Montag, 240325

Ringelreihe (für alle Freunde bildhafter Sprache)

Sie stehen in Reih und Glied, die Kollegen, Mitarbeiter, Führungskräfte, und üben sich in Fleiß, Contenance und Nettigkeit. Sie stehen am Büffet und lächeln sich huldvoll zu, machen kleine Scherze, pflegen Smalltalk und manchmal fallen spitzige Andeutungen. Man kennt und schätzt sich, richtet sich nach den hochgehaltenen Firmenwerten, natürlich.

Untenrum ist das Büffet blickdicht verkleidet, das hat echte Vorteile. So kann man bei gefälliger Betrachtung nicht erkennen, wie verbunden diese netten Menschen alle sind. Das Miteinander wird gepflegt, wenn auch anders als vermutet und offiziell dargestellt. So hat ein jeder in der feinen Reihe die Hände am Gemächt des Nachbarn, weder schambehaftet noch sonderlich unangenehm. Außer, du zwickst mich. Dann zwicke ich zurück, aber sowas von. Und weil das jeder weiß, wird nicht gar so oft gezwickt, untenrum. Und wenn, wird obenrum charmant dabei gelächelt, auch bei arger Pein.

Contenance, man kennt das.

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Samstag, 240323

Die Arbeit ruft und ich höre so schlecht. Gleich ist es 5 Uhr Nachmittags und der Plan war (ist immer noch), die Katzenklos zu säubern und staubsaugen. Anstelle dessen liege ich auf der Couch und schlafe, döse, tue mir nebenbei ein wenig leid, weil sich die familiäre Welt beruflich bedingt mal wieder weiter weg ohne mich dreht. Sei es drum, bis zum Rechner habe ich es schon mal geschafft.

Dazugehören, las ich gerade. Ein Blog weiter war von Therapie die Rede. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft ist ungebrochen, ebenso mein Hang, mich zurückzuziehen. Kling nach Spannungsfeld und ist auch eines. Therapien hatte ich einige. Zunächst einmal 22 Jahre Alkohol- und Drogenmissbrauch, natürlich erfolglos, aber immerhin verhinderte der Konsum suizidäre Tendenzen, die es in jüngeren Jahren (und natürlich am klatschnassen Ende) durchaus gab. Eine Ärztin half mir damals da heraus, ebenso die anonymen Alkoholiker, denen ich heute noch verbunden bin. Stolperjahre folgten, in so ziemlich jedem Lebensbereich. Wer bin ich?

Heute betrachte ich mich als austherapiert, ich komme mit den neuen Methoden nicht klar und andere haben weit größere Nöte. Das bischen schwarzer Vogel ist vergleichsweise wenig. Es blieb etwas zurück, aber ich weigere mich, Medikamente zu nehmen. Es gab eine Entscheidung für Licht und Schatten, das schließt psychoaktive Medikation aus. Eine gute Hilfe ist mir allerdings eine lebenserfahrene Ergotherapeutin, die ich monatlich sehe. Die hat mit den modernen Therapiemethoden nix am Hut, hört gut zu und stellt gerne die richtigen Fragen an den richtigen Stellen. Selten, so Menschen.

Mein Beruf fordert und schafft mich allmählich, fast 46 Jahre lassen grüßen. Jemand im Blogland schreibt von angenommener Lebenserwartung, stellt sich ein fiktives Datum auf und zählt die Tage bis dahin. Auch ein Plan, denke ich. Irgendwann ist man im Erlebensfall im Plus, wenn man so möchte und darf Bonustage leben. So hat jeder Mensch seine Art, mit Endlichkeit umzugehen. Selbst darf ich zunächst zuschauen und nach Kräften dabei sein, wie Endlichkeit am realen Ende ausschaut. Mutter gibt ein gutes Beispiel dafür ab, sie freut sich trotz mittlerweile chronischer Tagesanlaufschmerzen über jeden weiteren Tag auf Erden. Sie liebt Blumen, wir versorgen sie damit nach Kräften, erst heute Morgen brachte ich gewisse Pötte mit. Schön soll sie es haben, aufm Grab nutzen Blumen einen Scheiß.

