Mittwoch, 220629

Gespannte Ruhe. Schnelltest, Umhergemurkse beim schlussendlich erfolgreichen herunterladen des Ergebnisses. Urlaub-Storno ins Auge gefasst. Geld, viel Geld wäre weg. Geld ist wichtig, hat er gesagt. Deswegen müsse ich immer arbeiten gehen, weil, wenn ich mit meinem Lebenswandel ein Sozialfall würde, kämen sie zu ihm und nähmen ihm alles weg. Wo ich so hinkäme, mit einem solchen Lebenswandel, dem ich prinzipiell nicht abgeneigt war, das interessierte nur peripher, wenn überhaupt. Kam ich nicht hin, wo ich hätte hinkommen können, Gott sei Dank. Und er? Realisiert so langsam, dass Geld nicht alles ist.

Sonst so?

Drama auch zuhause. Die Katzenfriseuse war da, die Jungkatze neigt zum filzen, da helfen irgendwann auch Kamm und Bürste nicht mehr weiter. Die mag sie nicht sonderlich und da, wo der Einsatz am nötigsten wäre, überhaupt mal gar nicht. Also muss alljährlich geschoren werden, unter Einsatz von leichter Sedierung, die Friseuse möchte nach getaner Arbeit ja auch noch halbwegs nett ausschauen.

Und – das Ergebnis:

*

Montag, 220228

Pari.
Es steht

22 : 22

Kein Grund zum feiern,
zumal immer nur 24 Stunden zählen.
Stolz nein, Dankbarkeit ja.
~~~

Sonst so?

Wuppertal-Beyenburg, Stausee

Es gehen nur wenige Schritte und die sehr, sehr langsam. Himmel und Wasser sind so blau wie die kleinen Tabletten, die ihm Angst und Verzweiflung nehmen, seit ein paar Tagen und auch an diesem sehr kalten Morgen. Es ist in Ordnung und ich habe keine Skrupel, ihm die Medikation anempfohlen zu haben. Wie werde ich es einst halten? Trägt der Glaube? Ich werde es erfahren. Vergessen wird keiner.

~~~

Samstag, 220122

Bei dem Datum gibt es wenigstens eine kleinen Eintrag, auch wenn es nichts großartiges zu berichten gibt. Früher, vielleicht vor 30, 40 Jahren, da wurde mir schnell langweilig und es fanden sich Wege in den nächsten Exzess, Ekstase, Drama. Hauptsache, die Leere und die Traurigkeit nicht spüren. Später ließen sie sich nicht mehr bescheißen, die beiden letztgenannten, und forderten einfach nur Sedierung.

Heute, 220122 – ❤ – da sieht das Gott sei Dank anders aus. Auf Großartigkeiten kann ich dankend verzichten, auf Dramen erst recht. Ekstase – wird ab einem gewissen Lebensalter so nicht mehr serviert, auch das älter werdende Herz mag das nicht mehr. Ruhiger und tiefer wird es allmählich und selbst scheinbar ereignislose Regentage können der Seele Balsam sein. Scheinbar, weil irgend etwas geschieht ja immer, wenn auch im stillen.

Ansprechbar bleibe ich dennoch, auch im leicht geläuterten Lebensalter, für die etwas lauteren Töne. Die hier mag ich sehr, ein Fundstück aus den Staaten beim graben nach dem heimlichen König aller (Blas-)Instrumente, dem Saxophon.

Tuten & blasen? Können sie!

Den Takt nehme ich jetzt mit …

Montag, 220103

Noch heute und morgen arbeitsfrei, zwecks Akklimatisation nach einer kleinen Reise über den Jahreswechsel in Sachen Familie, nun wieder hier in den heimischen Wupperbergen. Mein Jahreswechsel war sowohl als auch, wie so oft. Der letzte Eintrag entstand am Neujahresmorgen, gegen halb drei oder so. Den Rest kann sich der geneigte Leser denken, derweil die Fete noch bis 5 Uhr früh weiter ging. Selbst war ich so frei, mich für gut 2 Stunden zu verpissen, um ein nahe gelegenes AA-Meeting zu besuchen. Fazit: Konnte ich gut brauchen, an dem Abend. Auch, wenn kaum wen irgendwelche Pandemie-Regeln interessieren. Undenkbar im Westen.

