Sonntag, 210228

21.

Mit 21 war man einst „volljährig“. 21 ist das Produkt von Drei mal Sieben – oder die Summe aus Siebzehn plus Vier, der Film aus 2008, mit dem ich die Mathematik-Begeisterung meines Sohnes, damals gerade 12, endgültig geweckt habe. Viel zu wecken gab es da allerdings nicht, was mich sehr gefreut hat.

Wieder so ein Tag, ich hätte ihn vielleicht vergessen, wenn ich nicht von einem mir sehr lieben Menschen daran erinnert worden wäre. Heute auf den Tag genau lebe ich unvorstellbare 21 Jahre ohne Alkohol und Drogen. Mein zweiter Geburtstag. Und auch, wenn die Zahl an`s zocken erinnert, ist mir danach nicht, weil ich eben auch „Karten zählen“ kann, wie im Film. Will sagen, ich weiß, wie es ausgeht. Ich weiß, dass ich nur eine Armlänge weit davon entfernt bin, den Zähler wieder auf Null zu setzen. Vor diesem Hintergrund verliert eine solch beeindruckende Zahl ihre Bedeutung. Was bleibt, ist Dankbarkeit.

Nothing gonna save your one last dime ‚cause it own you ...

Donnerstag, 210225, am Abend

Lockdown sei Dank.

Meist treiben mich liegengebliebene Dinge um. Steuererklärung, Reifen wechseln, Wohnung sauber machen, einkaufen, Katzenklo oder oder oder, Die Liste ist lang und heute nicht kürzer geworden. Um halb Sechs gehe ich noch eine Runde vor Tür, wie man hier sagt. Irgendwie schaffe ich es in letzter Zeit immer wieder, Wege und Pfade zu finden, die ich nicht kenne. Finde mich in fremden Quartieren wieder, obgleich ich nur wenige Kilometer von daheim entfernt bin. So auch heute.

Eindrücke:

Ein netter rotgesichtiger Kerl mit versoffener Stimme im Vorgarten, der mich freundlich, aber bestimmt darauf aufmerksam macht, dass es da nicht weiter geht. Dort schon eher, Fußweg und so, ich bedanke mich.

Ein junger Mann mit bunten tätowierten Unterarmen und schwarzen Vollbart lädt gerade sein Auto aus, ein Audi 80 aus den 70ern, in kotzpopelgrün, wie die Telefone damals. Ich grüße freundlich und frage nach der Teileversorgung für das Gefährt, immerhin über 40 Jahre alt. Kein Problem, reichlich, sagt der, und freut sich, mal jemanden zu treffen, der älter als sein Auto ist.

Ein großer Puschelhund in dezentem Grau kreuzt den Weg, samt Herrchen. Ludwig heißt er, der Hund, und kommt aus Bayern, versichert mir der rundliche Mensch mit breitem Grinsen im Gesicht.

So viele hellerleuchtete Fenster und so viele Kinder. Auf dem Rückweg gehe ich ein Stück über die Nordbahntrasse, weil es der kürzeste Weg ist und die Zeit voran geschritten ist – man könnte glauben, es gäbe keine Pandemie, so viele Menschen. Eine gefährliche Illusion, die aber niemanden zu schaffen machen scheint. Auf dem Bolzplatz unter der Brücke der A46, die die Stadt im Norden der Länge nach durchschneidet, plärren drei oder vier Getto-Blaster zeitgleich und eine Menge Kids kicken Bälle gegen den Beton und in die Körbe.

Fast 11 000 Schritte heute, persönlicher Highscore. Draußen sein tut gut.

Schaurig schön …

Sonntag, 210221

Ein feiner Tag, mit Blick aus dem Fenster. Da werde ich mal schauen, wo zu gehen sein könnte, ohne all zu vielen Artgenossen zu begegnen. Das ist schwierig, in dieser Zeit, wo alle heraus wollen, was nur zu verständlich ist. Und analog zu den momentan wieder steigenden Fallzahlen passt, leider.

Sonst so?

Die Liebste hat die gestrige Erstimpfung mit Astra-Zeneca sehr gut vertragen. Mittlerweile ist eine Drittimpfung mit diesem Serum im Gespräch, welches an die Mutanten angepasst werden soll.

