Samstag, 220521

Pflicht vs. Liebe

Charakter entwickelt sich durch die Erfüllung unserer täglichen Pflichten. Gehorche der göttlichen Eingebung und gehe unbeirrt deines Weges. Verfalle nicht in den Fehler, „Herr, Herr“ zu rufen, ohne die Dinge zu tun, die getan werden müssen. Zwar bedürfen wir Menschen stets des Gebets und der inneren Versenkung, aber dabei müssen wir trotzdem unsere Arbeit tun und unser Tagewerk pflichtgemäß verrichten. Der Mensch ist weise, der sich inmitten seiner Geschäftigkeit Zeit zur Muße nimmt und geduldig auf Gottes Führung wartet. Wer der göttlichen Eingebung gehorcht, der findet inneren Frieden.

Quelle

Selbst bei mir wecken diese Worte erst einmal leichten Widerspruch, erinnern sie mich doch stark an das evangelikale „bete und arbeite“. Und auch, wenn es in meinem Leben mal eine lange Zeit gegeben hat, in der ich mich über solche Aussagen lustig gemacht und dabei laut „Prost“ gesagt habe, weiß ich heute im Nachgang doch, so ist es.

Meine Pflicht tun – kann das ein Akt der Liebe sein? Als Mensch mit Trigon Sonne-Saturn im Geburtshoroskop weiß ich um die Macht von Verbindlichkeit und Beständigkeit. Meine Mutter tut ihre Pflicht, sagt sie. Ich tue die meine im Sinne des vierten Gebots. Du tust mehr als deine Pflicht, sagt die Liebste, das ist Liebe, was du tust. Mag sein, aber das blende ich aus, wenn ich mittendrin bin. So selbstlos, wie das alles manchmal scheint, ist es, denke ich, nicht. Es gibt etwas zu lernen, für mich. Erkenntnisse über das Alter, über die Hilflosigkeit, über Bedürftigkeit und allen damit verbundenen inneren und äußeren Widerständen. All dies registriere ich unterhalb der ausgeübten Pflicht, nehme es meist still zur Kenntnis. Nichts geschieht ohne Grund, so viel ist sicher.

Sonst so?

Es bewegt sich derzeit nicht viel, so scheint es. Von der Arbeit mal abgesehen, dort bin ich derzeit ganz auf mich allein gestellt, derweil mein arabischer Lieblingskollege aushäusig beschäftigt ist. Danke, Herr, für das besagte Trigon (siehe oben) sowie für ein mittlerweile recht dickes Fell, gepaart mit einem für manch einen gewöhnungsbedürftigen Humor, ein Gemenge aus Sarkasmus und Fatalismus. Last not least – Danke für meinen Kündigungsschutz, irgend einen Vorteil muss das älter-werden ja haben.

Und – in Erinnerung an meine zahlreichen Lehrerinnen und Lehrer (Boah, gegendert!), ich könnte euch versichern, so ihr denn noch leben tätet – es ist noch mehr als genug von mir übrig, auch wenn ihr mich einst in Teilen komplett abgeschrieben habt.

20 Gedanken zu “Samstag, 220521

  1. Pflicht ist ein nerviges Wort. Es erinnert mich auch eher an die Eltern und die Generation, die langsam wegstirbt. Und doch tue ich meine auch mit einer ähnlichen Versessenheit, dass mir manchmal Angst wird. Liebe ist es bei den Kindern und dem Mann, da tue ich auch Dinge, zu denen ich nicht verpflichtet bin. Manchmal zu viel, manchmal vielleicht zu wenig.
    Mit dem Rest bin ich gerade im Clinch. Da brüllt der Wolf, der sich im Schafspelz ganz gut versteckt und weigert sich ab und an vehement. Nicht jede Pflicht ist meine und ich kann nicht die von anderen übernehmen, weil es denen gerade so passt und sie das Recht zu haben glauben, sie auf mich abzuwälzen.
    Guter Gedankenansatz zu diesem Wochenendtag, der mit fremd- und selbstauferlegten Pflichten gespickt ist. Ein bisschen fehlt mir da gerade die Liebe.
    Hab ein schönes Wochenende
    Alice