Heute – war Brunch, so wie jeden freien Tag, an dem wir es schaffen, gemeinsam zu essen. Wie immer gibt es Film zum Brunch. Den heutigen schauten wir bis zum Ende durch.

Ein Familienvater

Eine der Geschichten, in denen Kinder den Preis zahlen, damit ihre Eltern, hier speziell der Vater, im Leben ein wenig weiter kommen. In dem Film hat es sozusagen einen doppelten Gewinn, ein am Ende geläuterter Vater sowie ein Kind, das nicht den vollen Preis entrichten muss. Im Film geht das, manchmal auch im „richtigen“ Leben. Tränen rührend, der Film.

Und – wie so oft schlägt der Film Wellen ins private. Ich erinnerte mich meiner Suizid-Gedanken vor fast 22 Jahren, die ich damals schön für mich behielt. Weg sperren lassen wollte ich mich auch nicht. Neben der allgemein gefühlten Aussichtslosigkeit meiner damaligen Lebenssituation gab es in einem Hinterzimmer meines kranken Kopfes auch die Vorstellung, was ein Selbstmord wohl mit meinen Eltern machen würde. Mein damaliges Fazit – es hätte nichts bewirkt, außer vielleicht eine kurze Urlaubsunterbrechung, kombiniert mit der fortgesetzten Überzeugung, selbst alles richtig gemacht zu haben. Einer von vielen „logischen“ Gründen, das Vorhaben nicht in die Tat umzusetzen. Unlogisch, weil nicht dokumentier- oder belegbar an dieser Stelle der Schutz „von oben“, in dieser bislang schwärzesten Zeit meines Lebens. Und da sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute. Alle miteinander.

Gut so.
*

Sonst so ?

Nettes Präsent zum alljährlichen Jahresend-Wichteln. Gegen „Bad Vibes“ im Kopf, mit herben Duft zur körperlichen und seelischen Reinigung. Man weiß, was mir fehlt.

*

Mögliche Musik zur rituellen Waschung:
(passt auch zu einer längeren Autobahnfahrt im Kleinstwagen)


Sonntag, 2211219

Vierter Advent. Ich bin allein, die Liebste trifft Familie, derweil ich Katzen hüte und nächste Woche noch drei Tage arbeiten darf. Etwas ist anders als in allen anderen vergangenen (Vor-)Weihnachtstagen. Ich beteilige mich nicht an dem Run nach den letzten Präsenten, ich mache keine mehr. Möchte auch keine haben, das ist mein Wunsch, wer will, hält sich daran. Der vermeintlichen Peinlichkeit, etwas zu bekommen, ohne etwas zu geben, werde ich begegnen können.

Was fange ich an, mit meiner Zeit? Über eine FB-Selbsthilfegruppe für Alkoholiker bin ich in ein spirituelles Whatsapp-Meeting „gerutscht“, via Einladung eines mir wohlwollenden Menschen. Thema dort ist das Wirken von Heinz Kappes, ein evangelischer Pfarrer, Quäker und enger Freund der anonymen Alkoholiker, ohne selbst betroffen gewesen zu sein. Mir tut es gut, wieder an meine spirituelle Basis erinnert zu werden, hat meine Nüchternheit doch eine bedenkliche Qualität angenommen, was nicht nur mit dieser allgemein emotional aufgeladenen Jahreszeit zu tun hat. Wer möchte, kann hier eine Rede von Heinz Kappes hören.

Na klar will vermutlich kaum einer 35 Minuten Zeit investieren, für eine 37 Jahre alte Weihnachtsrede eines längst verstorbenen Geistlichen, da bin ich Realist. Man muss es deswegen auch nicht gleich mit Keith Richards halten, aber ein nettes Lied ist es dennoch, auch wenn ich mir weder eine elektrische Gitarre noch eine Puppe, die nass werden kann wünsche. Dem Alter bin ich entwachsen 😉

Einen guten vierten Advent uns allen!

*

Sonntag, 210725

Gestern beim Abendessen gerne gesehen: Sie nannten ihn Mücke, Anno 1978. Herrlicher Klamauk, bar jedes intellektuell fordernden Inhaltes, immer schön auf die Fresse. Und gewonnen haben sie am Ende doch noch, die Spacken aus dem Küstendorf.