Was mich schon lange beschäftigt – was bleibt, wenn der Verstand Pause macht?

Die liebe Luxus hat das gut formuliert, gefällt mir sehr. Ein für mich teils elektrisierendes Thema, als Mensch, der ich mit der Maxime aufgewachsen bin, der Verstand sei das höchste menschliche Gut. Der Schul-Scheiterer, weil Angst-besetzt und völlig blockiert. Erste berufliche Erfolge – da sollte doch noch mehr sein als die vermeintlich angeborene Dummheit oder ängstliche Hilflosigkeit. Tatsächlich, so war es auch, das Unkind fand einen ausgeprägten Hang zu den Naturwissenschaften, zog Selbstbewusstsein aus seiner Fähigkeit, zu lernen. Irgendwo war immer diese leise Stimme – übertreib es nicht – während nebenan das Ego leise kicherte. Der Teil in mir, der keinen Raum bekam, forderte ihn im Rausch ein und fand ihn auch, Nebenkosten inbegriffen. Die wurden erst nach langer Zeit präsentiert.

Heute lerne ich, mir als ganzer Mensch den Raum zu geben, den ich brauche. Ohne großes Ritual. Die können hilfreich und wohltuend sein, sind aber nicht sehr Praxis-tauglich, im Alltag. So kann ich schlecht in der Werkstatt eine Yogamatte ausrollen, Stille von allem und jeden einfordern und Räucherstäbchen anzünden, um mich mal der gängigen Klischees zu bedienen. Es soll also anders gehen, mitten im Geschehen nur atmen, sonst nichts. Das fühlt sich immer noch teils sehr befremdlich an, der Teil in mir, der gerne wertet und urteilt, ist zwar leiser geworden, aber immer noch gelegentlich aktiv.

He, komm` mal wieder bei dir an, keiner zuhause da oben, oder wie? Gleich hält dir der erstbeste Kollege ne Taschenlampe an`s Ohr und freut sich, wenn deine Augen so schön leuchten. Wirst hier nicht für`s dösen bezahlt …

So tönt es kurz, der innere König lächelt derweil milde, weiß er doch einerseits um das Überkommene dieser Stimme, andererseits um die heilende Wirkung einer Minute nur. Und .- ganz wichtig – der Rückweg ist jederzeit offen, anders als bei den zahllosen Substanz-gebundenen Erfahrungen, die erst „verstoffwechselt“ werden wollten.

So. Musik sollte nicht fehlen, aber was passt denn nur zum Thema? Wer sucht, der findet. 1988 – endete eine vierjährige Zeit der weltlichen Abwesenheit des Geistes, der mit einem 8-Stunden-Job und fordernder Abendschule, man erinnert sich, der Kreuzzug gegen die Dummheit, beschäftigt war und mündete in rauschende Ballnächte, in einer zwei Jahre andauernden Belohnungs-Orgie. Gehört auch zur Geschichte…

Samstag, 210220

Amerika ist zurück.

So sagen sie und es klingt gut, wenn man den Umgangston des neuen Präsidenten hört. Er mag ein vergleichsweise netter Mensch sein. Solange es nicht um Exportüberschüsse, Militärausgaben Energieversorgung und Handelsvorteile geht. Da hat die neue amerikanische Freundlichkeit Grenzen, was nicht überrascht. Aber das ist es nicht, was mich derzeit beschäftigt, wenn ich mir Gedanken über Politik mache. Joe Biden ist ein alter Mann und seine Berechenbarkeit (wichtig, nach den Erfahrungen der letzten vier Jahre) dürfte die Welt schon aus biologischen Gründen nicht mehr all zulange erfreuen. Dazu kommt, und das wiegt in meinen Augen viel schwerer, Demokratien werden eher selten durch Putsche oder dergleichen gestürzt, sondern schaffen sich selbst ab. Auf der einen Seite verunsicherte, verängstige Menschen, Menschen, die um jeden Preis Überkommenes bewahren wollen (ich schließe mich da nicht von aus), Menschen, bei denen gesäte Zwietracht und Zweifel auf fruchtbaren Boden fallen. Auf der anderen Seite die Demagogen, die groben Vereinfacher, Polarisierer, die Bodenbereiter des kommenden Heilsbringers. Diejenigen, welche besagtes Geschäft mit der Angst und der Unsicherheit meisterlich bedienen, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit aus dem Kontext gerissenen Teilwahrheiten und auch freche Lügen verbreiten. Die viele Fragen und Zweifel liefern, aber so gut wie keine Antworten. Und – auch das gehört zur Wahrheit, zur Misere zählen auch manche weichgespülte Politiker der so genannten etablierten Parteien, die vor lauter schielen auf die Wählerstimmen vergessen haben, Klartext zu sprechen. Die Dinge mit einfachen Worten beim Namen zu nennen, ohne ihren Inhalt zu vereinfachen, zu verdrehen.

