Vater ist seit gestern Abend wieder zuhause, elend und schwach, Mutter überfordert, wie schon so oft. Aber sie machen weiter, beide, und genau das ist es. Anmeldungen für mehrere Einrichtungen sind schon lange raus, aber Vater will nicht. Redet von abschieben und dergleichen. Tagespflege, mal schnuppern, wie es ist? Abschiebung! Hilfe beim waschen durch den Pflegedienst – wurde gecancelt, geht alles noch selbst. Pflegedienst allgemein – wenig kooperativ mangels Personal. Diskussionen gab es schon reichlich. Auf meine Frage an Vater, wie er sich denn so fühlt, wenn er seine ebenfalls kranke Frau als Pflegekraft missbraucht, kommt lediglich eine Gegenfrage in Richtung der Genannten, ob das denn wirklich so wäre, Antwort wird gleich mitgeliefert, so wäre das doch nicht. So geschehen in der Vergangenheit und vermutlich auch in der Gegenwart. Der Schlüssel liegt bei meiner Mutter. Solange Vater morgens um halb sieben ihrer Meinung nach in ein Heim sollte und gegen 10 alles ja nur halb so wild ist, man käme ja noch zurecht, ja dann bitte, macht weiter.
Analogien fallen mir ein. In meinem Leben konnte ich immer nur etwas ändern, wenn ein gewisses Maß an Leid erreicht war. Das scheint ein mehr oder weniger universelles Prinzip zu sein. Im konkreten Fall allerdings verlangt es mir einiges ab. Zuschauen, wenn zwei wie meine Eltern immer weiter verharren, im zunehmend nicht mehr ganz so gemütlichen Elend, das ist für mich eine harte Nummer. Bei näherer Betrachtung habe ich allerdings auch keine große Wahl, sie beide sind immer noch voll geschäftsfähig, zumindest dem Gesetz nach. Also – und das sage ich auch Mutter – es reicht nicht, wenn Vater mal eine halbe Stunde auf dem Boden liegt, bis die Johanniter kommen. Nein, es sollten vielleicht mal derer zwei sein, am besten noch zugeschissen bis in die Strümpfe.
Das kannst du doch nicht machen, meldet sich sofort der Moralist in mir. Furchtbar, deine Eltern, und überhaupt. Doch, kann ich. Die zwei werden mich möglicherweise eines nicht mehr fernen Tages bitten, schnellstmöglich eine auswärtige Lösung zu finden. Solange eskaliert das dann eben. Vielleicht muss es ihnen auch mal von offizieller Stelle eindrücklich klar gemacht werden, ich hoffe inständig, dass es nicht zum äußersten kommt. Was genau ist das für mich? Jede Form von Verwahrlosung. Die lasse ich nicht zu, zur Not auch gegen ihren Willen. Gerade stelle ich fest, dass ich fähig sein werde, die Härte, die ich öfter schon in meinem Leben gegen mich selbst aufbringen musste, auch gegen andere aufzubringen, so es denn nötig sein sollte. Zum Schutz ihrer selbst, wie damals, zum Schutz meiner selbst.
Gleich schauen wir nach dem rechten …
Ach ja, und falls hier jemand meint, so etwas schreibt man doch nicht, Nestbeschmutzer und so – richtig, so etwas schreibt man nicht. Ich dagegen schon, weil ich sonst platze. Danke für euer potentielles Verständnis.