Komm doch näher!

Dieser Eintrag ist Teil von Myriades Schreibeinladung für die Monate Mai-Juni 2024. Dort stehen Bilder zur Wahl, die zum schreiben animieren sollen, ebenso wie Textbausteine, die genutzt werden können, aber nicht müssen.

Ach, mein Liebster, komm doch ein wenig näher! Wenn Du etwas weniger denkst, ist deine Stirn nicht so hoch und wir haben mehr Raum, uns wirklich zu begegnen. Wie schön wäre es, würde ich deine Lippen spüren können.

Du meine Liebste, da magst Du schon recht haben. Aber allein meine Stirn ist nicht das einzige Hindernis auf dem Weg zu deinen köstlichen Lippen. Wo ich mit meiner hohen Stirn zu viel denke, misstraut deine spitze, ängstliche Nase der sinnlichen Berührung unserer Lippen.

Nachdem sie beide eine Weile so verharrten, wurden ihnen gewahr, tatsächlich nicht nur aus dem gleichen, sondern auch aus demselben Holz geschnitzt zu sein. Diese Erkenntnis macht sie beide sprachlos und sehr traurig, ihre Tränen durchweichten das Holz, aus dem sie beide gemacht wurden. Am Ende schien die Sonne derart warm auf das tränennasse Holz, das daraufhin tat, was Holz dann gerne tut – es verzog sich – auf eine Weise, die es ihren Lippen gestattete, sich ausdauernd und innig zu berühren.

Romantische Metapher, gelebte Erfahrung oder gar Kitsch?
Entscheide ein jeder für sich.

Der Schädelspalter

Dieser Eintrag ist Teil von Myriades Einladung zur Impulswerkstatt. Dort stehen inspirierende Bilder und Textfragmente zur Wahl, aus denen etwas gebastelt werden darf.

Gespaltene Seele, immer schön an den Polen. Gerade noch gernegroß und schon wieder am Boden festgetreten. Ausgelassene, teils anmaßende Selbstüberschätzung vs. tiefste, angstbesessene Niedergeschlagenheit. Dazu passend Sternbild Zwillinge und völlig ahnungslos, was Themen wie Traumata, Suchterkrankungen sowie Angststörungen angeht. Das einzige, was klar war, war die Ablehnung meiner Selbst, des Menschen, der ich nicht sein wollte.

Mittenhinein kommt irgendwann mit 18 der Schädelspalter. Das ist natürlich kein Handelsname, sondern ein eher an der Wirkung angelehnter, umschreibender Begriff für hochpotente Cannabisprodukte. Was genau geschehen sollte, wusste ich zuvor nie so genau. Das hing immer ab vom Set und dem Setting, wie man das heute nennt, also meiner psychischen Verfassung und der physischen Umgebung.

Die Vorgeschichte lief immer gleich ab. Vorfreude, Gier, die Geilheit auf die Flutung, auf den Kick in der Birne. Feuerwerk der Hormone beim Geruch des Brösels in der Nase. Wenn es gut lief, fand das Ganze draußen statt, irgendwo in der idealerweise menschenleeren Natur. Oder im Kreise mehr oder weniger verständnisvoller Mitkiffer, passende musikalische Untermalung inbegriffen, Rock N Roll, man kennt das. Dann gab es noch die Ungeduld, wenn oral konsumiert wurde, lecker Keks oder Tee mit ordentlich Honig. Dann wurde schon mal vorneweg eine Tüte angefeuert und vielleicht das eine oder andere alkoholische Getränk dazu genommen. Was folgte, war eine unglaubliche Achterbahnfahrt im Kopf, zeitversetzt dem folgend, was gerade dran war. Ein Zustand, der, wenn die Liebe durch den Magen ging, auch schon mal bis zu 24 Stunden anhalten konnte.

Die Wirkung. Alles scheint zigfach größer, als es ist. Physisch ebenso wie mental – die eigene Großartigkeit ebenso wie die eigene Unzulänglichkeit. Mit etwas Glück tat sie sich auf, die schädelgespaltene Parallelwelt, die den Alltag ebenso aussperrte wie das als unzulänglich empfundene Selbst. Mit weniger Glück blieb die Tür verschlossen und der innere Unrat quadrierte sich selbst. Am Ende gab es die geliebte Euphorie nicht mehr, nur noch den eigenen quadrierten Irrsinn.

