Donnerstag, 210225, am Abend

Lockdown sei Dank.

Meist treiben mich liegengebliebene Dinge um. Steuererklärung, Reifen wechseln, Wohnung sauber machen, einkaufen, Katzenklo oder oder oder, Die Liste ist lang und heute nicht kürzer geworden. Um halb Sechs gehe ich noch eine Runde vor Tür, wie man hier sagt. Irgendwie schaffe ich es in letzter Zeit immer wieder, Wege und Pfade zu finden, die ich nicht kenne. Finde mich in fremden Quartieren wieder, obgleich ich nur wenige Kilometer von daheim entfernt bin. So auch heute.

Eindrücke:

Ein netter rotgesichtiger Kerl mit versoffener Stimme im Vorgarten, der mich freundlich, aber bestimmt darauf aufmerksam macht, dass es da nicht weiter geht. Dort schon eher, Fußweg und so, ich bedanke mich.

Ein junger Mann mit bunten tätowierten Unterarmen und schwarzen Vollbart lädt gerade sein Auto aus, ein Audi 80 aus den 70ern, in kotzpopelgrün, wie die Telefone damals. Ich grüße freundlich und frage nach der Teileversorgung für das Gefährt, immerhin über 40 Jahre alt. Kein Problem, reichlich, sagt der, und freut sich, mal jemanden zu treffen, der älter als sein Auto ist.

Ein großer Puschelhund in dezentem Grau kreuzt den Weg, samt Herrchen. Ludwig heißt er, der Hund, und kommt aus Bayern, versichert mir der rundliche Mensch mit breitem Grinsen im Gesicht.

So viele hellerleuchtete Fenster und so viele Kinder. Auf dem Rückweg gehe ich ein Stück über die Nordbahntrasse, weil es der kürzeste Weg ist und die Zeit voran geschritten ist – man könnte glauben, es gäbe keine Pandemie, so viele Menschen. Eine gefährliche Illusion, die aber niemanden zu schaffen machen scheint. Auf dem Bolzplatz unter der Brücke der A46, die die Stadt im Norden der Länge nach durchschneidet, plärren drei oder vier Getto-Blaster zeitgleich und eine Menge Kids kicken Bälle gegen den Beton und in die Körbe.

Fast 11 000 Schritte heute, persönlicher Highscore. Draußen sein tut gut.

Schaurig schön …

21 Gedanken zu “Donnerstag, 210225, am Abend

  1. Kotzpopelgrün. Herrlich!🤣 Ich bin Anfang der 90er auch Audi 80 gefahren (alles was kleiner war, war nach der Wende nicht zu haben, es sei denn zu horrenden Preisen), aber eher „Silberrückengrau“. Ich hoffe, es fühlt sich jetzt kein mitlesender Berggorilla angepisst.

    Gefällt 1 Person

  2. Und hier ist wieder eines, lächle, eines dieser Worte für die wir zuhause zurechtgewiesen wurden.
    Wenn uns ein Begriff auf D nicht eingefallen ist, haben wir das Wort auf FR genommen und es „eingedeutscht“ … Der Wuppertaler hat da wohl was aus der Franzosenzeit übrig behalten.
    Quartier, das Viertel auf Französisch (hat hier nichts mit seiner D benutzung zu tun) wird zu Quartieren – ich liebe es!

    Gefällt 1 Person

      1. Quartier ist im D deutsch: „Unterkunft“
        Nur in der Schweiz ist es ein Synonym für Viertel – aber da kommt es ja auch aus dem Fr.
        Ich mags wenn Sprache so angenommen wird, dass sie „passt“ 🙂

        Gefällt 1 Person

Senf dazu?