Im Sommer soll es familiär bedingt in die Schweiz gehen, der Liebsten ist das wichtig. Mir ist wichtig, sie trotz nur 2 Wochen Sommerurlaub zu begleiten und rede mir die Vorzüge dieses Trips ein, ohne wirkliche Überzeugung. Was ich möchte sind Tage am Meer, die Füße müde und den Geist leer gehen lassen. Viele Kilometer gehen, gut essen, salzigen Wind spüren, gut schlafen. Knackige Widersprüche also, und dann war da noch etwas mit dem Wunsch nach Zugehörigkeit, siehe oben. Erlösung davon ist nicht irdisch, so scheint es. Was wäre irdisches Dasein schon ohne Widersprüche? Harmonisch oder doch nur langweilig 😉

Fürs Erste greife ich mir gleich die Earbuds und lasse meinen fragwürdig geringen Tatendrang musikalisch befeuern. Wat mut, dat mutt.

Freitag, 240315

Rente mit 70 – ja sicher. Wie man so etwas von sich geben kann und zugleich darauf hofft, gewählt zu werden, weiß ich nicht. Wenn ich mich hier so umschaue – derzeit sind fast alle krank, alle schon weit über 50 bzw. 60. Last Man standing – aber auch ich hatte meine Ausfallzeiten, die altersbedingt nicht kürzer werden.

Passend dazu ein gestohlener, bildhafter Netzfund aus Kat`s wunderbarem Reisebericht :
Werkstatt 2030

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Sonst so? Der Stoiker in mir macht mich manchmal langsam. So geschehen gestern an der Tankstelle. Der Kerl hinterm Tresen, so`n Typ Lautkumpel mit ordentlich Tattoos, Stiernacken und sowieso per du, drückt mir so eine reklamierte Duftpappe in die Hand – hier, für´s Auto. Ich hätte den Scheiß gleich da lassen sollen, stattdessen stecke ich ihn widerspruchslos ein. Passiert. Im Auto hing das Teil genau 5 Minuten, die Wirkung war ähnlich der von hochparfümierten Frauen, nur ohne Abstand. Einfach außenbords wollte ich das Ding auch nicht drücken, gibt genug Umweltsäue. Tonne – nee, auch nicht, ist schließlich ein Geschenk (!).

Also hängt das Ding jetzt in der Umkleide und verströmt dort seinen chemischen Duft, der sich mit den eh schon vorhandenen Gerüchen lieblich bildgebend verbindet: Das olfaktorische Märchen vom überalterten Käse, der in eine Parfumerie geworfen wurde.

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Mittwoch, 240228

„Hättest du gedacht, dass ich mal so sein kann“ – frage ich meinen Kollegen nach dem alltäglichen Geplänkel mit einem Dritten. „Du warst schon immer so“, sagt der. „Früher eher noch schlimmer“, schiebt er nach, steht auf und baut sich vor mir auf. Seine Füße konkurrieren mit den Augenbrauen im Zusammenstehen, er zieht eine Eins-A-Fresse, sein Kopf ragt bei gestrecktem Rücken deutlich über seine Schuhspitzen. „SO warst du“, sagt er. „Aber weiß du was? Ich hab dich trotzdem lieb, auch früher schon. Besser so als die verlogene Freundlichkeit manch anderer“.

„Weiß ich“, sage ich und grinse. „Eins ist dennoch anders als früher (man kennt sich fast 30 Jahre, mittlerweile). Hast du eine Ahnung, wieviel Angst ich mein Leben lang hatte?“, frage ich. Er schweigt – „Die hat mich so sein lassen, Angstbeißer, weißte. Und das ist heute anders. Heute steht mein Zorn für sich allein, wenn dann. Ohne die Angst dahinter. Fühlt sich richtig gut an“.