Und auch sonst gibt es zu dem Jahr 1978 noch einiges zu sagen. Ende meiner verhassten Schulzeit, Beginn meiner Berufsausbildung, der erste heftige Liebeskummer, viele neue Menschen, neue Kumpels und Freunde über die Lehrstelle. In Verbund mit ihnen der famose Start in meine Suchterkrankung, äußerlich sichtbar in bis an die Grenze des zeitlich machbaren, lautstark zelebrierte Wochenend-Besäufnisse, also von Freitag Abend bis maximal Sonntag Mittag. Erstes Gefühl von loser Zugehörigkeit, bis dahin weitestgehend unbekannt. Die Aussicht auf Befreiung von der Enge des Elternhauses, die sich vier Jahre später rein praktisch, aber natürlich innerlich erfolglos durchführen ließ. Einmal angelegte „familiäre Sozialisation“ im Kindesalter klebte wie Scheiße am Schuh, verband sich mit nicht sichtbaren Fesseln, wurde maskiert mit heftigen Besäufnissen, später im Verbund mit anderen Mitteln. Bis es nichts mehr zu maskieren gab, 22 Jahre später.

Meiner Jugend hinterher trauern? Never. Älter werden hat echte Vorteile, allen damit verbundenen körperlichen Begleiterscheinungen zum Trotz. So grenzt es heute für mich an ein kleines Wunder neuronaler Art, dass sich trotz rauschbedingten massenhaften Zell-Sterbens in meiner Birne der schäbige Rest in einer bekömmlichen Weise neu formiert hat, wenn auch über viele Jahre harten Lernens, unzählige gefühlt hilflos ausgelieferten Lebenslagen inbegriffen. Gefühlt, weil letztendlich nicht real, ich habe Schutz und Geborgenheit gefunden, das größte Geschenk der Abstinenz.

Sonst so? Einen guten Youtube-MP3-Konverter gefunden, sauber von Viren, weitestgehend frei von Werbegezappel sowie lästigen, mit zu installierenden „Beifang“, der dann mühsam wieder rausgeworfen werden will. Und so entstand gestern schon eine schöne Live-CD von Judas Priest`s Epitaph., im Handel nur als DVD oder Blue-Ray verfügbar. Feine, zum privaten Gebrauch auch durchaus legale Mucke zum Auto-fahren.

Und – last not least – richtig, Katzen-Content. Es hat auf der Küchen-Fensterbank einen Korb, ursprünglich besiedelten den diverse Kräuter-Pötte. Soweit der Plan. Nachdem die Kleine diese ca. ein halbes Dutzend Mal auf den Boden geworfen hat, um Platz für ihren zarten Körper zu schaffen, haben wir kapituliert, das Ding gesäubert und ihr zur gefälligen Verfügung gestellt.

Tja.

*

Samstag, 210619

Manchmal wünsche ich mir, ich könnte Lyrik. Kann ich aber nicht, irgend etwas fehlt. Lesen tue ich sie gerne, was mich fasziniert, ist die Verschlüsselung der Kernbotschaft und der Interpretationsspielraum, den manche Zeilen lassen. Stammt wohl aus einer Zeit, in der Klartext auch schon mal den Kopf kosten konnte, und irgendwie ist das zumindest teilweise auch heute noch so. Klartext kann ich, viel zu oft viel zu emotional überfrachtet, aber es geht. Gleichnisse, Märchen und Fabeln gehen auch, die Türen stehen mir offen. Wer wie ich in den finsteren Wupperbergen aufwuchs, ist mit Trollen, Zwergen, Feen, Kobolden und dergleichen sowieso auf „Du“.

Sonst so? Klebewetter, die Katzen liegen lang auf kühlende Fliesen oder Dielenböden. Mich erwartet meine samstägliche Runde, Supermarkt, Eltern. Lieber Besuch kommt auch, am Nachmittag. An solchen Tagen wie heute überkommen mich leise Zweifel, ob mein Purismus in Sachen Technik nicht vielleicht doch verbesserungswürdig sein könnte. Ein Kältekompressor im Auto wäre irgendwie doch nett…bis zum nächsten Wartungstermin auf jeden Fall. Se `s drum, Fenster auf, fertig.