Selbst übe ich mich neben Gottvertrauen in Vertrauen auf die staatstragenden Institutionen. Diese Republik hatte einen derart beschissenen Start, mit den zahllosen Verwaltungskräften, Richtern, Staatsanwälten, die schon im Nationalsozialismus Dienst taten. Selbst davon hat sie sich erholt und gilt vielleicht nicht zuletzt darum international als ein Hort der Beständigkeit, trotz aller Zweifel, von innen heraus betrachtet. Was mich mehr erschreckt, ist die Berechenbarkeit und Kontinuität von Autokratien, waschechten Diktaturen, Ein-Parteien-Herrschaften, die genau damit bei ihrem Volk punkten können. Auf ihre Weise haben sie schon recht – wer weiß, wer in knapp vier Jahren in Amerika regiert. Oder hierzulande. Auch werden Entscheidungen sehr viel schneller umgesetzt – was sehr gut ist, wenn es die richtigen waren. Wer nun aber zu laut jubelt, sollte den Preis bedenken, den solche Staatsformen fordern. Da kommt man sehr schnell bei den Märchen von den guten und bösen Königen an. Mir zu gefährlich, mit Blick auf letztere und unseren Erfahrungen damit. Ein Knüppel schmeckt nicht gut, und auch die Art, wie Menschen in solchen Staaten einfach so verschwinden können, hinter dicken Mauern oder in anonymen Grabstellen, gefällt mir nicht. Dann lieber so, wie es ist, mit Potential auf Verbesserungen und einer guten Portion Unsicherheit.

So, das reicht für`s Erste, mit Politik … Obwohl, da wäre noch etwas. Impfen geht los, die Liebste als Angehörige einer Risikogruppe heute sehr kurzfristig mit dem Saft von Astra-Zeneca, die Eltern ab nächster Woche mit mRNA-Impfstoff. Eines der wichtigsten Dokumente der kommenden Zeit dürfte der Impfpass werden. Wetten?

Ok, wieder auf Start, ich komme heute nicht von dem Thema los. Amerika. Mal abgesehen davon, dass ich einer ursprünglich amerikanischen Gemeinschaft mein Leben verdanke und mit einem guten amerikanischen Programm einen großen Teil meines Jobs erledige – da war doch noch etwas. So`n Lebensgefühl. Südstaaten … vielleicht komme ich doch noch irgendwann dort hin. Mit Impfpass …

*

Donnerstag, 210218

Besondere Erkenntnisse der letzten Tage:

  • Wenn die Katzenklos sauber gemacht werden, muss mindestens eine Fellnase sofort und auf der Stelle, am besten noch vor Beendigung der Restauration und förmlicher Freigabe der Örtlichkeit einen schönen Haufen dort hinein setzen. Bei Werkstatttoiletten verhält es sich ähnlich. Mit Nasen ohne äußeren Fellbewuchs.
  • Unterarme abzugeben, mit defekten Sehnen. Soll das jetzt so weiter gehen, mit irgendwelchen Scheißbaustellen? Bisken früh, irgendwie. Könnte mir ein wenig leid tun, mit Blick auf die Jahre, die mir noch zugedacht worden sind, von der DRV. Auch mit Blick auf die Höhe des mir nach dann 51 Berufsjahren zugedachten Betrages. Falls ich nicht zuvor sozialverträglich frühableben darf.(Das zynische Arschloch, von dem diese Worte stammen, wird übrigens in Kürze 91…)
  • Der Visionär und der Perfektionist in mir haben auch noch was zu melden: Einmal mit Profis arbeiten. Im nächsten Leben dann.
  • Warum fällt mir Vergebung zu üben derart schwer? Kann nachtragen, soviel kann ich gar nicht vortragen. Denke gerade viel über Gnade nach und gleiche den Wortsinn mit meinem Seelenleben ab. Gibt da offensichtlich etwas zu tun.