Noch besser ist gefühlt ohne alledem. Zeiten ändern sich, wer weiß.

240214 – Etüdenzauber

Dieser Eintrag ist Teil von Christianes Schreibeinladung für den laufenden Februar. Die Regeln sind einfach, drei Worte müssen mit rein und nicht mehr als 300 Worte, ein Volumen, das ich gerne ausreize 🙂

Die Worte lauten:
Unterwürfigkeit
verschuldet
verjubeln.

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Niemandes Knecht und niemandes Herr.

Hei, welch ein Spaß war das damals, als ich gleich an der Einfahrt zum Firmengrund, auf der kleinen Wiese am Parkplatz, den Stock in die feuchte Erde rammte, um ihn, nachdem ich mich des festen Standes versichert hatte, mit einem alten Hut zu krönen. Ich taufte das frisch geschaffene kleine Kunstwerk „Das hohe C“ – in Anlehnung des Vornamens unseres geliebten Chefs, um mich vor ihm sogleich in gut gespielter Unterwürfigkeit tief zu verbeugen. Natürlich blieb diese kleine Happening – ja ja, ich bin ein Kind der 70er – von den Kollegen nicht unbemerkt, die ihrerseits ebenso viel Freude daran hatten, vor dem behüteten Knüppel den Affen zu machen, zumindest für die paar Stunden, die dem Kunstwerk an Lebensdauer beschieden waren, bis die Hofschranze von Sekrähtärin ihn mitsamt Kopfbedeckung entfernen ließ.

Klar zog diese kleine Aktion Maßnahmen nach sich, Häme und Spott haben schnelle Füße. Und so fand ich mich tags darauf beim hohen C dem Leibhaftigen wieder, dem, wie allgemein bekannt, der innere Souverän noch nicht gewachsen war, der verlief sich seinerzeit noch in endlosen Schneelandschaften. Ungemütlich war das, aber selbst verschuldet, der Künstler gilt ja so oft im eigenen Lande eher wenig bis nichts, wie in meinem Fall nun.

Lautstark war der Herr, war ich ihm doch zu wenig naturdevot, als ich ihn daran erinnerte, eine Geschäftsbeziehung mit ihm zu haben. Arbeit gegen Geld und so. Was sämtliche Kriecherei zumindest in meinem Fall ausschlösse, auch wenn ihm das gut gefallen täte. Leider ging mein Plan nicht auf, es reichte dank Protektion von interessierter Stelle nur für eine mündliche Abmahnung. Wie schade, hatte ich mich doch schon so auf den, wie ich glaubte, unvermeidlichen Rauswurf gefreut. Mit anschließender Kündigungsschutzklage, wie es sich gehört, um dann im Gefolge die mir zugesprochene Abfindung genussvoll zu verjubeln. Also weiter, immer schön auf dem schmalen Grat.


💯​💯​💯 – Passt!

Yes, I′ll admit that I’m a fool for you 🙂

I walk the Line …


Samstag, 240127

Ausgelesen, hat gedauert, weil mir ein neues Phon dazwischenkam: Kein guter Mann von Andreas Izquierdo. Erst dominierte eine Mischung aus Nachdenklichkeit und Belustigung, dann Wut und am Ende habe ich geheult. Passiert nicht oft.

Oben angeknüpft: Das Ende wird gut, und isses nicht gut, isses nicht das Ende. Ich kann solch einen Scheiß nicht mehr hören. Wer hat uns eigentlich vollendete Glückseligkeit versprochen? Leben ist und irgendwann ist es vorüber. Gut ist, ein paar Sachen hierlassen zu dürfen, dann. Aufgelöst, transzendiert, nicht transformiert. Aber auch dafür gibt es keine Garantie, selbst mit viel täglicher Arbeit und Aufmerksamkeit nicht.

Arbeit an meiner selbst – auch das kann ich nicht mehr hören. Wer haut sich schon gerne selbst mit dem Hammer auf den Kopf? Versuche ich es mit dem Verstand – gute Nacht. Und so lasse ich fließen, was aufsteigt, staune oft, bleibe wach und klar.