Musik zum Thema.

So, das Frühstück möchte hinaus (Achtung, Klartext), danach darf ich unter die Menschen, wenn ich nicht verhungern möchte. Soziale Wesen … geht so, zumindest was meine Person angeht. Ihr Leser*innen seid mir im genau rechten Abstand, immer schön in Deckung, das kann ich. Zeitweise aber brauche selbst ich auch meinesgleichen, Menschen eben. Nicht weil ich Gesellschaft grundsätzlich so toll finde, nein, eher aus Selbsterhalt. Dann und wann kann es auch nett sein, dem Vernehmen nach sogar für die anderen.

*

Sonntag, 210221

Ein feiner Tag, mit Blick aus dem Fenster. Da werde ich mal schauen, wo zu gehen sein könnte, ohne all zu vielen Artgenossen zu begegnen. Das ist schwierig, in dieser Zeit, wo alle heraus wollen, was nur zu verständlich ist. Und analog zu den momentan wieder steigenden Fallzahlen passt, leider.

Sonst so?

Die Liebste hat die gestrige Erstimpfung mit Astra-Zeneca sehr gut vertragen. Mittlerweile ist eine Drittimpfung mit diesem Serum im Gespräch, welches an die Mutanten angepasst werden soll.

Was mich schon lange beschäftigt – was bleibt, wenn der Verstand Pause macht?

Die liebe Luxus hat das gut formuliert, gefällt mir sehr. Ein für mich teils elektrisierendes Thema, als Mensch, der ich mit der Maxime aufgewachsen bin, der Verstand sei das höchste menschliche Gut. Der Schul-Scheiterer, weil Angst-besetzt und völlig blockiert. Erste berufliche Erfolge – da sollte doch noch mehr sein als die vermeintlich angeborene Dummheit oder ängstliche Hilflosigkeit. Tatsächlich, so war es auch, das Unkind fand einen ausgeprägten Hang zu den Naturwissenschaften, zog Selbstbewusstsein aus seiner Fähigkeit, zu lernen. Irgendwo war immer diese leise Stimme – übertreib es nicht – während nebenan das Ego leise kicherte. Der Teil in mir, der keinen Raum bekam, forderte ihn im Rausch ein und fand ihn auch, Nebenkosten inbegriffen. Die wurden erst nach langer Zeit präsentiert.

Heute lerne ich, mir als ganzer Mensch den Raum zu geben, den ich brauche. Ohne großes Ritual. Die können hilfreich und wohltuend sein, sind aber nicht sehr Praxis-tauglich, im Alltag. So kann ich schlecht in der Werkstatt eine Yogamatte ausrollen, Stille von allem und jeden einfordern und Räucherstäbchen anzünden, um mich mal der gängigen Klischees zu bedienen. Es soll also anders gehen, mitten im Geschehen nur atmen, sonst nichts. Das fühlt sich immer noch teils sehr befremdlich an, der Teil in mir, der gerne wertet und urteilt, ist zwar leiser geworden, aber immer noch gelegentlich aktiv.

He, komm` mal wieder bei dir an, keiner zuhause da oben, oder wie? Gleich hält dir der erstbeste Kollege ne Taschenlampe an`s Ohr und freut sich, wenn deine Augen so schön leuchten. Wirst hier nicht für`s dösen bezahlt …

So tönt es kurz, der innere König lächelt derweil milde, weiß er doch einerseits um das Überkommene dieser Stimme, andererseits um die heilende Wirkung einer Minute nur. Und .- ganz wichtig – der Rückweg ist jederzeit offen, anders als bei den zahllosen Substanz-gebundenen Erfahrungen, die erst „verstoffwechselt“ werden wollten.

So. Musik sollte nicht fehlen, aber was passt denn nur zum Thema? Wer sucht, der findet. 1988 – endete eine vierjährige Zeit der weltlichen Abwesenheit des Geistes, der mit einem 8-Stunden-Job und fordernder Abendschule, man erinnert sich, der Kreuzzug gegen die Dummheit, beschäftigt war und mündete in rauschende Ballnächte, in einer zwei Jahre andauernden Belohnungs-Orgie. Gehört auch zur Geschichte…