Als mir klar wurde, einem großen (Selbst-)Betrug aufgesessen zu sein, als mir klar wurde, dass ich leben wollte und nicht an mir selbst zu Grunde gehen, da konnte ich von alledem lassen. Blieb etwas zurück – ja sicher. Der Kick fehlte, hinterließ eine dauerhafte Lücke, die ansatzweise höchstens durch Sex oder Sport zu füllen war. Daneben gab und gibt es reichlich schwarze Schatten, als Teil meiner Selbst. Nicht, dass ich sie liebe, aber sie dürfen bleiben, wenn sie schon nicht gehen wollen. Über ihnen steht das Licht, das Gefühl, von irgendwo da oben geliebt zu werden. An guten Tagen kann ich das sogar weitergeben und weiß darüber hinaus die eigene Stille mehr denn je zu schätzen.

Von Gewohnheiten und vom Juckreiz

Diese Zeilen sind Teil von Christianes Schreibeinladung. Die Regeln sind einfach, maximal 300 Worte, drei davon sind vorgegeben:

Abendbrot
heimatlos
auszeichnen

Geregelte Mahlzeiten sind wichtig, denkt sie, während ihr beim Abendbrot Brotkrümel ins Dekolletee fallen und dort ungeregelten Juckreiz provozieren. Genau wie all die anderen Rituale, ohne die sie auseinanderzubrechen droht, so fühlt es sich jedenfalls für sie an. Ihre fragilen Einzelteile scheinen ein Stützkorsett aus Gewohnheiten zu brauchen, um sich nicht in alle Himmelsrichtungen davonzumachen. Was bliebe dann schon noch von ihr?

Das hätte so weitergehen können, wäre da nicht diese Angst gewesen, auf ihren Grabstein könnte einst stehen, „Sie hatte ein geregeltes Leben“. Geregelt und so was von eintönig. Langeweile war ihr zwar immer fremd, aber diese zunehmenden Grautöne ihres Daseins drücken sie nieder und provozieren Fragen. Was genau zeichnet sie über dem täglichen Regelwerk hinaus eigentlich aus, was gibt es dahinter noch an Neuen zu entdecken? Was bleibt, wenn das Stützkorsett fort ist?

Auch Grübeleien haben manchmal ihren Sinn, wenn sie ihrem natürlichen Ende entgegengehen und zu irgendeiner Entscheidung führen. Und so beschließt sie, ihrer inneren Heimatlosigkeit äußeren Ausdruck zu verleihen. Wenigstens zeitweise, denkt sie, als sie sich liebevoll von ihrem Mann verabschiedet, der anders als sie noch arbeiten muss und dies nicht nur muss, sondern auch bis zum Ende seiner Herztropfen beibehalten möchte. Er liebt sie, aber eben auch seine Arbeit, etwas, was ihr stets fremd war. Sie bewundert ihn für seinen Idealismus, der möglicherweise sein Korsett sein könnte, das kann sie nur ahnen, ist aber seins und nicht ihres.

Nach 6 Wochen ist sie wieder da, die Haut gebräunt, die Seele gefüllt mit Eindrücken aller Art von diesem vollständig planlosen Trip. Als erstes renoviert sie ihr Zimmer, schafft Raum für sich. Schafft Weite, analog zu den letzten sechs Wochen. Die Unruhe, das Streben nach Freiheit, Licht und wenigstens innerer Unabhängigkeit sind offensichtlich ebenso Teile von ihr wie der Wunsch nach Sicherheit. Wichtige Erkenntnisse dieser losen Tage.

Für C.J. und alle anderen, die sich angesprochen fühlen könnten, mich selbst eingeschlossen.

240214 – Etüdenzauber

Dieser Eintrag ist Teil von Christianes Schreibeinladung für den laufenden Februar. Die Regeln sind einfach, drei Worte müssen mit rein und nicht mehr als 300 Worte, ein Volumen, das ich gerne ausreize 🙂

Die Worte lauten:
Unterwürfigkeit
verschuldet
verjubeln.