Europa freundet sich gerade mit dem Gedanken an, dass Amerika demnächst wieder republikanisch regiert wird. Der Neue Alte will zuerst den „deep State“ ausheben und hat schon das erste Mal gelogen. Will er doch nur die Schaltstellen der Macht mit eigenen Leuten versehen. „Die Welt in Ordnung bringen“ will er auch, darunter tut er es natürlich nicht. Und so wird wieder einer Präsident, der sich des Vokabulars der Nationalsozialisten bedient, was den politischen und/oder persönlichen Gegner angeht, dem Gesetze nur für die anderen gelten. Ein Demagoge und Despot vor dem Herrn, der schneller lügen kann als ein Pferd laufen. Entspricht wohl dem Geist der Zeit, eine Zeit, in der die Welt von Greisen regiert wird, Greise, die altersbedingte Defizite mit schierer Machtgeilheit kompensieren. Psychopathen und Narzissten allerorten. War es je anders? Nicht wirklich, wurde nur besser verpackt und ging nicht so schnell um die Welt wie heute. Außerdem war ich jünger, bewegte mich in einem Kokon aus Chemie, so dass mir einiges davon am Arsch lang ging. Das ist heute anders.

Sags mit Musik – und hierbleiben könnte auch spannend werden, im Zeitalter der Demagogen.

Mittwoch, 231213

Mimosen unter sich

Am Montag komme ich nach zweiwöchiger Krankheitsunterbrechung wieder in die Werkstatt und wundere mich. In einer Ecke hat es einen Kühlschrank, darauf steht so eine Kaffeemaschine für Pads. Wir sind zu dritt damit zugange und damit es bei verschiedenen Geschmacksvorlieben kein Durcheinander gibt, hat es für jeden eine eigene Kaffepad-Dose, verschiedenfarbig, zur besseren Differenzierung. Die drei stehen immer (Immer!) vereint auf einem Mauervorsprung direkt über dem Kühlschrank und sehen bei all der Verkommenheit hier echt dekorativ aus.

Uns so stehe ich am Montag vor der Kaffee-Kühlschrank-Bar und wundere mich. Meine Dose ist weg. Also nicht richtig weg, der zweite Blick verrät, sie steht deplatziert auf dem Kühlschrank. Wie sieht das denn aus und – mal zwei Wochen krank und schon abgeschrieben oder was? Ich frage die Kollegin als Dritte im Bunde, wie das denn sein könne, dass meine Dose nicht an ihrem Platz stünde -kann mich nicht erinnern, sie da stehen gelassen zu haben, kann es aber auch nicht ausschließen. Nee, die stand da, sagt sie. Hab sie da stehen lassen, dachte, du wolltest nix mehr mit uns zu tun haben. Na dann war ich das wohl selbst – Erlösendes Gelächter.

Auch so können Kriege entstehen, denke ich und stelle das Artefakt wieder an dem ihm angestammten Platz. Ist übrigens die Blaue, die Farbe der Introvertierten und die der Psychopathen, hab ich mal irgendwo gelesen. Die finale Differenzierung mag der geneigte Leser treffen …

🧡​💙​💚

Sonntag, 231210, zweiter Advent

Still ist es, von der armenischen Duduk in meinen Ohren mal abgesehen. Passend zur Stimmung und dem ab morgen wieder beginnenden Jahresendspurt. Wir sind noch genau 2 Mitarbeiter, man hat festgestellt, dass rein arithmetisch nur 0.8 erforderlich sind bzw. uns zugestanden werden könnten. Wenn das mal nicht ausbaufähig ist 🙂 Mir trieft langsam der Sarkasmus aus den Hosenbeinen …

Der zweite Ring

Rechterhand glänzt er hell silbern und fein abgerundet. Selbst die Jahre konnten ihm nur wenig anhaben. Er steht für die helle Seite, für die Innigkeit, Symbol des gegebenen Versprechens. Ein sehr schönes, aber etwas einseitiges Symbol der Verbundenheit – zeigen sich doch mit der Zeit auch dunkle Schatten, Abgründe und alte Narben.

