Dienstag, 221115

Tränen

Als eine unserer Katzen vor gut drei Jahren starb, habe ich das erste Mal seit langen Rotz und Wasser geheult. Als ich meinen Vater das erste Mal in der Demenzstation besuchte, ging es mir ebenso, auf dem Heimweg von dort. Als ich meinen Vater am Tag vor seinem Tod das letzte Mal lebend sah, ging es mir anschließend ähnlich. Als ich am Tag darauf gut 6 Stunden nach seinem Tod mit meinem Sohn bei seinem aufgebahrten Leichnam stand, vergoss ich Tränen der Wut über das Desinteresse meines Vaters an seinem einzigen Enkelkind.

Bislang musste ich auf ausnahmslos jeder Beerdigung heulen. Es rührt mich leicht zu Tränen und das geht in Ordnung, heute. Gestern, am Tag der Beisetzung meines Vaters, kam keine Regung und keine Träne. Als der Trauerredner jeden von uns wenigen bat, einen Moment innezuhalten, um sich an vergangene gemeinsame gute Zeiten zu erinnern, fühlte ich – nichts. Vielleicht waren einfach genug Tränen geflossen, genug Zerrissenheit durchlebt, genug Ängste ausgestanden, genug Hoffnungen fallengelassen worden. Es gab wenige Momente der Verbundenheit, sicher. Aber Tränen hatte ich dafür nicht mehr.

Ansonsten verlief der Tag so, wie er geplant war. Ein würdevoller letzter Gang, so, wie es sein sollte.