*

Niemandes Knecht und niemandes Herr.

Hei, welch ein Spaß war das damals, als ich gleich an der Einfahrt zum Firmengrund, auf der kleinen Wiese am Parkplatz, den Stock in die feuchte Erde rammte, um ihn, nachdem ich mich des festen Standes versichert hatte, mit einem alten Hut zu krönen. Ich taufte das frisch geschaffene kleine Kunstwerk „Das hohe C“ – in Anlehnung des Vornamens unseres geliebten Chefs, um mich vor ihm sogleich in gut gespielter Unterwürfigkeit tief zu verbeugen. Natürlich blieb diese kleine Happening – ja ja, ich bin ein Kind der 70er – von den Kollegen nicht unbemerkt, die ihrerseits ebenso viel Freude daran hatten, vor dem behüteten Knüppel den Affen zu machen, zumindest für die paar Stunden, die dem Kunstwerk an Lebensdauer beschieden waren, bis die Hofschranze von Sekrähtärin ihn mitsamt Kopfbedeckung entfernen ließ.

Klar zog diese kleine Aktion Maßnahmen nach sich, Häme und Spott haben schnelle Füße. Und so fand ich mich tags darauf beim hohen C dem Leibhaftigen wieder, dem, wie allgemein bekannt, der innere Souverän noch nicht gewachsen war, der verlief sich seinerzeit noch in endlosen Schneelandschaften. Ungemütlich war das, aber selbst verschuldet, der Künstler gilt ja so oft im eigenen Lande eher wenig bis nichts, wie in meinem Fall nun.

Lautstark war der Herr, war ich ihm doch zu wenig naturdevot, als ich ihn daran erinnerte, eine Geschäftsbeziehung mit ihm zu haben. Arbeit gegen Geld und so. Was sämtliche Kriecherei zumindest in meinem Fall ausschlösse, auch wenn ihm das gut gefallen täte. Leider ging mein Plan nicht auf, es reichte dank Protektion von interessierter Stelle nur für eine mündliche Abmahnung. Wie schade, hatte ich mich doch schon so auf den, wie ich glaubte, unvermeidlichen Rauswurf gefreut. Mit anschließender Kündigungsschutzklage, wie es sich gehört, um dann im Gefolge die mir zugesprochene Abfindung genussvoll zu verjubeln. Also weiter, immer schön auf dem schmalen Grat.


💯​💯​💯 – Passt!

Yes, I′ll admit that I’m a fool for you 🙂

I walk the Line …


Mittwoch, 240110 – Schreibeinladung

Folgender Eintrag ist Teil von Christianes Schreibeinladung für die ersten Jahreswochen. Die Regeln sind überschaubar, drei Wörter müssen mit rein, maximal 300 gesamt.

Die drei Worte lauten
Krisenmodus – faul – empfehlen

Von Katzen lernen

Solange ich denken kann, gehören persönliche Krisen zu meinem Leben. Aus jeder bin ich meist ein klein wenig verändert hervorgegangen, mitunter auch mehr als nur wenig. Dunkle Zeiten gehören zum Leben dazu, privat wie gesellschaftlich. Den Begriff „Krisenmodus“ halte ich für einen zeitgeistlichen Ausdruck, der EDV, der Wirtschaft entlehnt. Er impliziert eine Ausnahmesituation, die manche Krisen sicher auch sind, aber eben längst nicht alle. Ein Lage also, in der „umgeschaltet“ werden muss?

Ich bleibe wach und beweglich, durchgängig, so gut es mir möglich ist. Krise und Überlebenskampf gehören zur Erdgeschichte, zu allem, was lebt, also auch zu uns Menschen. Der einzige Unterschied zum Tierreich besteht darin, dass wir dazu neigen, aus jeder Herausforderung ein Drama zu machen – großes mediales Gezeter mit entsprechender Reichweit inbegriffen. Eine dramatische Grundstimmung also, die sich faul und schwer wie Blei auf die Seele legt, das Licht außen vor lässt und die Lebensfreude in den Keller sperrt. Etwas, was unseren Katzen zum Beispiel nie in den Sinn käme. Die kennen nur Wohlbefinden und dessen temporäre Abwesenheit (Hunger, Ohrlatschen vom Fellkumpel, Meinungsverschiedenheiten mit Zweibeinern und dergleichen, Krankheiten). Übel vorüber – Wohlbefinden wieder im Lot. Wenn die uns etwas empfehlen könnten, dann doch mal genau hinzuschauen.

