Freitag, 221111

Ein Stadtbesuch am späten Morgen, das im Auftrag gegebene, gerahmte Bild vom Vater abholen. Es ist angesichts der dürftigen Vorlage gut geworden und der Rahmen wirkt edel, aber dennoch schlicht. Wo gibt es Trauerflor – auf Umwegen lande ich in einem Blumengeschäft und erstehe einen Meter samt einem kleinen Stück Bindedraht. Es soll schon nach was ausschauen.

Passende Klamotten. Es hat eine schwarze Jeans, die seit Jahren schon nur für solche Anlässe im Schrank hängt. Ich mag sie nicht, eben wegen ihrem Verwendungszweck. Außerdem hat sie keine aufgesetzten Taschen für meine zahllosen Kleinigkeiten. Dafür liebe ich meine Cargo-Hosen, habe aber keine in schwarz und außerdem sind die alle böse verschossen. In den großen Läden hängt nur der übliche Kram, eine schaut so aus, als könnte sie was sein. Ich suche schwitzend und innerlich fluchend eine Umkleide, am anderen Etagenende werde ich fündig. Nebenan zieht sich eine Dame um und diskutiert währenddessen mit einer draußen wartenden Freundin. Nie hätte ich gedacht, dass ein Mensch so viel Geräusch und Nichtssagendes in so kurzer Zeit von sich geben kann. Im meinem Kopf sitzt in einer Ecke einer, der schräg belustigt ist und ihm gegenüber auf der anderen Seite ein anderer, der meint, kann die nicht mal die Fresse halten. Die Hose passt zwar, fühlt sich aber lappig an und außerdem stehe ich angesichts der warmen Luft voll im eigenen Saft.

Schnell raus da, ohne Hose.
Also schon mit der eigenen, nicht ganz ohne.

Es gibt einen Outdoor-Laden, aber der ist weit weg und ich spüre meine desolaten Knochen bereits. Außerdem ist der überteuert, dazu kommt, das heute jeder Rentner Markenklamotten von sagichnicht trägt. Zwar bin ich mittlerweile 60, aber so weit isses dann doch noch nicht. Mir fällt so ein Emo-Laden ein, der hatte zumindest früher mal neben dem üblichen Headshop-Kram und Tattoo-Metallsammlung auch interessante Klamotten. Den also suche ich auf, vor mir sind allerdings zwei Mädchen schneller. Eine trägt eine Maske und wird prompt von dem großmäuligen offensichtlichen Geschäftsführer angegangen. Könne sie abnehmen, würde nur schlechten Atem machen, die Zeit sei vorbei und im übrigen nie wirklich dagewesen. Ein distanz- und respektloses Arschloch wie aus dem Lehrbuch. Gerade will ich mich umdrehen und gehen, da tönt der zu mir herüber – was kann ich dir den antuen? Ich trage im übrigen auch eine Maske, habe keine Lust mehr auf Geschäfte mit dem Arschloch und schon gar keinen Bock auf fruchtlose Diskussionen mit ebensolchen. Schon gut, sage ich und verschwinde.

Dann wird es halt die ungeliebte schwarze Jeans sein, eine schwarze Weste dazu, die packt auch so einiges. Es ist nicht wichtig, und wird immer weniger wichtig, wenn ich an Vaters Haltung zu Mode aller Art denke. Ein Jogginganzug wird es jedenfalls nicht sein, auch wenn ich nie Kontrolle über mein Leben hatte.

21 Gedanken zu “Freitag, 221111

  1. „Nie hätte ich gedacht, dass ein Mensch so viel Geräusch und Nichtssagendes in so kurzer Zeit von sich geben kann.“
    Kommt mir bekannt vor (schrieb heute verwaqndt darüber).

    Der mit dem „war eh nie was“, einen solchen, trifft man häufiger, schon ganz zu Anfang liefen sie rum. Drum.

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      1. Einkaufen hatte ich mir irgendwann gut angeeignet, denn ich wollte mir selbst meine Kleidung adäquat zulegen können. Mittlerweile bin ich aber wieder zurück im Kaumkaufen von Klamotten.
        Ist schon komisch, diese Sinuswelle.

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      1. Wenn ich unterwegs kein Geld benötige reicht mir ein Taschentuch und das Handy.
        Schlüssel nimmt der Mann und gut ist. Zur Not ist immer ein 20er in der Handy Tasche. 😉

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  2. Tja, das mit der schwarzen Kleidung … ich habe auch mal Hose und Pullover für eine eventuelle Beisetzung im Winter gekauft. Seither staubt es im Schrank herum. Apropos schwarz. In der Wallonie (gleich neben meiner ursprünglichen Heimat) wird auf Beerdigungen „weiß“ getragen, früher wurden Beisetzungen am 3. Tag nach dem Tode gehalten, also an dem Tag, an dem Christus auferstanden ist. Da wurde gesagt, dass die Seele des Verstorbenen auch inmitten der Nacht, also zu Beginn des 3. Tages, auferstanden sei. Dementsprechend wurde „weiß“ getragen, der Verstorbene war bei Gott, nur noch sein Körper bzw. Asche wurde in die Erde gebracht. Trage doch ein weißes Accessoire oder Hemd zu dem Schwarz. Das gibt deiner Kleidung eine positive Symbolik und wirkt heilsam für deine Seele. Was meinst du?

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    1. Ich besitze keine Hemden, liebe Sabina. Diese schwarze Hose ist die einzige „für gut“ Es hat weder Anzüge, Sakkos, feine Mäntel und dergleichen. Die Dinge, die ich besitze, trage oder nutze ich, bis sie sich überlebt haben.

      Es gibt ein schwarzes Kapuzenshirt, das trifft es recht gut und ist am Montag mit dabei:

      Liebe Grüße & Danke!

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  3. Mein Sohn hat sich ja letztens einen dunkelblauen ersten Anzug seines Lebens für die Hochzeit seines Bruders gekauft. Und gleich einen schwarzen dazu. „Für Beerdigungen“, sagte er mir.😳 Ich fühlte mich angesprochen und wagte zu bezweifeln, dass der bei meiner Beerdigung noch passt. Er guckte groß und meinte: „Muss ich eben aufpassen und nicht dicker werden.“
    Komm gut durch die nächsten Tage! Dünnhäutig ist ja nicht so schlimm und hilft vielleicht sogar, die Trauer gut zu bewältigen! Regine

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    1. Selbst verwahre oder kaufe ich nichts mehr „für gut“. Konventionen sind in Grenzen richtig und gut, ja. Allerdings habe ich meine eigenen schmerzlichen Erfahrungen von Ablehnung wegen Äußerlichkeiten. Heute ist es nicht mehr wichtig.

      Vielen lieben Dank dir, Regine!

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