Darum der zweite Ring, linkerhand. Dunkles, facettenreich geschmiedetes Titan, nicht so geschmeidig wie sein glänzender Bruder. Er steht für besagten Schatten, für die Schärfe, aber auch für die Vielfalt.

Es gibt sie beide je zweimal. Vereint in Licht und Schatten.

Freitag, 231006

Aus einem Kommentar von mir zum Thema Wiedererstarken des Nationalismus:

Ja, dass Nationalisten miteinander können, hat mich auch schon nachhaltig beschäftigt. So wie die Russen die Wahl Donald Trumps favorisiert und auch manipuliert haben. Sehr wahrscheinlich geht es um klar abgesteckte Einflusszonen, in denen ein jeder machen kann, wie er möchte. Das Prinzip der Macht setzt voraus, es gibt keine Gleichberechtigung unter den Völkern, was real ja auch so ist. Die Regeln bestimmen die mit den größten Eiern Waffensarsenalen und dem größten Handelsvolumen.

Nicht, dass ich das sonderlich fair, gerecht oder menschenwürdig fände, das ist es weiß Gott nicht. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, das ein Denken in Machtblöcken durchaus bei allen damit verbundenen Risiken Garant für eine lange Friedensperiode sein kann. Was geschieht, wenn kleineren Völkern in manipulativer Absicht Selbstbestimmungsrecht suggeriert wird, lässt sich derzeit leider gut beobachten. Und – die „Guten“, die gibt es nicht. Auch unsere Freunde größten Handelspartner und Waffenbrüder haben fremde Länder überfallen und besetzt, wenn ihnen nicht genehm war, was dort geschah. Und sie werden es wieder tun. Selbst bin ich davon überzeugt, der beste Friedensgarant sind für alle Seiten fruchtbare und faire Handelsbeziehungen. Das hat selbst zu Kaltenkriegszeiten gut funktioniert.

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Sonst so?

Das Jahr der großen Jubiläen – 45 Berufsjahre nonstop und 30 Jahre in diesem ehemalig kuscheligen Familienbetrieb, der ehemaligen Plattkloppe-Krummbiege-und-Abschneidefabrik. Dieser ehemals geflügelte Begriff stammt von einem launigen Ex-Kollegen aus einer Zeit, als es hier noch eine Stanzerei hatte. Von ihm stammt auch die Einschätzung, dies hier sei eine Manufaktur und er kriege jedesmal das Staunen, dass die Teile so ausschauten, als kämen sie aus einer Fabrik. Wir hatten nicht nur den Vornamen gemein 🧡.

30 Jahre „irgendwas mit Autos“, 45 Jahre ununterbrochen Lohn und Brot – bei allem, was war, ein Grund zur Dankbarkeit. Kann zumindest in diesem Lebensbereich so falsch das alles nicht gewesen sein. Man gedachte mir ein Körbchen zu, schön mit gesunden Sachen, auf dass ihnen meine Arbeitskraft noch lange erhalten bleibt.

Wie überlebt man in diesem industriellen Dschungel? So gut sein, dass man sich irgendwie zumindest ein wenig unverzichtbar macht – und, das ist der Trick, auf dem es ankommt – den Kopf immer schön unterm Radar halten. So bin ich heute der letzte verbliebene „Indianer“, der rein gar nichts zu sagen hat und nur knechten darf. Alle rotierenden Messer haben schlimmstenfalls für leicht kreisrunden Haarausfall ganz weit oben auf der Rübe gesorgt, was aber auch am Alter liegen könnte. Man nennt mich auch den Überlebenskünstler. Mehrere „überlebte“ Geschäftsführungen und viele Fachbereichsleiter lassen grüßen. Bei alledem habe ich nie vergessen – ein wenig glückliche Fügung gehört auch immer dazu.