 

 

Sonntag, 210214

Valentinstag – braucht kein Mensch, außer Blumenhändler. Zumal, wenn Katzen die Hauptmieter sind, wird es schwierig mit Blümchen und so. Drama in drei Akten, Katzen und (Schnitt-) Blumen:

  1. Überschwemmung als Folge des Antestens der Standsicherheit vom Behältnis der Wahl.
  2. Angefressene, ramponierte Pflanzenteile.
  3. Kotzplacken, vorzugsweise unter`m Bett oder an anderen unzugänglichen Stellen.

Außerdem habe ich grundsätzlich keine Lust auf solche Tage, „Mutter“- und „Vater“-Tag beziehe ich da mit ein. Entweder ich achte und ehre meine Lieben an allen Tagen oder ich lasse es eben. 

Sonst so? Wenig los. Gott sei Dank. Die Zeiten, in denen mir langweilig wurde, sind schon lange her. Sonntag heute = Schlafdefizit ausgleichen, lange frühstücken, dabei Filmchen gucken, schreiben, lesen, vielleicht raus, für `ne Stunde. Filmchen – schaue gerade in Etappen die „Linkshändige Frau“ von Peter Handke, ein altes Ding von Drama über eine folgenschwere Verwechslung von der Suche nach Freiheit, nach Selbstverwirklichung einerseits und unfreiwilliger Isolation als Folge dessen. Erinnert mich an Zustände, in denen mir die Isolation als das kleinere Übel erschien.

Ok, statt Blumen gibt es ein Lied. Immerhin.

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Montag, 210208

Am Samstag habe ich nach dem abstellen des Bobby-Cars noch alle Schlösser durchgesprüht. Vergebens, wie sich heute früh zeigte. Wasser & Frost – den Kleinen kann ich wohl erst wieder bewegen, wenn es taut …

Gestern noch habe ich in weiser Voraussicht mein altes Bike durchgesehen, Züge durchgesprüht, Luft, Kette gepflegt. Dank derangierter Leisten und Unterarmsehnen bin ich dieses Jahr tatsächlich noch nicht gefahren. Wenn ich bedenke, dass ich viele Jahre nur Rad gefahren bin… Das Teil funktioniert wenigstens auch im Eis. Kritisch sind nur die Straßenübergänge, da schiebe ich teils lieber. Die Nordbahntrasse jedenfalls ist frei und wird regelmäßig geräumt. Gut so!

Wheeler 1400 Crossline, Bj. Anno 1993, nachgerüstet mit Deore-Komponenten rundherum, nur der Rahmen ist noch original.

Ibuprofen – Chapter lässt grüßen …

Nachtrag: Diskussionen am Arbeitsplatz ergaben ganz klar: Merkel ist schuld. An allem, also auch am Wetter. Hat sie nun davon, die Russen ärgert man nicht einfach so. Als Reaktion darauf haben die Russen den Jetstream zusammenbrechen lassen und nun ist Russenpeitsche strenger Ostwind allerorten. Mindestens. Das kriegen die hin, weil die mit Bill Gates zusammenarbeiten, und wenn einer weiß, wie das geht, dann der.

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Gedanke: Macht & Stärke

Kurz & knapp – sehr gut formuliert.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten Macht ist die Möglichkeit, etwas zu unterbinden. Ihr Wirkmechanismus ist die Angst, über die sie etwas erzwingen kann. Die kleinste Einheit der Macht ist das „Nein“. Sie ist damit das Begrenzende, was von außen nach innen wirkt. Alles, was unterbunden wird steht allerdings nicht mehr zur Verfügung und kostet zusätzlich das Potential, […]

Gedanke: Macht & Stärke