Wäre es nur so einfach. Fressen, spielen, faul herumliegen, dösen, schlafen, jagen, falls noch möglich, fortpflanzen. Leider denken wir artbedingt gerne weiter, in die Zukunft. Pläne sind an sich ja eine gute Sache, auch wenn das Leben im Nachgang gerne kichert. Visionen und Vorstellungen aller Art ebenso, solange sich dies nicht permanent gegen die Tagesform wendet, also platt formuliert, solange ich mir mit meinen dystopischen Vorstellungen nicht den Tag versaue.

Klar ist das leichter geschrieben als getan. Wer sich die Gegenwart anschaut, kann mutlos werden. Oder vertrauensvoll denken, dass alles schon irgend einen Sinn machen wird, auch wenn ich ihn nicht erkennen kann.

💯​💯​💯​
Genau dreihundet, passt 🙂

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Etüdengeschichtchen

Mir ist gerade fad, drum schreibe ich mal mit. Dieser Eintrag ist Teil der so genannten abc-etüden, die Schreibeinladung mit Regelwerk und so steht nebenan bei der Christiane. Maximal 300 Wörter dürfen es sein, die ich frech ausreize, und drin sein sollen Lehrer – grob – hauchen. Nun denn.

Kaffeeduft und Kuchenkrümel

Viel los ist nicht, in dem Café. Stadtrand, schon beinahe im Wald – nach einem fast dreistündigen Spaziergang freue ich mich auf Kaffee und Kuchen. Still ist es, und so höre ich unfreiwillig selbst das leise Gespräch der beiden Frauen vom Nachbartisch. Offensichtlich arbeitet die eine in der nahegelegenen Grundschule, die andere dito als Lehrerin an unbekannter Wirkstätte. Die Luft flirrt vor leiser Erregung, Kuchenkrümel üben sich in Flugkünste. Diese Schüler ließen verzweifeln, höre ich. Das große Gejammer über den Geist der Zeit, über die Eltern, die Erziehungsaufgaben an die Schulen delegieren und zugleich maßlos aufträten. Empörtes Geflüster, dennoch für mich verständlich, gekrönt von dieser beinahe gehauchter Feststellung, ja, dort, in jener Schule mit diesem Ausländeranteil, da wolle man schon gar nicht arbeiten.

Mir ist wieder warm, gut taten Kaffee und Kuchen. Zahlen, sage ich und gehe, nicht ohne den beiden Grazien noch freundlich einen guten Tag zu wünschen. Draußen rumort es nicht nur im Bauch, auch die dunkle Wolke ist nicht zu übersehen, die ob des Gehörten meinen Geist überschattet. Geht doch was anderes machen, denkt es grob in mir, und wenn schon irgendwas mit Menschen, dann vielleicht auf dem Friedhof – dankbar schweigende Klientel ist gesichert.

1000 Schritte weiter ist die Luft wieder klarer. Sicher haben sie es nicht leicht und mal muss auch ordentlich vom Leder gezogen werden. Es bleibt diese Empörung über das große Abschreiben von Kindern. Aus dem wird nix, hieß es auch über mich einst, nicht dumm, aber stinkend faul, Muttertränen inbegriffen. In der Summe 17 Schuljahre lassen grüßen, Regel-, Beruf- und Abendschule, gekrönt von einer temporären Schwiegermutter, die ebenso lehrend tätig war. Lange her, das, aber so ein krümelsprühendes Geschwätz piekt doch wenn auch nur kurz an. Besser machen möchte ich es, fort vom werten und urteilen, dem ich auch ohne akademische Laufbahn gerne unterliege.

*