Wo ich gerade bei der Arbeit bin – Netzfund zum Thema Strategische Inkompetenz. Kann ich nicht war gestern, heute will man nicht können. In dem Artikel geht es vorzugsweise um Männer, die sich vor der Hausarbeit drücken wollen – ich möchte ergänzend hinzufügen, es soll auch Frauen geben, die handwerkliches Ungeschick strategisch vortäuschen. Und wiederum Männer, die gern in diese Bresche springen, in der dito eher strategischen Hoffung auf lustvolle Stunden. Wenn`s funktioniert, ist ja auch allen geholfen. Alle Strategie darf nicht mit der natürlichen Blödheit verwechselt werden, also die noch nicht weiter bearbeitete Veranlagung, die Folgen des eigenen Tuns und Lassens nicht wirklich einschätzen zu können. Was sich trainieren ließe, ebenso wie die erlernte Selbstunterschätzung, auch ein Thema für sich.

Selbst hatte ich das Glück, immer wieder auf Menschen zu treffen, die mir bei alledem ein Stück weiter halfen. Vielleicht darf ich heute hier und da so einer sein, für andere.

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Donnerstag, 231028

Beengtes Zeitkorsett, das zunehmend auf die Nerven geht. Gestern schrieb ich einen Eintrag und nannte ihn Donnerstag … da war der Wunsch der Vater des Gedanken. Immer noch jeden Tag irgendwas mit Autos, und sei dankbar für dein täglich Brot. Ja, bin ich. Aber – ich kann dieses Wort nicht mehr hören und benutze es dennoch – aber leider sagt der Pass irgendwas mit 61+. Restzeit & tägliche Fristverlängerungen laufen längst. Fluchen will ich und tue es mitunter laut.

Wenn ich schon dabei bin. Es hat keine Wohnungen und einige, die ich teils auch persönlich kenne, spazieren schon monatelang am Rande der Obdachlosigkeit, haben jetzt noch aufgrund warmherziger Mitmenschen einen Schlafplatz und somit den Status der so genannten Wohnungslosen. Für mich ein Zwiespalt, einer von vielen übrigens. Man lernt damit zu leben. Jemand sagt, sollen sie doch in die Ukraine, da sind massig Wohnungen frei. Ok, will ich sagen, Zynismus kann ich auch, raus mit dem Elend der Welt, Hemd und Hose und so und was ist wohl näher. Sage ich nicht, denke ich aber, um mich gleich darauf dafür zu schämen. Elend geht mir nahe. Meine eigene Ohnmacht und die gottverdammten Widersprüche und Zwiespälte dieser Welt ebenso.

Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch und wild blühen die Phantasien, was damit wohl alles anzustellen und auszurichten sei. Meine auch. Andererseits reicht mir schon die natürliche Dummheit als eher harmloser Gegenpol. Weniger harmlos sind die natürliche Bosheit und der durchtriebene Vorsatz in Kombination mit gewissenloser Intelligenz, die sich der KI bemächtigen werden.

Über Politik wollte ich nicht mehr schreiben. Aber absolut alles, was heutzutage so geschieht ist zumindest auch politisch. ****** Dieser Absatz ging ursprunglich noch viel weiter, mein bester Freund am Schirm ist Gott sei Dank die Return-Taste. Ich hasse politische Diskurse, mittlerweile. Ach ja, wählen sollen wir. Die Wölfe im Schafspelz, gespickt mit Teilwahrheiten, die wähle ich nicht. Bevor ich also das wählen ganz sein lasse, werde ich wahrscheinlich die PARTEI wählen. Deren Vertreter haben hier im Kiez ein Büro, ein PARTEI-Büro sozusagen. Da sitzen sie bei schönem Wetter fröhlich schwatzend und Bier trinkend. Kann ich zwar aus Gründen nicht mithalten, aber so wie die ausschauen, sind die zu wenig Bösem fähig. Inhalte werden eh überbewertet und irgendwann versinke ich noch mal in meinem eigenen Sarkasmus.

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