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  2. Wir haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Hier in meiner Zeit und hierzulande ist es häufig eine Sache der eigenen Haltung, welche Pflichten ich annehme und wie schwer es mir fällt, diese auszuüben. Ohne Verpflichtungen funktioniert keine Gesellschaft. Zum Thema fand ich interessant zu lesen: Richard David Precht: Von der Pflicht (https://www.penguinrandomhouse.de/leseprobe/Von-der-Pflicht/leseprobe_9783442316397.pdf)

    Hoffentlich habt Ihr die Unwetter gut überstanden. Hier war zum Glück nichts davon zu spüren, obwohl anderes vorhergesagt wurde. Liebe Grüße! Regine

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    1. Das mit den Pflichten ist bei manchen ein wenig aus der Mode gekommen, das drückt dein Buchtipp gut aus, Danke dafür!

      Manche meinen, mit ihren gezahlten Steuern sei das Thema durch, dazu kommen gerade im familiären Bereich oft wahre Abgründe an Gleichgültigkeit, Angst, Hass, Misstrauen und so weiter. Ohne den Glauben an etwas Größeres als ich es bin, könnte ich so einiges nicht tun.

      Das Wetter ist wieder friedlich und die Freuden der Pflicht sind auch überstanden 😉

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      1. Ja, es hat sich vieles zum Negativen verändert und „die toxische Macht der Narzisten“ (noch so ein lesenswertes Buch) droht zu gewinnen. Wir stellen uns aber gegen diese Entwicklung quer und suchen uns Gleichgesinnte!🌈🙋‍♀️

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  3. Guten Morgen Reiner
    Ich denke schon dass sich der Charakter formt, in welcher Art und Weise man seine tägliche Pflichten ausübt. So wie und mit welchen Gedanken und Hingabe man sie ausübt, so zeigt sich das Verhalten in anderen Bereichen.
    Einen guten Tag dir, bei der Ausübung deiner Samstags Pflichten. 🍀

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  4. Geliebter Reiner, 💫
    Dankeschön für diesen Beitrag, der mich erneut darauf hinwies, dass auch in der Pflicht ein Licht zu finden ist. Das Quellzitat hat mich beeindruckt. Es ist so fühlbar aufrichtig. Und gleichfalls brachte es die Gedanken empor, dass die einzig wahre Pflicht lediglich sein kann, sich selbst und den Nächsten zu lieben, dies so, wie man grad ist und die ‚Anderen‘ sind. Das mit dem sogenannten Tagwerk, ergibt sich dann wahrlich ganz von allein, da die innere Führung kein Märchen ist. Und wenn man es auf dem Punkt bringen will, ist es wohl Gottes Tag- und Nachtwerk, alles zu lieben, was Seine Schöpfung tatsächlich beinhaltet. Dies gleichgültig, ob sich diese nun in Ihm erkennt oder nicht. Kann ein Werk denn größer sein, als jenes der Einen Liebe? Man erinnere sich hier auch an das Zitat aus der Bibel, von Lilien und Vögeln. Ich dank dir noch mal von ganzem Herzen für diesen wertvollen Beitrag.
    Gesegnete Grüße 💫
    Luxus

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  5. Lieber Reiner, Pflicht ist etwas, was man im Prinzip nicht gerne tut aber tun muss. Es ist, wie mit den Geboten: Wenn aus dem Muss ein „ich will“ geworden ist, wirst Du sie gerne einhalten. So ging es mir bei meiner Arbeitsstelle. Für mich war meine Arbeit mehr als nur Pflicht. Hab ein schönes Wochenende! Liebe Grüße, Gisela

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Senf dazu?