Donnerstag, 210121

Furchtbar

Das ist alles furchtbar, sagt ihr Nachbar am Döner-Stand, der seine Brottasche in Arbeit hat. Furchtbar … grantelt es Döner-mümmelnd, während er sich langsam auf dem Weg macht.

Was is` furchtbar, sagt leise der Döner-Mann zu ihr, ein Araber mittleren Alters. Dieses Volk kennt keine Krisen. Alle haben genug Essen, Wasser, Zuhause, warm, Internet…was ist furchtbar?? Er weiß nicht, was furchtbar ist… So ist es, sagt sie, die Frau mit den dunklen lockigen Haaren und den fast schwarzen Augen und nickt zustimmend, während sie zahlt und sich bedankt.

*

Sonst so? Es war eine etwas unruhige Nacht mit sehr wenig Schlaf, der Wind spielte lautstark mit den Rolladen. Der Kopf ist schwer, aber es geht mir gut, siehe oben. Wenn etwas fehlt, dann sind es Umarmungen. Und Begegnungen mit der Familie. Die sind selten geworden. Das ist, sagen wir mal, bedauerlich, aber nicht furchtbar. Für mich. Danach kommt lange Zeit nichts mehr, was fehlt. Ganz weit dahinten – da fehlen Kino, Restaurants, Gruppen. Ab und zu mal unter Menschen ist sogar für mich angenehm. Manchmal. Was überhaupt mal gar nicht fehlt, ist shoppen und reisen.

Hinter bedauerlich kommt unangenehm. Das betrifft mich Gott sei Dank schon nicht mehr. Andere schon, so gesehen gestern in der „Lokalzeit“ des WDR. Familien im Lockdown, alle zuhause. Der gezeigte Fall hatte noch das Glück, zu fünft ein mehrgeschossiges Eigenheim zu bewohnen, wo Mensch sich zumindest ein wenig aus dem Weg gehen konnte. Können andere nicht, in ihren Mietwohnungen. Unangenehm und nervig, aber lange noch nicht furchtbar. Die Wahl der Worte …

Und – als Mensch, dessen erste Lebenshälfte aus einer Kette von privaten Krisen bestand, ist mir das Prinzip dahinter jedenfalls vertraut. Hätte ich auch nicht gedacht, dass mir das mal zum Vorteil gereicht.

 

 

 

 

18 Gedanken zu “Donnerstag, 210121

    1. Furchtbar sind für mich zerbombte Häuser, vergiftetes Wasser, Willkür, Gewalt, Schmerzen, Obdachlosigkeit bei Kälte, Rechtlosigkeit, Trauer um verstorbene Angehörige. Kein Anspruch auf Vollständigkeit …
      Im Sinne des Wortes.

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      1. Das, was du beschreibst, sind Katastrophen und die sind natürlich grauenhaft. Aber es gibt Menschen, die sind auch durch Corona traumatisiert – vielleicht nicht gerade die, die du im Artikel beschreibst, aber es gibt sie. Meine kleine Familie gehört nicht dazu, obwohl wir auch überproportional betroffen sind. Angst zu haben, dass den Liebsten etwas zustoßen kann, dass sie sterben könnten ist bestimmt furchtbar. Nicht nur bestimmt! Ich weiß es!

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Senf dazu?