionierter nackter Arsch. Das Interieur schlicht, rohes, Bier-getränktes Holz, jede Menge Dreck und das Publikum trug langes Haar, zerrissene Jeans sowie Armee-Parker aus dem US-Shop. Kein Wunder, dass die Bullen hier in den verruchten 70ern ihren Spaß hatten.

Wer heute so wie ich gerade die Suchmaschine der Wahl nach Cafe Kaputt suchen lässt, stößt auf jede Menge Reparatur-Cafes. Zeiten ändern sich eben, mit ihnen die Begrifflichkeiten. Früher waren wir die Kaputten, rein äußerlich zumindest, heute geht es eher um Toaster oder Waschmaschinen, die nicht mehr so wollen, wie gewünscht. Gute Einrichtungen, wie ich finde, bieten sie doch Hilfe zur Selbsthilfe, stemmen sich gegen den Konsumterror, helfen Geld sparen und dümmer wird davon auch niemand.

Sonst so? Eigentlich habe ich heute frei. Uneigentlich nicht, mit Blick auf eine Menge Arbeit und dem ersten Impftermin nächste Woche, (Achtung, kein Drängler, sondern enge Kontaktperson pflegebedürftiger Menschen), der möglicherweise kurzzeitige Unpässlichkeit nach sich ziehen könnte. Und damit ich nicht allein hier werkele, was auch nicht so ganz legal ist, hat mein lieber Kollege versprochen, auf mich aufzupassen und ebenfalls seinen freien Tag geopfert. Kommt locker gegen Acht, ich bin schon zwei Stunden hier, erstes Hemd satt durch. Mahlzeit, sage ich und grinse. Hätt drei mal tot sein können … untermalt mit vorwurfsvollem Blick. Och, sagt der, ich hätte dich schon wiederbelebt und deutet ein paar gezielte Fußtritte an. Steh auf, du Simulant… getz übertreibse abber…

Müßig, zu erwähnen – wir lieben uns sehr.

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Montag, 210201

1234, das war immer gut zu merken. Die Geburtsdaten meines Vaters, der heute 87 wird. Ein unvorstellbares Alter – für mich. Er, meine Mutter und alle aus dieser Generation haben als Kinder in Bombenkellern gesessen und sich beschissen vor Angst. Sie hatten mehr als dysfunktionale Familien, sie lebten größtenteils im puren Beziehungschaos. Sie haben gehungert und in zugigen Löchern zu sechst in winzigen Zimmern gehaust. Umgedrehte Tische dienten den Kindern als Bett, für die Nacht. Sie lebten tagtäglich mit der Angst. Zunächst die Angst, aufzufallen und irgendwann zu „verschwinden“, wie die Nachbarn, letztens. Dann die Angst vor dem Feuer, vor den Bomben, vor den Tieffliegern in den Straßen, die so tief flogen, dass die Gesichter ihrer Piloten zu erkennen waren, die auf alles schossen, was sich bewegte. Die Angst vor dem blanken Tod. Später dann die Angst, verhungern zu müssen.

Sie entwickelten ihre Strategien, mit alledem klar zu kommen, nachdem die Schränke wieder gefüllt waren. Verdrängung und Konsum, anders ging es nicht. Sie haben überlebt und ihre Art von Erfüllung gefunden, ganz gleich, was ich davon halte. Ein Urteil steht mir nicht zu. Wie anders dagegen das Gejammer heute. Kneift einfach mal eure Ärsche zusammen, möchte ich manchmal rufen, und wartet ab, bis es besser wird. Tut oder besser lasst alles, was dieses besser-werden sinnlos in die Länge zieht.

Selbst hatte ich meine persönlichen Krisen, Versoffen und Nüchtern. Alles hat sich gelöst oder zumindest auf ein lebbares Maß reduziert. Alpha und Omega – Geduld ist gefordert. Es findet sich.

Bilder von der Runde gestern, aus`m Kiez…

Wuppertal, Nordstadt Elberfeld

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Sonntag, 201108

Barak Obama, 7.11.2020

Ein Wochenende ohne besondere Vorkommnisse, zumindest, was mein Leben so angeht. Politisch und Seuchen-technisch mag das anders ausschauen. Hinter dem großen Teich haben sie einen neuen Häuptling gewählt, während der alte noch am Stuhl klebt. Unsäglich, dieser Mensch. Scham-erfüllt wende ich mich ab, denke an den Schuh, der einst George W hinterher flog. Wenn eine Geste passt, dann die. Nichtsdestotrotz ist es erst einmal Sache der Amerikaner, wie, warum und wen sie wählen. Zwar strahlt es bis hier her, was dort geschieht, ist dennoch weit außerhalb dessen, worauf ich auch nur den geringsten Einfluss habe. Mir reichen die Verhältnisse hierzulande schon. Zumal sich in der Sache nicht viel ändern dürfte, zumindest handelstechnisch. Militärisch schon eher, aber im wesentlichen dürfte ein neuer Ton in den Umgang kommen – das ist schon mal eine ganze Menge, hat doch viel mit gegenseitigen Respekt zu tun, auch, wenn man nicht unbedingt einer Meinung ist.

Ein Wort noch an alle, die glauben, es ginge sie nichts an. Wir alle sind dicht verwoben in einem engen Netz aus wechselseitigen Abhängigkeiten. Der Yoga-Lehrer aus dem Studio, der Lehrer in der Schule, der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, sie alle haben eine Menge mit dem Werker am Band eines Automobil-Zulieferers zu tun, werden doch hier die Erträge erwirtschaftet, die andernorts dann abgeschöpft werden und so anderen ihre Existenz ermöglichen. Am Handel hängt alles, gehen doch von 3 produzierten Oberklasse-Fahrzeugen 2 in den Export, davon eines in die Staaten. Ebenso der deutsche Maschinenbau, der weltweit einen exzellenten Ruf hat. Ein würdiger Umgang miteinander tut also Not, angesichts unseres gewaltigen Außenhandels-Überschusses, der uns allen zumindest in „normalen“ Zeiten ein Auskommen ermöglicht.

Sonst so? Gestern Abend schauten wir Bohemien Rhapsodie, den Film von 2018. Erinnerungen wurden wach, aus einer Zeit, in der das Leben eine Menge Euphorie lieferte, in meinem Fall noch gut verstärkt durch den Einsatz von Alkohol und Drogen. Gänsehaut beim hören und sehen, Erinnerungen und Menschen und Jahre. Es gibt Zustände, die liefert einem das Leben nur mit 18, 20. Später dann in dieser Form nie wieder. Anders, ja. Nicht so hoch, aber tiefer.

Weil`s jetzt sein muss.

Berührung und Nähe. Zu dem Thema habe ich eine guten Artikel gefunden, aus dem Sommer diesen Jahres. Nachzulesen ohne Bezahlschranke HIER bei den Krautreportern. Wenn mir etwas fehlt, dann die Möglichkeit, andere Menschen ohne Angst umarmen zu können, zumal ich so lange gebraucht habe, das zu lernen, bzw. zuzulassen. Auch hier wieder – ES findet sich, kein Staat kann so etwas dauerhaft unterbinden, Ansteckung hin, Seuche her. Wir werden lernen, damit neu umzugehen.

Nähe? Geben die hier auch, die Opportunisten vor dem Herrn. Wenn, dann ehrlich. Bild 2 ist ein Suchbild, irgendwo ist ein Auge versteckt, in dem geplatzten Sofakissen 🙂

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