Milieustudie
Wir haben einen Praktikanten. Ein junger, wohlgeratener Mann mit frischem Abi in der Tasche und Pläne im Kopf, in Kürze Maschinenbau zu studieren. Da isser in unserer Manufaktur gut aufgehoben, speziell in den Händen meines mir verbliebenen Lieblingskollegen (Lotto – eins aus eins, jeden Tag ein Hauptgewinn). Und so wird er in den Niederungen der Werkstatt für seinen künftigen beruflichen Werdegang initiiert, mit dem täglichen Handwerk vertraut gemacht und – ganz wichtig – zart und rücksichtsvoll an den sozialen Umgang der Kollegen miteinander herangeführt, den entsprechenden Jargon inbegriffen.
Da helfe ich natürlich gerne nach Kräften mit. Heute zum Beispiel sprechen wir über so genannte hybride Meetings. Das sind die kleinen Schwestern vom beliebten Homeoffice – man erinnert sich, die Rübe wichtig vor der Kamera positioniert, dabei Füße auf dem Tisch und Hand im Schritt, ab und zu etwas Kluges sagen, um kontinuierlich guten Eindruck zu machen.
Ich erkläre dem jungen Mann unseren Umgang mit hybriden Meetings. Der Kollege ist immer gerne live dabei, er freut sich, allen anderen leibhaftig zu begegnen. Selbst bin ich nicht so veranlagt, mir reicht es, zuzuhören, Leibhaftigkeit habe ich andernorts hübscher. Guck mal, sage ich, da sind zwei Schirme. Auf dem einen ist während des Meetings Teams offen und auf dem anderen läuft ein Porno. So wahre ich währendessen mein persönliches Gleichgewicht. Wichtig in dem Zusammenhang – Mikro aus.
Gelächter
Nee, sage ich, stimmt natürlich nicht. Mein zweiter Vorname ist Ernst, Reiner Ernst, von Ernsthaftigkeit, und nie würde mir einfallen, während einer betrieblichen Veranstaltung privat im Netz zu graben, schon gar nicht auf moralisch fragwürdige Seiten. Also, liebe mitlesenden Kollegen, ich bin euch weiterhin mit tadellosen Ruf innig verbunden 😇